Offene Corona-Kritik im Mainstream: Signal für eine Wende in der Debatte?

Glauben statt Lügen: Die Anwältin Jessica Hamed hat die Verfehlungen der Corona-Jahre zusammengefasst und in einem Artikel veröffentlicht. Ihr Tenor: „Wir können nicht den Mantel des Schweigens darüberlegen.“ Aber ist mit ihren Thesen wirklich das ausgesprochen, was viele, nicht nur die Diffamierten der vergangenen drei Jahre, beschäftigt? Ein Kommentar.
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Virologe Christian Drosten (v.l.), Gesundheitsminister Karl Lauterbach und RKI-Präsident Lothar Wieler in der Bundespressekonferenz in Berlin.Foto: Kay Nietfeld/dpa/dpa
Von 11. Dezember 2023

Die Juristin Jessica Hamed hat im Zusammenhang mit Aktionen und Äußerungen gegen die Corona-Maßnahmen und -Politik in der „Berliner Zeitung“ eine Stimme bekommen. Dort publiziert sie regelmäßig in der Rubrik „Corona-Debatte“. In ihren Artikeln darf sie beispielsweise Forderungen stellen wie: „Der Staat sollte sich bei den Ungeimpften entschuldigen.“

„Wir können nicht den Mantel des Schweigens darüberlegen“

Auch ansonsten ist sie eine der wenigen Juristen, die regelmäßig im medialen Mainstream auftauchten, um dort Kritik zu äußern am „System Corona“, und nicht ein Professor Martin Schwab oder jemand von den „Anwälten für Aufklärung“. Als Gastautorin im „Cicero“ beispielsweise wirft die Strafrechtlerin Fragen auf wie: „Wie konnte es zu dem gesamtgesellschaftlichen Versagen aller staatlichen Institutionen, aber auch der Bürgerinnen und Bürger, kommen?“

Oder sie wurde vom „Focus“ zu ihren in mehreren Bundesländern eingereichten Klagen gegen die Maßnahmen interviewt. Damit bekam sie in einem großen Mainstream-Medium ein Podium für Kritik an den von ihr als verfassungswidrig bezeichneten C-Maßnahmen. Im Interview vom „Focus“ darauf angesprochen, dass ihre Klagen „nicht so erfolgreich“ gewesen seien, erklärt sie, dass es für sie nachvollziehbar sei, „dass drei bis fünf Richter*innen, die auch nur Menschen sind, nicht die Verantwortung tragen möchten, die mit der Aufhebung des Gesamtkonstruktes einhergeht“.

Drei Jahre in drei Thesen

Jetzt hat sie wieder einen Gastbeitrag in der „Berliner Zeitung“ veröffentlicht, der aufhorchen lässt. Eigentlich lässt in erster Linie die Tatsache aufhorchen, dass er überhaupt im medialen Mainstream veröffentlicht wird, wenn auch hinter der Bezahlschranke.

Mit der Überschrift zur Corona-Aufarbeitung „Wir können nicht den Mantel des Schweigens darüberlegen“ dampft Hamed auf drei Thesen zusammen, was „schiefgelaufen“ ist und der Aufarbeitung bedarf:

     „1. Die Justiz ist ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden. Effektiver Rechtsschutz war eine Illusion.

  1. Die Medien haben größtenteils ihre Kontrollfunktion nicht erfüllt und sich zu Pressesprecher:innen der Bundesregierung verzwergt.
  2. Um das erlebte Group Thinking [sic] zu durchbrechen und einen offenen Diskurs zu ermöglichen, bedarf es – auch in der Justiz – der Einrichtung eines institutionalisierten Advocatus Diaboli.“

Intellektueller Shutdown: Glauben statt Evidenz

Diese Thesen leitet sie her aus den vergangenen drei Jahren: der Corona-Zeit. In dem Beitrag spricht die Juristin aus, was ansonsten im Mainstream so kein Gehör findet. Sie fasst die Pandemiezeit mit ihren teilweise absurd erscheinenden Regelungen und Auswüchsen und  „vernunftswidrigen Maßnahmen“ zusammen. Da steht beispielsweise:

„2020 hätte eine große Mehrheit nicht laut gefragt, was ein nicht-normierter ‚Mund-Nasen-Schutz‘ – selbst genähte Masken oder Schals – denn epidemiologisch an Nutzen bringen soll. Und warum man im Restaurant am Platz keine Maske tragen musste, auf dem Weg zum Ausgang hingegen schon.“

Hamed bezeichnet das den „intellektuellen Shutdown einer aufgeklärten Gesellschaft“, in der Glaube statt Evidenz das Sagen gehabt habe. Und fragt:

„Warum haben die Menschen diesen offensichtlichen Unsinn mitgemacht? Und warum schritten die Gerichte hiergegen nicht ein? Nicht einmal die Maskenpflicht beim Joggen hat das Verwaltungsgericht Mainz aufgehoben. Darin zeigt sich exemplarisch das Versagen des Rechtsstaats. Warum? Selbst in einem solchen Fall, in dem die Absurdität der Maßnahme zum Greifen ist, verweigerte ein deutsches Gericht den Rechtsschutz.“

Zynismus pur – vom Hashtag „stayathome“ bis zur Alten-Isolation

Auch wenn die Bilder gesperrter Parkbänke, von Polizisten bewachter Rodelhänge, einsam sterbende Menschen et cetera in weite Ferne gerückt zu sein scheinen, die Auswirkungen all dessen sind nicht absehbar, auch die Folgen der dreijährigen Maßnahmenzeit für Unternehmer und andere Existenzen.

„Die Corona-Politik war zudem zutiefst klassistisch“, heißt es weiter. Die Gesellschaft habe gerade für die Schwächsten am wenigsten gesorgt: Dieser Klassismus habe sich vor allem bei in beengten Wohnverhältnissen Lebenden im Lockdown gezeigt: „Mit dem Grundschulkind kann man nicht einmal auf den Spielplatz vor dem Wohnblock. Dort weht rot-weißes Absperrband. Die Nachbarn bewachen die Einhaltung des Spielverbots mit Argusaugen und sind jederzeit bereit, die Polizei zu rufen.“ Nicht zu vergessen sind die Obdachlosen, die wegen 3G nicht in Bahnhöfe durften, oder auch die Verdoppelung der Zahl der Suizide in deutschen Gefängnissen.

Der Hashtag „stayathome“ sei ebenso zynisch gewesen wie die Isolierung der „Seniorinnen und Senioren zu ihrem Schutze“. Auch der Applaus aus dem Fenster für das Gesundheitspersonal falle in diese Kategorie.

Die heißen Eisen anpacken oder doch nicht?

Dann bringt die Juristin noch kurz die Diffamierung Maßnahmenkritischer oder Impfunwilliger zur Sprache. Hier wählt die Juristin ein Beispiel, bei dem automatisch die Frage aufkommt, warum nicht eins von den bekannteren und prägnanteren Beispielen wie „Möge die ganze Republik mit den Fingern auf sie zeigen“ von Nikolaus Blome, der damit sogar Namensgeber für ein Buch mit einer ganzen Sammlung von Verunglimpfungen und Ausgrenzung Andersdenkender gewählt geworden ist.

Hamed wählt ein Beispiel von Udo Knapp aus der taz im November 2021, das den von Hetze und Ausgrenzung Betroffenen vielleicht als „Hetze light“ bezeichnet werden könnte. Das mit Sicherheit aber nicht das Ausmaß der Diffamierungen, denen sie ausgesetzt waren, repräsentiert: „Die Impfgegner und die Impfverweigerer sind, anders als fälschlich in der Öffentlichkeit kommuniziert, keine im Grunde sympathischen, aber leider etwas verirrten Bürger, die nur falsch informiert und deshalb noch nicht über die wirklichen Zusammenhänge der Pandemie aufgeklärt sind. Nein, sie sind, wie Biermann feststellt, ,alte Schweinehunde‘, sie sind Staatsfeinde, die in voller Absicht an unseliges deutsches demokratiefeindliches Denken und Handeln anknüpfen.“

Aufzählung der Corona-Verfehlungen

Dann spricht Hamed noch aus, dass die COVID-19-Impfung keinen relevanten Fremdschutz vermittle und dass das Gesundheitssystem nie überlastet war.

Es gab keine roten Linien, für die Juristin ein gesamtgesellschaftliches Versagen: „Weder die Zivilgesellschaft noch die staatlichen Gewalten und auch nicht die vierte Gewalt haben sich als krisenfest erwiesen. Der liberale Rechtsstaat hat beim Thema Corona in Gänze versagt.“ Die Justiz hätte zumindest die Exekutive dazu auffordern müssen, die Geeignetheit der Maßnahmen darzulegen, sprich die Maßnahmen zu evaluieren.

In Deutschland haben sich fast ein Viertel der Menschen nicht impfen lassen – trotz des massiven Impfdrucks. Noch mehr hätten das Vertrauen in den Staat verloren. „Die Diskussionskultur ist in Deutschland kaputt gegangen. So weit wäre es nicht gekommen, hätten wir nicht von Beginn an eine Diskursverengung erlebt, die ihresgleichen sucht.“

Endlich Klartext oder „Aufarbeitung light“?

Das alles ist für diejenigen, die das Zeitgeschehen mit kritischem Blick verfolgen, nichts Neues. Neu ist, dass es, wenn auch hinter der Bezahlschranke, in einem der Mainstream-Medien wie der „Berliner Zeitung“ zu lesen ist.

Zieht jetzt Klartext in den Mainstream ein? Oder darf Frau Hamed mal ein bisschen Dampf ablassen, quasi „Aufarbeitung light“?

Die Juristin nimmt im Artikel noch Bezug auf die Podiumsdiskussion mit Stefan Huster, Verfassungsrechtler an der Ruhr-Universität Bochum und Leopoldina-Mitglied, vom 19. November 2023 im Humanistischen Salon in Nürnberg. Huster benennt sie noch als Beispiel für die „Verkürzungen und binäres Denken in den Debatten“. Das klingt dann so: „Stefan Huster, der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Evaluation der Pandemiemaßnahmen, warf Anfang Februar 2022 die Frage auf: ‚Wollen wir den Lockdown, überlastete Krankenhäuser oder eine Impfpflicht?‘“

Ist das Aufarbeitung, wenn sie ihren Gesprächspartner von vorneherein schont? Denn Huster warf genaugenommen keine Frage auf, sondern forderte knallhart die Impfpflicht. Huster, der ehemalige Vorsitzende der Corona-Evaluierungskommission, trat in einem Interview in der „Wirtschaftswoche“ am 3. Dezember 2021 für schärfere Corona-Regeln ein und befand eine „Allgemeine Impfpflicht“ für „verfassungsrechtlich gerechtfertigt“.

Schongang oder Aufarbeitung: Im Gespräch mit Chef der Corona-Evaluierungskommission

Jessica Hamed aber sah die Diskussion mit Huster als Anfang einer Übung, die in einer offenen Gesellschaft selbstverständlich sein sollte. Wenn man sich das Video „dieser Übung“ anschaut, fällt zunächst auf, dass die Anwältin nicht etwa in einer feurigen Ansprache ihre Position klarmacht, sondern den in der „Berliner Zeitung“ veröffentlichten Text vorliest, teilweise stockend.

Nach dem fünfminütigen Einstiegsstatement äußert sich dann Stefan Huster ebenfalls in vergleichbarer Länge und stellt klar, dass das Rechtssystem nicht alle Fehler der Pandemiepolitik ausräumen könne. Gleich anfangs distanziert er sich von denen, die auf „YouTube oder Wikipedia-Universitäten“ gewesen seien und jetzt als „Virologen und […] Epidemiologen und so“ mitreden wollten.

Aber er gebe auch zu und nehme nichts zurück: „Ich bin ein großer Freund von Impfung nach den STIKO-Empfehlungen und ich hab [sic] da sozusagen selber gefolgt und finde auch sinnvoll, dass andere das befolgen. Und wenn – das ist natürlich die Prämisse – Impfungen dazu führen, dass entweder andere geschützt werden oder eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindert wird und das erforderlich ist, bin ich auch der Meinung, dass Impfpflichten – also einfach Beschränkungen dann für diejenigen, die sich nicht geimpft haben – sich auch verfassungsrechtlich rechtfertigen lassen.“

„… hab mich irgendwie lustig gemacht über das Rodelverbot“

Natürlich sei da viel falsch gelaufen, es habe viel Unsinnigkeit gegeben, so Huster: „Ich habe mich auch irgendwie lustig gemacht, aber irgendwie, das Rodelverbot oder diese Ausgangsbeschränkung nächtlich oder so, habe ich auch nicht verstanden, warum das Verfassungsgericht das beibehalten hat.“ [sic] Nach Husters Aussage gibt es aber auch „wirklich viele Punkte, wo man anderer Meinung sein kann.“

Das Rechtssystem sei an der Stelle sozusagen einfach überfordert, wenn man von ihm erwartet, dass es alle Fehler der Pandemiepolitik ausräumt. „Das wird nicht funktionieren“, sagt Huster und beteuert zugleich, dass er natürlich für eine differenzierte Aufarbeitung ist. Er glaube aber: „Die Erwartung an eine derartige Aufarbeitung sind in Teilen der Öffentlichkeit deutlich überzogen.“

Was er nicht machen werde, „ist irgendwie so ein Quatsch, wie ,es müssen Handschellen, klicken‘, es müssen Leute ins Gefängnis und irgendwie Nürnberg zwei (…) also bleibt mir damit weg, und wenn jemand das diskutieren will, dann bin ich irgendwie der Falsche.“

Die Richtigen für richtige Aufarbeitung?

Ob Herr Huster der Richtige ist für so ein Gespräch, in dem es um Aufarbeitung geht? Und ob Frau Hamed die Richtige ist, um nicht nur all die Themen einmal hinter der Bezahlschranke aufs Tableau zu bringen und wirkliche Aufarbeitung voranzutreiben?

Jessica Hamed, seit sieben Jahren Anwältin und seit Februar 2020 Fachanwältin für Strafrecht, vertritt seit März 2020 bundesweit verwaltungs- und strafrechtliche „Corona-Verfahren“. Parallel bespielt die Anwältin die neuen Medien, beispielsweise seit 2019 Twitter,  wo sie seitdem über 5.500 Tweets abgesetzt hat. Seit Februar 2022 ist sie stellvertretende Direktorin beim Institut für Weltanschauungsrecht, eine 2017 gegründete Einrichtung der Giordano Bruno Stiftung, die sich für den „weltanschaulich neutralen Staat“ einsetzt. Und sich aktuell unter anderem auch dafür ausspricht, „den selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch vollständig, d.h. ohne jegliche Fristen, zu legalisieren“.

„Hart in der Sache, aber respektvoll und angemessen im Ton“

Immerhin hat die Anwältin in der „Berliner Zeitung“ die Möglichkeit bekommen, im Ansatz die Themen anzusprechen, die große Teile der Bevölkerung spalten, beschäftigen oder verdrossen machen, auch der Politik gegenüber. Hameds Selbsteinschätzung zu dieser Debatte ist, dass diese zeige, dass es möglich ist, „hart in der Sache, aber respektvoll und angemessen im Ton miteinander zu diskutieren“.

Für den aufmerksamen Leser oder Betrachter zeigt diese Debatte möglicherweise auch, dass gerade die Rolle der Medien eine Schlüsselrolle ist, die dringend aufgearbeitet werden muss. Hamed handelt diesen Schlüsselaspekt des medialen Versagens in einer ihrer Thesen knapp damit ab, hier kurz zur Erinnerung, dass diese „größtenteils ihre Kontrollfunktion nicht erfüllt“ und sich „zu Pressesprecher:innen der Bundesregierung verzwergt“ hätten.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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