Göttinger Ökologen bestätigen Alan Turings Theorie für australische Feenkreise

Als der britische Mathematiker Alan Turing seine bahnbrechende theoretische Abhandlung über Musterbildung veröffentlichte, hatte er höchstwahrscheinlich noch nie von den Feenkreisen gehört. Fast 70 Jahre später bestätigen Forscher diese Art von Mustern auch in jener einzigartigen australischen Vegetationsform: Kahle runde Stellen, gleich groß und in regelmäßigen Abständen.
Titelbild
Die aktive Bildung von fast kreisförmigen Graslandlücken (Feenkreise), vom Hubschrauber aus gesehen. An diesem Übergang von Eukalyptus- und Akazienbäumen zu einem Triodia-Grasland ordnen sich die Stachelgräser zu runden, kahlen Lücken (unten und rechts) an.Foto: Stephan Getzin/Universität Göttingen
Von 23. September 2020

Feenkreise sind ein Rätsel der Natur und eines der visuell verblüffendsten Phänomene. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universität Göttingen hat nun erstmals detaillierte Daten gesammelt, die zeigen, dass das Modell des britischen Mathematikers Alan Turing auch die auffälligen Vegetationsmuster der australischen Feenkreise erklärt.

Darüber hinaus veranschaulichten die Forscher, dass die Gräser um die feenhaften Strukturen als „Öko-Ingenieure“ ihre eigene feindliche und trockene Umwelt verändern und dadurch das Ökosystem am Leben erhalten. Die Ergebnisse veröffentlichten das Team um Dr. Stephan Getzin in der Fachzeitschrift „Journal of Ecology“.

Mathematiker erklärt Muster von Zebrafischen, Leoparden und australischen Feenkreise

Mit Drohne und Multispektralkamera untersuchte ein internationales Forscherteam aus Deutschland, Australien und Israel, wie stark und gut die nur in Australien heimischen Triodia-Gräser wuchsen. Dafür unterteilten sie das Gebiet im Outback von Westaustralien in fünf jeweils einen Hektar große Bereiche. Die Feenkreise selbst kommen nur in einem kleinen Gebiet östlich der Stadt Newman vor.

Neben kontinuierlichen Wetterdaten klassifizierten die Forscher die Gräser nach hoher und niedriger Vitalität. Dies ermöglichte anschließend, erstmals in einem solchen Ökosystem einen umfassenden Test der Theorie der „Turing-Muster“ durchzuführen.

Das Modell des englischen Mathematikers Alan Turing (1912 bis 1954) besagt, dass in bestimmten Systemen aufgrund zufälliger Störungen die Interaktion zwischen nur zwei […] Substanzen ausreicht, um spontan stark gemusterte Strukturen entstehen zu lassen. Physiker haben dieses Modell verwendet, um die auffälligen Hautmuster zum Beispiel bei Zebrafischen oder Leoparden zu erklären. Frühere Modellierungen hatten bereits angedeutet, dass diese Theorie auch auf die australischen Feenkreise zutreffen könnte.

Drohnenbild der australischen Feenkreise, aufgenommen in einer Flughöhe von 40 Metern. Die Lücken haben einen ungefähren Durchmesser von vier Metern. Das räumlich periodische Muster ergibt sich aus annähernd gleichen Abständen zwischen den Zentren der nächstgelegenen Lücken. Foto: Stephan Getzin/Universität Göttingen

Turing-Muster faszinieren seit fast 70 Jahren

Als der britische Mathematiker Alan Turing 1952 seine bahnbrechende theoretische Abhandlung über Musterbildung veröffentlichte, hatte er höchstwahrscheinlich noch nie von den Feenkreisen gehört. Doch mit seiner Theorie legte er für Generationen von Physikern die Grundlage, um hochgradig symmetrische Muster wie Sandrippel in Dünen, Wolkenstreifen am Himmel oder Flecken auf dem Fell eines Tieres mit dem Mechanismus der sogenannten Reaktions-Diffusion zu erklären.

Die neuen Daten zeigen, dass das Lückenmuster der australischen Feenkreise aus „ökohydrologischen Biomasse-Wasser-Rückkopplungen der Gräser“ hervorgeht.

Die Feenkreise haben etwa vier Meter Durchmesser und verfügen über verwitterte Oberflächenkrusten. Der daraus resultierende Wasserabfluss spiele eine entscheidende zusätzliche Wasserquelle für die Trockenlandvegetation. Die Grasbüschel sorgen zudem für mehr Schatten und ermöglichen, dass mehr Wasser in die nahegelegenen Bereiche der Wurzeln eindringt.

Mit zunehmender Wachstumszeit nach den immer wiederkehrenden Buschfeuern verschmolzen die einzelnen Gräser mehr und mehr an den Rändern der Vegetationslücken zu einer Barriere. Auf diese Weise konnten sie ihre Wasseraufnahme aus dem Abfluss der Feenkreise maximieren. Gleichzeitig senkt die schützende Pflanzendecke die Oberflächentemperatur um bis zu 25 Grad Celsius. Davon können wiederum keimende und wachsende Gräser in unmittelbarer Nachbarschaft profitieren.

Feen halten die trockene Landschaft am Leben

Die Studienautoren fanden zudem sowohl im großen Maßstab der Landschaft als auch in viel kleinerem Maßstab der Einzelpflanzen Beweise dafür, dass die Gräser die Wasserressourcen umverteilen, die physische Umwelt verändern und so als „Ökosystemingenieure“ ihre Umwelt zum eigenen Vorteil anpassen.

Dr. Stephan Getzin von der Abteilung für Ökosystemmodellierung an der Uni Göttingen erklärte: „Das Entscheidende ist, dass die Gräser ihre eigene Umwelt aktiv gestalten, indem sie symmetrisch angeordnete Lückenmuster bilden. Die Vegetation profitiert von dem zusätzlichen Abflusswasser.“ So halten die großen Feenkreise das „trockene Ökosystem auch unter sehr unwirtlichen, trockenen Bedingungen funktionsfähig“.

Dies steht im Gegensatz zu einer gleichmäßigen Vegetationsdecke, die in weniger wassergestressten Umgebungen zu beobachten ist. „Ohne die Selbstorganisation der Gräser würde dieses Gebiet wahrscheinlich zu einer Wüste werden, die von kahlem Boden dominiert wird“, fügt Getzin hinzu. Das Auftauchen einer gemusterten Vegetation scheint eine Spielart der Natur zu sein, mit permanentem Wassermangel umzugehen.

(Mit Material der Universität Göttingen)



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