Mythen der Elektromobilität: Sinnvoller Klimaschutz oder teure Industriesubvention?
Vorweg zunächst einmal die Klarstellung, dass ich kein genereller Gegner der Elektromobilität an sich bin. In einer klimaneutralen Gesellschaft wird die Elektromobilität zweifelsohne einen wichtigen Beitrag zur individuellen Mobilität leisten. Allein das spektakuläre Beschleunigungsverhalten, das niedrige Fahrgeräusch und der geringere Wartungsaufwand mag Grund genug sein, dass sich diese Technik weltweit mehr und mehr durchsetzt. Im Rahmen von Angebot und Nachfrage ist dabei davon auszugehen, dass sich die Elektromobilität zum optimalen Zeitpunkt und im optimalen Ausmaß verbreitet – auch ohne staatliche Förderung.
Ich bin jedoch gegen eine ideologisch oder industriepolitisch bedingte Subventionierung, ohne das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu berücksichtigen. Autos sind abgesehen vom Flugzeug das energetisch ineffizienteste Fortbewegungsmittel – von den damit verursachten Verkehrstoten ganz zu schweigen. Es hat jedoch gegenüber anderen Verkehrsmitteln unschlagbare Vorteile und ich gönne es jedem, der es sich leisten kann.
Grünes Gewissen … mitbezahlt von Fußgängern
Aber warum sollte die Allgemeinheit, also auch Menschen, die Nachteile in Kauf nehmen, um wenig oder gar kein Auto zu fahren, dafür Steuern zahlen, damit Menschen günstiger (E-)Auto fahren können? Ersticken die Ballungsräume denn nicht aufgrund von immer mehr Autos, die immer mehr Kilometer fahren? Wie logisch ist es, im Rahmen der allseits geforderten Mobilitätswende einerseits die Alternativen zum Auto zu fördern und andererseits das Auto ebenfalls zu subventionieren?
Der große Hype um die Elektromobilität ist vielleicht dadurch zu erklären, dass sich die Autoindustrie massive staatliche Subventionen sichern möchte und den Menschen deshalb das Gefühl vermittelt, endlich mit gutem (Klima-)Gewissen Auto fahren zu können. Die Elektromobilität zu fördern, ist für die Politik weitaus attraktiver, als Maßnahmen umzusetzen, die darauf hinzielen, die PKW-Mobilität an sich zu reduzieren und dadurch gegebenenfalls den Unmut der Bevölkerung zu schüren.
Der Grund für die milliardenschweren Subventionen liegt aber vielleicht auch an einigen Mythen der Elektromobilität:
Mythos 1: Die aktuelle staatliche Förderung der Elektromobilität ist sinnvoller Klimaschutz
Inwieweit Elektroautos trotz der hohen Subventionen momentan und in den nächsten Jahren überhaupt Emissionen einsparen, ist in der Wissenschaft nicht so eindeutig belegt, wie der Eindruck erweckt wird. Die in vielen Studien errechnete Emissionsreduktion beruht auf der Annahme, dass der Ladestrom den aktuellen Ökostromanteil von etwa 40 Prozent enthält und dieser in den kommenden Jahren weiter stark zunimmt.
Da wir in Zukunft immer mehr E-Autos laden müssen, wird sich der Strombedarf deutlich erhöhen. Da es zudem sehr komplex ist, zu bestimmen, welche (fossilen) Kraftwerke den Mehrbedarf abdecken, wird zur besseren Vergleichbarkeit von Ökobilanz-Studien meistens der allgemeine Strommix für den Ladestrom angesetzt. Tatsächlich wird der zusätzliche Ladestrom jedoch noch mindestens ein bis zwei Jahrzehnte lang ausschließlich aus fossilen Kraftwerken kommen.
Aber selbst wenn der Ladestrom zu keinerlei Mehremissionen bei den fossilen Kraftwerken führen würde, ist die erzielbare Emissionsreduktion im Vergleich zu den dafür aufgewendeten finanziellen Mitteln denkbar gering. Ein Verbrenner stößt während seiner Lebensdauer etwa 20 Tonnen CO₂ aus. Diese Menge zu verringern, ist dem Staat aktuell mehr als 15.000 Euro wert. Dieser hohe Betrag entsteht im Wesentlichen durch den „Umweltbonus“ von 6.000 Euro sowie durch Wegfall beziehungsweise Befreiung von der Kraftstoff- und Kfz-Steuer. Fahren E-Autos als Firmenwagen, kommen weitere steuerliche Vorteile hinzu.
Eine Tonne CO₂ einzusparen kostet im Stromsektor aktuell jedoch nur etwa 80 Euro. Dies bedeutet: Mit denselben finanziellen Mitteln, die für die Subvention der Elektromobilität aufgewendet werden, könnten mit anderen Maßnahmen die zehnfache Menge an Emissionen reduziert werden, selbst wenn Elektroautos keinerlei Emissionen verursachen würden.
Da Elektroautos oft als Zweitwagen für Kurzstrecken gekauft werden, ist der Effekt auf die Gesamtemissionen zudem geringer, als die Zahl der Zulassungen vermuten lässt. Hinzu kommt der Rebound-Effekt: Aufgrund kostengünstiger Lademöglichkeiten, niedrigen Betriebskosten und dem klimafreundlichen Image werden Strecken, die vorher zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV zurückgelegt werden, vermehrt mit dem E-Auto zurückgelegt.
Mythos 2: Der Ausbau der Elektromobilität bringt mehr als ein Tempolimit auf Autobahnen
Gegner eines allgemeinen Tempolimits argumentieren häufig, dass die geringe Einsparung eine so „drastische“ Maßnahme nicht rechtfertigen würde. Dann dürfte man die Elektromobilität allerdings auch nicht fördern, denn Millionen mit Steuergeldern geförderte Elektroautos reduzieren die Emissionen – im gesamten Fahrzeugbestand – kaum mehr als ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen von 100 Kilometer pro Stunde.
Offenbar hat die Politik jedoch kein Problem damit, mit Elektroautos länger unterwegs zu sein, da aufgrund der Reichweitenproblematik ein hohes Dauertempo kaum möglich ist und sich die Pausen durch Ladezeiten verlängern. Längere Fahrzeiten im Verbrenner aufgrund eines Tempolimits scheinen indes auch für die neue Bundesregierung nicht akzeptabel.
Mythos 3: Elektroautos sind besonders klimafreundlich, wenn sie selbst erzeugten Solarstrom laden
Manche erkennen zwar die Problematik mit dem fossilen Ladestrom, behaupten aber, dass zumindest, wenn man das Elektroauto mit dem Strom der eigenen Photovoltaik-Anlage lädt, ein hoher Emissionsvorteil gegenüber dem Verbrenner entsteht. Aber was würde denn passieren, wenn man das Elektroauto dann wieder durch einen Verbrenner ersetzen würde?
Der Verbrenner würde natürlich bei der Verbrennung von Benzin/Diesel zusätzliches CO₂ erzeugen. Aber gleichzeitig würde der vormals als Ladestrom genutzte Photovoltaik-Strom ins öffentliche Netz eingespeist und würde dort fossil erzeugten Strom ersetzen und damit Emissionen verringern.
Mythos 4: Man muss Elektroautos jetzt massiv fördern, um die Klimaneutralität in 2045 zu erreichen
Manchmal wird argumentiert, dass Elektroautos momentan wegen des hohen fossilen Anteils der Stromerzeugung noch wenig bringen, aber trotzdem jetzt schon möglichst häufig verkauft werden sollten, da sie in einem klimaneutralen Energiesystem eine zentrale Rolle bei der individuellen Mobilität spielen.
Die typische Auto-Lebensdauer liegt jedoch nur bei 10 bis 15 Jahren. Die allermeisten jetzt neu zugelassenen Elektroautos sind 2045, wenn die Stromerzeugung hoffentlich vollständig dekarbonisiert ist, bereits verschrottet. Vor 2030 neu zugelassene E-Autos helfen also nicht zur Erreichung des Klimaziels 2045.
Mythos 5: Elektroautos sind zumindest lokal emissionsfrei
Eines der größten Emissionsprobleme in den Städten ist die verkehrsbedingte Feinstaubbelastung. Etwa 90 Prozent der Feinstaubemission entsteht gar nicht in den Verbrennungsmotoren, sondern beim Abrieb von Bremsen, Reifen und dem Straßenbelag.
Durch das höhere Gewicht und das höhere Drehmoment bei Elektrofahrzeugen ist diese Feinstaubemission bei Elektroautos je nach Fahrzeugklasse sogar höher als bei Verbrennungsfahrzeugen. Eine wirksame Reduktion der Feinstaubbelastung kann also nur durch eine Reduktion des Autoverkehrs insgesamt erfolgen, jedoch nicht durch den bloßen Wechsel der Antriebsart.
Mythos 6: Die staatliche E-Mobilitätsförderung ist sozial gerecht
Die staatliche Förderung der Elektromobilität wird oft dadurch begründet, dass sich dadurch auch ärmere Haushalte ein Elektroauto leisten können. Tatsächlich profitieren aber vor allem diejenigen, die bereits so wohlhabend sind, dass sie sich überhaupt einen Neuwagen leisten können. Aufgrund der geringen Reichweite werden Elektroautos sehr häufig als Zweitauto gekauft, was sich ebenfalls nur die wohlhabenderen Haushalte leisten können. Von der geringeren Dienstwagensteuer profitieren ebenfalls vor allem besser bezahlte Angestellte.
Der Wegfall jeglicher Subventionen des Autoverkehrs bei gleichzeitiger steigender Bepreisung von CO₂ kann natürlich dazu führen, dass der Umfang der Pkw-Mobilität zukünftig stärker von den finanziellen Möglichkeiten abhängt. Wenn sich der Staat dann tatsächlich um die Mobilität ärmerer Haushalte sorgt, sollte er lieber für bessere und günstigere Mobilitätsalternativen zum Auto und eine stärkere finanzielle Umverteilung von reich zu arm sorgen, als die jetzige wenig zielgerichtete Förderpolitik fortzuführen.
Mythos 7: Durch die Kaufprämie wird der Kaufpreis von Elektroautos um 9.000 Euro gesenkt
Aufgrund von EU-Richtlinien, sogenannten Flottengrenzwerten, sind die Autohersteller gezwungen, bestimmte Verbrauchs- und Emissionswerte einzuhalten. Dies gelingt meist durch den Verkauf einer bestimmten Menge (sauberer) Elektroautos, um die Emissionen der Verbrenner auszugleichen.
Um ohne die Kaufprämie die erforderliche Menge verkaufen zu können, müssten die Hersteller die Listenpreise stark absenken und/oder ähnlich hohe Rabatte anbieten. Die Kaufprämie erhöht damit in erster Linie den Gewinn der Hersteller, senkt aber nicht wesentlich den Kaufpreis.
Mythos 8: Elektroautos haben deutlich geringere Betriebskosten als Verbrenner
Die Stromkosten pro gefahrenen Kilometer sind in der Tat etwas geringer als die Spritkosten. Dies liegt aber vor allem daran, dass in den Spritkosten mit der Energiesteuer ein Beitrag zur Finanzierung der Straßeninfrastruktur enthalten ist, welcher beim Ladestrom (noch) nicht erhoben wird.
Die Möglichkeit, die Betriebskosten durch Nutzung selbst erzeugten Photovoltaik-Stroms zusätzlich zu senken, haben wiederum nur wenige privilegierte Haushalte und ist auch aus anderen, bereits früher genannten Gründen kritisch zu sehen.
Mythos 9: Elektroautos sind wirtschaftlicher als Verbrenner, die mit klimaneutralem Treibstoff fahren
Der Betrieb der bestehenden Verbrennerfahrzeuge mit klimaneutralem Treibstoff („E-Fuel“) stellt für die Nutzer die bequemste Möglichkeit dar, Emissionen zu sparen, da man sein bestehendes Auto einfach weiter nutzen kann und damit weiterhin von langen Reichweiten und kurzen Tankvorgängen profitieren kann.
Was dagegen spricht, ist der extrem hohe Preis dieser Treibstoffe. Die Herstellungskosten liegen aktuell bei mehr als vier Euro pro Liter und werden auch 2030 laut ADAC noch im Bereich von zwei Euro je Liter liegen.
Bei geringen Jahresfahrleistungen kann es jedoch trotzdem wirtschaftlicher sein, einen (gebrauchten) Verbrenner mit klimaneutralem Treibstoff zu fahren, als ein teures neues Elektroauto zu kaufen. Die technologiespezifische E-Auto-Förderung führt jedoch zu einer Marktverzerrung, die solche Alternativen im Vergleich zu Elektroautos künstlich unattraktiver macht.
Über den Autor:
Andreas Luczak ist seit 2016 Professor für Regenerative Energien an der Fachhochschule Kiel. Zuvor war er mehr als 15 Jahre bei Siemens tätig und führte als Geschäftsführer des europäischen Ablegers eines chinesisch-amerikanischen Unternehmens deren Redox-Flow-Speichertechnik in Europa ein. Sein unlängst erschienenes Buch trägt den Titel „Deutschlands Energiewende – Fakten, Mythen und Irrsinn“.
Dieser Artikel erschien im Original auf pv-magazine.de unter dem Titel: „Mythen der Elektromobilität: Sinnvoller Klimaschutz oder teure Industriesubvention?“ (redaktionelle Bearbeitung ts)
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