Nudging: Denn sie wissen, was sie tun – „Soft Power“ als Regierungsinstrument

Viele Regierungen, auch die in Deutschland, nutzen seit Jahren Nudging, um das Volk soft und unbemerkt zu lenken und zu bestimmten Verhaltensweisen zu bewegen. Nicht erst seit Corona ist die tiefenpsychologische Methode ein politisches Instrument. Kann das Wissen darum davor schützen?
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Personen auf subtile Weise in ihrem Verhalten beeinflussen? Das macht die Bundesregierung nach eigener Meinung nicht.Foto: Sascha Schuermann/Getty Images
Von 11. März 2024

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Nudging? Und wieder solch ein Anglizismus, von dem eigentlich keiner weiß, was er konkret bedeutet. Etwas mit „Stupsen“ oder „Anstoßen“. Und: „Ja klar, das machen die in der Werbung schon lange, um uns zu überreden, etwas zu kaufen. Ist doch klar, dass wir beeinflussbar sind.“ So ungefähr winkte meine Cousine ab, als ich sie fragte, ob sie weiß, was „Nudging“ ist.

Was Werbung und Nudging eint, ist zumindest das Ziel der Verhaltensbeeinflussung, wobei Werbung in der Regel offensichtlich und auch gekennzeichnet ist, während Nudging oft subtil wirkt und für die Menschen, die ihm ausgesetzt sind, nicht offensichtlich ist. Eine Technik, mit der Menschen dazu bewegt werden, Dinge zu tun, die sie mitunter eigentlich nicht wollen. Gegen den eigenen Willen, aber völlig ohne Zwang. Es handelt sich gewissermaßen um einen Akt der Manipulation – dessen man sich in der Regel nicht gewahr wird. Nudging-Befürworter wie der Nobelpreisträger Richard Thaler sprechen hingegen lieber von einem „Navigationssystem“, das uns hilft, „den richtigen Weg zu finden“.

Die Kraft der „sanften Kraft“

Die Propagandatechnik, um politische Ziele zu erreichen, ohne auf strenge Gesetze oder Vorschriften zurückgreifen zu müssen, nennt sich „Soft Power“. „Hard Power“ bezieht sich auf die Fähigkeit eines Staates, seinen Einfluss durch Zwang auszuüben. Dazu gehören unter anderem strenge Gesetze, das staatliche Gewaltmonopol oder wirtschaftliche Mittel.

Ein Beispiel: Bei „Hard Power“ hat man gewissermaßen die Pistole an der Schläfe und rückt sein Geld notgedrungen heraus. Im Normalfall löst das Angst aus und führt aber auch zu Widerstand. Wenn „Soft Power“ benutzt wird, werden etwa Bilder von Hilfebedürftigen gezeigt und fordert damit indirekt Solidarität ein – das Geld gibts dann „freiwillig“.

Beim mittlerweile viel strapazierten Wort „Solidarität“ findet man hier direkt Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit. Der Staat forderte Solidarität ein als Argument, sich impfen zu lassen; und viele, wahrscheinlich Millionen, ließen sich aus dieser vermeintlichen Solidarität impfen. Impfunwillige wurden hingegen als „unsolidarisch“ stigmatisiert.

Fast zeitgleich führte die drohende Einführung von Impfzwang mit entsprechender Gesetzesänderung („Hard Power“) zu Widerstand in der Bevölkerung. Die Demos dagegen wurden mit „Hard Power“, also Polizeigewalt aufgelöst.

„Wirksam regieren“ von und mit Angela Merkel

2015 schaltete die Bundesregierung unter Angela Merkel eine Stellenanzeige für ihr Programm „wirksam regieren“. Gesucht wurde nach drei Bewerbern, die „hervorragende psychologische, soziologische, anthropologische, verhaltensökonomische“ Kenntnisse haben sollten. Die „Welt“ hat die Annonce unter die Lupe genommen im Artikel „Merkel will die Deutschen durch Nudging erziehen“. Darin heißt es: „Mit Strategien aus der Verhaltensforschung will Kanzlerin Merkel die Deutschen zu Musterbürgern machen.“

Es bestehe die Gefahr, dass Nudging, eingesetzt von Regierungen, als Ersatz für wirkungsvolle politische Maßnahmen diene. Statt strukturelle Veränderungen vorzunehmen oder Gesetze zu erlassen, könnten Regierungen und Unternehmen dazu neigen, auf Nudging zurückzugreifen, so Kritiker.

„Es geht um einen völlig neuen politischen Ansatz. Man kann ohne Gesetze und Verordnungen seine Ziele erreichen“, schwärmte Verhaltensökonom Cass Sunstein. Sunstein hatte zusammen mit Richard Thaler, Nobelpreisträger in Ökonomie, den Begriff „Nudging“ erstmals in den 2000er-Jahren geprägt. Ihr Buch „Nudge: Improving Decisions About Health, Wealth, and Happiness“ aus dem Jahr 2008 popularisierte das Konzept und machte es zu einem wichtigen Thema in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Das Ideengut fand Einzug in die Politik von Barack Obama, der als Präsident genau wie der britische Premier David Cameron eine eigene Nudging-Einheit gründete. Bevor die Praktik unter Angela Merkel nach Deutschland importiert wurde. Voller Optimismus schrieb 2015 die „Welt“: „Der Staat nutzt dabei Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie, baut in Gesetze kleine Kniffe ein und bringt Bürger über kleine ‚Stupser‘ dazu, sich besser zu verhalten: Energie zu sparen, fürs Alter vorzusorgen oder sich gesünder zu ernähren.“

Weg in eine bessere Gesellschaft?

Die Bundesregierung führte etwa Programme ein, die darauf abzielen, gesündere Essgewohnheiten zu fördern. Wir Menschen würden vieles tun, was uns nicht guttut und was wir am nächsten Tag bereuen. So sieht wohl die harmlose Variante des Nudgings aus: Gesundes Essen nach vorn legen auf dem Kantinenbüfett, um so eine gesunde Ernährung zu fördern.

Das ist für Propagandaforscher Dr. Jonas Tögel „Schönrederei“, denn der Gedanke dahinter laute: Ich weiß, wie ich den Menschen beeinflussen kann. In einem „Multipolar-Artikel“ von 2023 zur „Psychologischen Steuerung der Corona-Krise“ beschreibt Tögel den rasanten Aufschwung der sogenannten „Soft Power“ in der Pandemie:

„Während Corona war dies zum Beispiel die Aussage, dass Lockdowns nun die ‚neue Normalität‘ (new normal) seien. Ein anderer Themenbereich ist die Impfbereitschaft: Um diese zu steigern, wurden kleine Vergünstigungen wie ein kostenloser Snack als Belohnung gewährt.“ Noch wirkungsvoller als die Gratis-Bratwurst zur Impfung, zu der sich immerhin Schlangen von 150 Menschen gebildet haben sollen, ist wohl die Tatsache, dass man sich durch den Piks Restaurantbesuche oder gar die Grundrechte „zurückkaufen“ konnte.

Zum Handwerkszeug von Verhaltensökonomen, die Dr. Jonas Tögel „Soft-Power-Experten“ nennt, gehört Angsterzeugung und die damit verbundene psychische Belastung der Menschen. Insofern seien die Begrifflichkeiten „Nudging“ oder „anschubsen“ Verharmlosungen. Es werde mit Angst gearbeitet, so Tögel, der als Beispiel das sogenannte Panikpapier anführt, welches 2020 aus dem Innenministerium geleakt wurde. Darin stand, dass „um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen“, den Deutschen Angst gemacht werden müsse, inklusive den Kindern.

Es werde eine Umgebung kreiert, so Tögel, die unsere Bedürfnisse unbewusst lenkt – und zwar oft mit Angst. Das Resultat: hohe Akzeptanz – zum Beispiel bei den Corona-Maßnahmen. Existenzielle Ängste wurden geschürt und Lösungsoptionen angeboten. Anstatt direkte Anordnungen zu geben, zielt das Nudging darauf ab, die Entscheidungsarchitektur so zu gestalten, dass gewünschte Verhaltensweisen wahrscheinlicher werden. Auf diese Weise wurde mit Nudging die Akzeptanz für später ausgeübte „Hard Power“ wie Impf- und Maskenzwang vorbereitet.

Einfach nur „das Richtige tun“

Nudging-Pionier und Nobelpreisträger Richard Thaler sprach 2018 in einem Interview über die Grenzen von Nudging zur Manipulation: „Meine Forschungspartner und ich haben das Konzept nicht erfunden. Manipulation ist intransparent. Nudges sind kein Geheimnis. Wird in einem Urinal eine Fliege positioniert, erhöht das die Treffsicherheit der Männer. Und jeder kann die Fliege sehen. Außerdem handelt jemand, der manipuliert, im eigenen Sinn und nicht im Sinne der Mitmenschen.“ Natürlich bestehe aber die Gefahr, räumt der Verhaltensökonom ein, dass Nudges missbraucht werden können. Die Idee sei vielmehr, so der ehemalige Berater von Barack Obama, Anstöße im Sinne der Allgemeinheit zu geben, um „den Bürgern Entscheidungen näherzubringen, die sie vermutlich treffen würden, wenn sie optimal informiert und durch und durch willensstark wären“.

Für ihn ist klar: „Wir versuchen, Menschen mit kleinen Anstößen dazu zu bringen, das Richtige zu tun. Nudges sind weder Verbote noch blinkende Werbebotschaften, sondern subtile Maßnahmen, um im besten Sinne für einen selbst zu handeln.“

Corona-Expertenrat: Nudging-Expertise statt Epidemiologen

Die Journalistin Aya Velázquez legt in ihrer aktuellen Reportage zum Thema „Corona Expertenrat“ dar, wie es im Winter 2021/22 in Deutschland zu den zahlreichen „Grundrechtseinschränkungen, antidemokratischen Entgleisungen wie 2G oder 3G, Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte, der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, den Masken- und Testpflichten für Kinder und den Demo- und Berufsverboten“ kommen konnte.

In den Expertenrat, der die Corona-Politik durch seine Beratungstätigkeit maßgeblich mitbestimmt hat, wurde kein einziger Epidemiologe berufen. Doch eine bekannte Forscherin im Bereich Nudging, Cornelia Betsch, erhielt einen Platz und eine Stimme. 2021 hatte die Leiterin des Instituts für planetares Gesundheitsverhalten (IPB) den deutschen Psychologiepreis für ihre Arbeit in der Gesundheitskommunikation erhalten.  Sie forscht unter anderem zu „sozialen Aspekten bei Gesundheitsentscheidungen, insbesondere im Kontext des Impfens und der Impfgegnerschaft“. Vor der Pandemie hat sie 2018 soziale Anreizmaßnahmen untersucht, die darauf abzielen, die Motivation des Einzelnen zu erhöhen und im Interesse der Gruppe zu handeln.

Betsch und auch der Expertenrat forcierten in ihren Expertenratempfehlungen, die Regierungslinie und deren Akzeptanz mit psychologischen Mitteln zu steigern.

Antidemokratisch durch Intransparenz?

Vor und über die Corona-Zeit hinaus wird Nudging auch von der Bundesregierung im Bereich der finanziellen Entscheidungsfindung eingesetzt. Dies ist zum Beispiel der Fall bei Initiativen, die darauf abzielen, die Altersvorsorge zu fördern, indem Sparpläne eingeführt werden, bei denen Bürger automatisch einen Teil ihres Einkommens für die Rente zurücklegen, es sei denn, sie entscheiden sich aktiv dagegen.

Ein anderes aktuelles Beispiel ist, so Manipulationsforscher Dr. Tögel, die sogenannte elektronische Patientenakte. Bei der man sich aktiv dagegen entscheiden muss. Das sei, so Tögel im Talk auf dem Portal von Bastian Barucker, ein bekanntes Matching-Prinzip: „Man weiß, dass man einen bestimmten Prozentsatz an Leuten damit bekommt, dass man sagt, wir entscheiden das, es sei denn, sie widersprechen‘“. Damit wäre sichergestellt, dass automatisch ein bestimmter hoher Prozentsatz mitmacht.

Bundesregierung weiß nichts von „Nudging“

Nach Auskunft der Bundesregierung hat diese laut einer Antwort auf eine kleine Anfrage der AfD-Fraktion von 2019 keine Nudging-Maßnahmen durchgeführt. Da der Begriff „Nudging“ in der Anfrage auf Maßnahmen bezogen werde, die Personen auf subtile Weise in ihrem Verhalten beeinflussen sollen, könne die Regierung das ausschließen.

Dennoch erwähnt die Antwort (19/13042) laufende Projekte wie „Mit Green Nudges klimafreundliches Verhalten im Unternehmen anstoßen“, das mit 840.000 Euro gefördert wird. Dies sei „eine Zuwendung für ein Klimaschutzprojekt, in dem verschiedene Unternehmen experimentieren, wie sich klimafreundliches Verhalten im beruflichen Alltag erleichtern lasse“. Auch beim Projekt „Nudging in der digitalen Stadt“ des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung handele es sich laut der Antwort nicht um einen Auftrag der Bundesregierung. Diese betont zudem in dem Schreiben, dass es keinen übergreifenden „Nudging-Ansatz“ gebe.

Keine Transparenz von Nudging-Maßnahmen

Eine weitere Kritik an der Anwendung von Nudging ergibt sich aus der Transparenz von Nudging-Maßnahmen. Oftmals geschehen diese im Verborgenen, ohne dass die Betroffenen vollständig über die zugrunde liegenden Mechanismen informiert werden. Dies führt zu einem Mangel an Kontrolle und Mitspracherecht für diejenigen, deren Verhalten beeinflusst wird.

„Wissen ist Macht“, so ein geflügeltes Wort, das auf den englischen Philosophen Francis Bacon zurückgeht, der in seinen Werken einen Grundstein der Philosophie im Zeitalter der Aufklärung legte. In den 1970er-Jahren wurde der Ausspruch zur Parole der Sponti-Bewegung umgedichtet in „Wissen ist Macht, nichts wissen macht nichts“. In der aktuellen Situation wird immer deutlicher, dass Nicht-Wissen oder Nicht-Wissen-Wollen schnell dazu führen können, dass man zum Spielball fremder Interessen wird.

Für den Publizisten Bastian Barucker ist klar, Nudging „zielt auf die Tiefenpsychologie und ist mittlerweile eine verbreitete Praxis der Beeinflussung, vor der man sich schützen sollte“.

Dazu zitiert Barucker den Propagandaforscher Dr. Jonas Tögel: „Die Tiefenpsychologie dient als Fundament der wohl wichtigsten Manipulationswaffe: die gezielte Beeinflussung des Unbewussten der menschlichen Psyche. Wie bei einem Eisberg liegt ein großer Teil unserer Gedanken und Gefühle ‚unter der Wasseroberfläche‘, und hier können wir so beeinflusst werden, dass wir die Steuerung selbst oft nicht bemerken.“

Sapere Aude! – „Wage es, weise zu sein!“

Angesichts solcher manipulativen Entwicklungen könnte laut Barucker ein notwendiger nächster Schritt darin bestehen, „nicht nur den Mut zu haben, den eigenen Verstand zu benutzen, sondern sich mit dem Fühlen und dem unter dem Denken liegenden Unbewussten zu beschäftigen“. Das wäre ganz im Sinne der Aufklärungszeit und des viel zitierten Leitspruchs von Immanuel Kant: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

Weisheit und vor allem Mündigkeit bedeuteten, die eigene Psyche zu kennen und verdrängte Aspekte zu integrieren. Diese persönliche Entwicklung schütze weitgehend davor, durch subtile Manipulation beeinflusst zu werden.

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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