„97 Prozent der Ungarn lehnen die Sanktionen ab“ – Orbán stößt in Brüssel auf taube Ohren

Der ungarische Ministerpräsident war der einzige, der seine Wähler in der EU zu den Sanktionen gegen Russland befragt hat. 97 Prozent der Befragten, die die Umfrage beantwortet haben, sind gegen die Sanktionen. Aber Brüssel ist nicht sehr interessiert.
Titelbild
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán in der EU-Zentrale in Brüssel.Foto: JOHN THYS/AFP via Getty Images
Von 23. Januar 2023

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1,4 Millionen Menschen haben erklärt, dass sie die Brüsseler Sanktionen gegen Russland ablehnen. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage, die kürzlich von der ungarischen Regierung veröffentlicht wurde. Die Umfrage geht auf eine einzigartige Initiative von Ministerpräsident Viktor Orbán zurück. Dieser hatte angeregt, die gesamte ungarische wahlberechtigte Bevölkerung nach ihrer Meinung zu den Sanktionen zu fragen.

Von den rund 8,2 Millionen befragten Personen äußerten sich 1.389.000 Ungarn zu den von der Regierung gestellten Fragen. Laut der Umfrage verurteilen 97 Prozent der Befragten die Sanktionen gegen Russland.

Orbán zufolge waren die Sanktionen ein völliger Fehlschlag, und es sei an der Zeit, dass Brüssel nach neuen Wegen suche, betonte der Ministerpräsident kürzlich in einem Radiointerview.

Die Ungarn haben Stellung bezogen

Die in der EU einzigartige Initiative wurde im September von der ungarischen Regierungspartei angekündigt. Auf der Pressekonferenz zur Fraktionssitzung am 22. September kündigte der Vorsitzende der Fidesz-Partei (Regierungspartei Ungarns), Máté Kocsis, die „Nationale Konsultation“ (Meinungsumfrage in Ungarn) an, die seiner Meinung nach das derzeit wichtigste Instrument ist, um die Aufhebung der Brüsseler Sanktionen gegen Ungarn zu unterstützen: „Die Meinung des Volkes muss eingeholt werden“, sagte er damals.

Für alle sieben Fragen der Erhebung meldete die Regierung eine Ablehnungsquote von über 96 Prozent für jegliche Form von Sanktionen.

Laut Csaba Dömötör, Parlamentarischer Staatssekretär im Büro des Ministerpräsidenten, sind die Umfrageergebnisse nicht nur eine nachträgliche Rückmeldung über vergangene Sanktionen. Der Fragebogen enthielt nämlich auch Fragen zu geplanten künftigen Sanktionen. Die Antworten zeigen also auch deutlich den Wunsch der Menschen nach einem Richtungswechsel.

In einem Interview mit dem ungarischen Staatsfernsehen betonte Dömötör, dass die EU die Meinung der befragten Bevölkerung nicht ignorieren könne. Dem ehemaligen EU-Vertreter zufolge ist es nicht ungewöhnlich, dass die EU-Kommission Umfragen nur bei einigen Hundert oder Tausend Personen durchführt. Im Vergleich dazu gibt die ungarische Umfrage im Prinzip jedem Bürger die Möglichkeit, seine Meinung in das Gesamtergebnis einfließen zu lassen. Auch die Zahl der Antwortenden ist recht repräsentativ.

Brüssel zeigt kein Interesse

Am Montag (16. Januar) reagierte die EU-Kommission auf die von der ungarischen Regierung veröffentlichten Ergebnisse. Der Sprecher für auswärtige Angelegenheiten der EU, Peter Stano, erklärte gegenüber dem auf EU-Angelegenheiten spezialisierten paneuropäischen Mediennetzwerk „euractiv.de“, dass die Kommission festgestellt habe, dass „der Prozentsatz der konsultierten Bürger sehr gering“ gewesen sei.

„Offiziellen Angaben zufolge nahmen zwischen dem 14. Oktober und dem 15. Dezember weniger als 1,4 Millionen der 8,2 Millionen registrierten Wähler Ungarns an der Befragung teil“, heißt es in dem Bericht weiter.

Der Sprecher machte auch deutlich, dass die EU-Beamten nicht die Absicht haben, die Situation im Lichte der erhobenen Daten neu zu analysieren. Er wies auch darauf hin, dass die von den Ungarn vorgelegten Daten und Meinungen nur eine von 27 seien:

Wenn es darum geht, das nächste Paket zu beschließen oder die bestehenden Pakete zu ändern, werden die 27 Mitgliedstaaten einstimmig darüber entscheiden“, sagte Stano.

Der Kommunikationsdirektor der ungarischen Regierungspartei Fidesz, István Hollik, reagierte auf die Nachricht aus Brüssel mit den Worten: „Wir senden eine Botschaft an Brüssel, dass wir dank der nationalen Umfrage 1,4 Millionen mehr Meinungen erhalten haben, als Brüssel selber eingeholt hat.“

„Wir werden dies nicht zulassen und uns weiterhin für die Interessen des ungarischen Volkes einsetzen“, fügte Hollik in seinem Interview mit dem ungarischen Nachrichtensender „Hírtv“ hinzu.

Das 10. Sanktionspaket ist auf dem Weg

Während das neunte Sanktionspaket der EU im Dezember verabschiedet wurde, wird in Brüssel bereits über ein zehntes diskutiert. Nach Angaben von „Politico“ haben drei Länder die Initiative für neue Maßnahmen ergriffen. Die unmittelbar von der Nähe des Konflikts betroffenen Polen, Litauer und selbst die Ukrainer meldeten sich zu Wort. Unter anderem sollten härtere Strafmaßnahmen gegen Belarus und den russischen Kernenergiesektor verhängt werden, erklärten sie.

Aufgrund der Verflechtungen des Landes mit dem russischen Kernenergiesektor ist Letzteres für Ungarn besonders schmerzhaft. Für die ungarische Regierung ist dies eine „rote Linie“, die unter keinen Umständen überschritten werden darf, gerade der Bereich der Kernenergie. Wie die ungarische Führung in der Vergangenheit bereits mehrfach betont hat, ist dies für sie kein Diskussionsthema. Der ungarische Energiesektor kann sich ohne die Entwicklung der Kernenergie nicht halten und ist dabei stark auf die Vereinbarungen mit Russland angewiesen.

Die EU-Politiker sind sich dieses sensiblen Punktes wohl bewusst. In dem „Politico“-Artikel heißt es, dass es bisher schwierig war, alle EU-Länder dazu zu bringen, den russischen Kernenergiesektor zu sanktionieren: „Nicht zuletzt, weil Länder wie Bulgarien Kernkraftwerke sowjetischer Bauart betreiben, die noch gewartet werden müssen.“

Daher sind die von der Zeitung befragten Diplomaten der Ansicht, dass der erste Schritt nicht darin bestehen sollte, die gesamte Branche ins Visier zu nehmen. Zuerst sollten „die in diesem Bereich tätigen Personen angegriffen werden.“ Weitere Maßnahmen könnten laut „Politico“ neue Handelsbeschränkungen, ein Visumverbot und eine Erhöhung der Zahl einflussreicher, dem russischen Regime nahestehende Personen sein, deren Vermögen eingefroren wird.

In dieser Woche hat die ungarische Regierung bereits ihren Standpunkt dargelegt. Am Mittwoch (18. Januar) hat das Kabinett von Viktor Orbán bei einem Treffen der EU-Botschafter ein klares Signal zur Vorbereitung des zehnten Sanktionspakets gegeben.

Die Ungarn lehnen demnach die Verbotsliste des zehnten Sanktionspakets gegen Russland ab. Demzufolge kann die Aufnahme von neun Oligarchen in die Sanktionsliste von Orbán nicht akzeptiert werden. Sie unterstützen auch nicht die Erneuerung der früheren Verbote, berichtete das ungarische Wirtschaftsportal „Portfolio“ unter Berufung auf polnische Presseberichte. Es wird ein ernsthafter Disput zwischen der ungarischen Position und derjenigen der EU-Mehrheit erwartet.

 

 

 

 



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