Nahosthistoriker Romirowsky: UN-Organisation UNRWA von Hamas vereinnahmt

Die UNRWA, eine extra für palästinensische Flüchtlinge geschaffene Hilfsorganisation, vererbt den Flüchtlingsstatus von Generation zu Generation. Das verlängert die Krise und steht dem Frieden im Weg, sagt Asaf Romirowsky, Nahost-Historiker. Lesen Sie in einer Zusammenfassung des Interviews bisher wenig publizierte Fakten.
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Der Historiker Asaf Romirowsky (l.) und Jan Jekielek, Moderator von American Thought Leaders in Washington am 1. April 2024.Foto: Lei Chen/The Epoch Times
Von 20. Mai 2024

Der promovierte Nahost-Historiker Asaf Romirowsky ist politischer Kommentator sowie Geschäftsführer von Scholars for Peace in the Middle East (Akademiker für den Frieden im Mittleren Osten). Er veröffentlichte zahlreiche Publikationen zu verschiedenen Aspekten des arabisch-israelischen Konflikts, der amerikanischen Außenpolitik im Nahen Osten sowie der israelischen und zionistischen Geschichte. Auch ist Romirowsky Mitautor des Buches „Religion, Politics, and the Origins of Palestine Refugee Relief“ (Religion, Politik und die Ursprünge der Palästina-Flüchtlingshilfe)

Asaf Romirowsky war zu Gast bei American Thought Leaders. Im Interview mit Jan Jekielek führt er aus, warum die UNRWA eine besondere Stellung innerhalb der UN-Organisationen einnimmt, welche Gefahren dies birgt und wie dadurch eine dauerhafte Krisensituation provoziert wird. Hier eine Zusammenfassung des Interviews.

Jan Jekielek: Kürzlich wurden wir auf eine wenig bekannte, aber sehr gut finanzierte UN-Agentur aufmerksam, das UNRWA [Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten]. Bei Anhörungen auf dem Capitol Hill ging es neulich um eine Telegram-Gruppe von rund 3.000 palästinensischen Lehrern, die mit UNRWA in Verbindung standen. In der Gruppe gab es führende Personen, die dem Massaker vom 7. Oktober lobten. Bitte erklären Sie uns, was hier vor sich geht.

Asaf Romirowsky: Gerne. Das UNRWA ist der wichtigste Dienstleister für Bildung und medizinische Versorgung der Palästinenser. UNRWA steht für United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten). In den letzten 75 Jahren hat es sich zu einer Organisation entwickelt, die sich für das palästinensische Volk einsetzt.

UNRWA ist eine sehr wichtige Organisation für das palästinensische Volk. Es ist eine Fallstudie dafür, wie ein Kunde einen Dienstleister in seine Gewalt bringen kann. Da diese Organisation das Siegel der UN trägt, erweckt sie den Anschein von Neutralität und Integrität. Sie hat sich zu einer politischen Interessenvertretung entwickelt, die in erster Linie dem palästinensischen Volk dient, wenn es um Krankenhäuser, Bildung und soziale Dienste geht.

Bezüglich der von Ihnen erwähnten Lehrer ist das UNRWA der größte Arbeitgeber der Palästinenser. Viele von ihnen sind Lehrer, und die Mehrheit der palästinensischen Gesellschaft sind Absolventen des UNRWA-Schulsystems. Hunderte von ihnen waren an dem barbarischen Attentat vom 7. Oktober beteiligt.

Ich hatte kürzlich mit dem UN-Flüchtlingskommissariat zu tun, dem globalen UN-Gremium für Flüchtlinge. Das UNRWA war mir bis vor kurzem gar nicht bekannt, aber es scheint ausschließlich für Palästinenser da zu sein. Wie kam es dazu?

Das ist korrekt. Das UNRWA ist eine Ausnahme bei den Flüchtlingsorganisationen. Es gibt das UNRWA und die Schwesterorganisation UNHCR [Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen].

Es ist wichtig zu verstehen, dass sich das UNRWA ausschließlich um arabisch-palästinensische Flüchtlinge kümmert. UNHCR kümmert sich um andere Flüchtlinge weltweit. Arabisch-palästinensische Flüchtlinge haben somit ihre eigene UN-Hilfsorganisation und haben hart daran gearbeitet, diesen Status zu erhalten.

Asaf Romirowsky in der Sendung American Thought Leaders. Foto: Lei Chen/The Epoch Times

Das UNRWA-Mandat bezieht sich ausschließlich auf arabisch-palästinensische Flüchtlinge und definiert einen Flüchtling als jeden, der sich zwischen 1946 und 1948 in Palästina aufgehalten hat, und auch die Nachkommen.

Das UNHCR, das seit etwa 1950 besteht, sagt im Grunde, dass man nur eine Generation lang ein Flüchtling ist. Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es Millionen von Flüchtlingen, die das UNHCR aufnahm. Sie wurden alle nach einer Generation wieder eingegliedert, mit Ausnahme arabisch-palästinensischer Flüchtlinge, die durch das UNRWA aufgenommen wurden.

Die andere Besonderheit besteht darin, dass das UNRWA nach seiner eigenen Definition als eine zeitlich begrenzte Organisation geschaffen wurde, die aber kein Ende hat. Die gesamte Existenzberechtigung von UNRWA besteht in der Existenz arabisch-palästinensischer Flüchtlinge und in dem Glauben, dass es ein Recht auf Rückkehr in ein Land gibt, das nicht mehr existiert oder das nie existiert hat.

Das UNRWA hält arabisch-palästinensische Flüchtlinge im Grunde von Generation zu Generation in diesem Zustand, was Teil von Erbe und Abstammung ist, entsprechend den Büchern des UNRWA. Ende 1948 gab es durch den Krieg zwischen 625.000 und 700.000 Flüchtlinge. Bevor der Krieg begann, sagte Israel zu den Arabern: „Führt keinen Krieg gegen uns. Lasst uns am Frieden und an der Koexistenz arbeiten.“

Diejenigen arabischen Israelis, die geblieben und nicht geflohen sind, sind die Bürger. Diese arabisch-israelische Bevölkerung wird nach der Definition des UNRWA mitgezählt.

Jetzt herrscht Krieg, wird es dadurch noch mehr Flüchtlinge geben?

Nein. Die palästinensische Gesellschaft als Ganzes gilt laut UNRWA als Flüchtlingsbevölkerung. Sie sind Flüchtlinge, aber nach ihrer Definition nicht durch den aktuellen Krieg. Sie sind Flüchtlinge aus der Zeit vor 1948. Denn nach der Definition des UNRWA ist jeder ein Flüchtling, der sich zwischen 1946 und 1948 in Palästina aufgehalten hat, auch als Zeitarbeiter.

Im Laufe der Jahre gab es verschiedene Abstammungskomponenten: Die palästinensische Abstammung ist patriarchalisch. In den 60ern und 70ern wurde es matriarchalisch, um die Zahl zu verdoppeln. Der palästinensische Flüchtlingsstatus kann vererbt werden, das hat zu einem permanenten Anstieg geführt.

Seit dem 7. Oktober gehört die Hamas, die den Gazastreifen regiert, nach Angaben des UNRWA bereits zu den Flüchtlingen. Aber ihre Zahl nimmt nicht durch den Krieg mehr zu, als sie ohnehin zugenommen hat. Was passiert übermorgen, wohin gehen all diese Menschen?

Einer der Gründe, warum die Ägypter und die Jordanier ihre Grenzen nicht öffnen, ist, dass sie die Bedrohung durch die Muslimbruderschaft, also die Hamas, erkennen. Die Muslimbruderschaft regierte in Ägypten und wurde von dort vertrieben. Ägypten hat kein Interesse, Hamas-Mitglieder ins Land zu holen.

Allerdings ist Ägypten diesbezüglich nicht unschuldig, denn ein Großteil des Schmuggels all die Jahre erfolgte durch die Tunnel, die in den Sinai und nach Ägypten führen. Die Frage ist, wie es weitergeht. Die Palästinensische Autonomiebehörde ist schwach und korrupt. Abbas sitzt sein 20. Jahr einer vierjährigen Amtszeit ab. Die Palästinensische Autonomiebehörde ist auch keine Alternative zur Regierung der Hamas.

Viele Menschen sind der Annahme, dass Israel den Menschen ihr Land weggenommen hat. Das ist das Narrativ, das all die Probleme verursacht hat. Wie antworten Sie darauf?

Die Annahme, dass Israel das Land gestohlen oder die einheimische Bevölkerung vertrieben hat, ist nicht wahr. Bereits in den 1930er-Jahren war ein Staat im Entstehen. Historisch gesehen gab es schon immer eine jüdische Präsenz in dem Land.

Man kann sich die Vorschläge zur Aufteilung des Landes ansehen, die vor dem Unabhängigkeitskrieg von 1940 gemacht wurden. Auch davor, bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts hinein, war die jüdische Gemeinschaft jederzeit bereit, das Land aufzuteilen. Die Araber weigerten sich jedoch bis hin zur Teilung von 1947, bei der es eine klare ablehnende Ideologie gab, die besagte, dass es keine Koexistenz geben könne.

Der historische Tenor im arabisch-palästinensischen Narrativ besteht bis heute darin, dass diese Ablehnung immer dominierte bei jeder Gelegenheit für Gespräche über einen Friedensprozess, ob vor oder nach Staatsgründung. Das war der eigentliche Antrieb der arabisch-israelischen Kriege.

Das Argument war, dass jedes Land, das muslimisch war, auf ewig muslimisch ist. Wenn der heutige Staat Israel zurzeit der muslimischen Expansion muslimisches Land war, dann ist die arabisch-palästinensische Perspektive, dass Juden „muslimisches Land“ besetzen.

Das Narrativ der Besatzung war eine treibende Kraft für die palästinensische Gesellschaft und ist psychologisch bedingt. Wenn man sich näher mit der palästinensischen Identität beschäftigt, behaupte ich, dass mindestens 90 Prozent der arabisch-palästinensischen Identität im Antisemitismus verwurzelt ist.

Es gibt keine davon losgelöste Identität, die eine Koexistenz ermöglicht.

Es gab Debatten darüber, dass Hilfsgüter nicht zu den Palästinensern gelangen. Das UNRWA ist für Bildung, Gesundheit und die Hilfsgüter zuständig. Wie wirkt sich das aus?

Israel hat tonnenweise Lastwagen mit Hilfsgütern, die in den Gazastreifen gebracht werden. Wenn sie in Gaza ankommen, werden diese Hilfsgüter von der Hamas gestohlen und mit einem Preisaufschlag versehen. Die Palästinenser werden wie immer als Schachfiguren benutzt.

Das UNRWA selbst liefert die Hilfe nicht aus, sodass die Hilfsgüter nicht bei den Menschen ankommen, die sie brauchen. Die Schuldzuweisung lautet, dass Israel die Auslieferung der Hilfsgüter erschwert, was nicht der Fall ist. Das UNRWA und die Hamas selbst nutzen die Hilfsgütertransporter, um Dinge in den Gazastreifen hinein- und hinauszuschmuggeln.

Die Hamas möchte der Welt die Hungersnot vor Augen führen. Wenn die Hilfsgüter nicht bei der Bevölkerung ankommen, können sie dieses Bild in die Welt projizieren. Also stehlen sie die Hilfsgüter. Viele von ihnen sind UNRWA-Mitarbeiter und Teil dieses Prozesses.

Der Gazastreifen ist dicht besiedelt, und für die israelischen Verteidigungsstreitkräfte ist es eine Herausforderung, die Hamas und die Zivilbevölkerung zu unterscheiden. Bei dem jüngsten Angriff auf das Al-Shifa-Krankenhaus haben wir festgestellt, dass sich Hunderte Terroristen und Hamas-Führer dort aufhalten.

Palästinensische Führer sagen zur UNO: „Wir wollen, dass ihr einen Staat in dieses Gebiet setzt“, ohne sich die Mühe zu machen, ein Gespräch darüberzuführen, mit wem man Frieden schließen will. Sie wollen einen Staat anstelle des Staates Israel. Dadurch läuft jedes Gespräch ins Leere.

Die Palästinensische Autonomiebehörde muss reformiert werden. Terroristische Kriege, terroristische und islamistische Organisationen wie die Hamas haben am Verhandlungstisch keinen Platz. Vor allem müssen wir das Recht auf Rückkehr und das UNRWA abschaffen. Das ist ein absolutes No-Go.

Wenn das UNRWA bleibt, werden es in 15 Jahren nicht sechs oder sieben Millionen Flüchtlinge sein, sondern 20 Millionen. Wenn diese Menschen Bürger eines palästinensischen Staates sein wollen, gut. Aber sie können keine Flüchtlinge sein, denn das kostet den US-amerikanischen Steuerzahlern Geld. Das bringt den Friedensprozess kein Stück voran, und deshalb steht UNRWA dem Frieden im Weg.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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