Fritz Vahrenholt: Die Energiewende gerät aus den Fugen
Die Abweichungen der globalen Mitteltemperaturen vom 30-jährigen Durchschnitt der satellitengestützten Messungen der University of Alabama (UAH) sind im August 2024 gegenüber dem Vormonat etwa gleichgeblieben. Der Wert beträgt nunmehr 0,88 Grad Celsius, leicht über den +0,85 °C aus dem Juli. Der sich daraus ergebende langfristige Temperaturanstieg seit 1979 liegt bei 0,15 Grad Celsius pro Jahrzehnt. Das entspricht einer Erwärmung pro Jahrhundert um 1,5 Grad Celsius.
600 Milliarden Euro für die Energiewende
„Die Energiewende ist gescheitert – Wie verhindern wir die Deindustrialisierung“, so lautete der Titel meines Vortrags auf dem Bürgergipfel Anfang September in Stuttgart. Die folgende Grafik aus diesem Vortrag zeigt den Kern der Energiewende: Man tauscht eine stabile, preisgünstige CO₂-freie Stromerzeugung auf der Basis von Kernenergie durch eine instabile, teurere CO₂-freie Stromerzeugung auf Basis von Wind- und Solarenergie. Hinsichtlich der CO₂-Emissionen hat sich nichts geändert.
In einer Publikation von Jan Emblemsvåg von der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie in Trondheim in der angesehenen Fachzeitschrift „International Journal of Sustainable Energy“ kommt dieser zum Ergebnis: Wäre Deutschland 2002 bei der Kernenergie geblieben, hätte es 600 Milliarden Euro gespart und hätte ähnlich viel CO₂-freien Strom produziert wie mit all seinen erneuerbaren Energien. Seine Analyse führt sodann zu dem Schluss:
Hätte Deutschland ab 2002 die Hälfte davon zusätzlich in die Kernkraft investiert, wären die Treibhausgas-Emissionen um rund 73 Prozent stärker reduziert worden als mit der Energiewende – und hätte 300 Milliarden Euro gespart.“
Habeck: Notfalls „ein anderes Geschäftsmodell“
Deutschland ist also durch die Energiewende bislang um 600 Milliarden Euro ärmer geworden, ohne dass diese Wende einen Nutzen gehabt hat. Der norwegische Energieexperte bestätigt insoweit die Bewertung des Bundesrechnungshofes: „Die Bundesregierung investiert Milliarden in den Klimaschutz, weiß aber nicht, wie erfolgreich ihre Investitionen sind und ob sie sich lohnen.“
Aber es wird noch schlimmer, wenn diese Politik nicht spätestens 2025 gestoppt wird. Das Beratungsunternehmen EY und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft beziffert die von 2023 bis 2035 zu tätigenden Investitionen mit schwindelerregenden 1.214 Milliarden Euro.
Der Bundeswirtschaftsminister bewertet die Energiewende dagegen so: „Deutschland muss bei der Energiewende ins Risiko gehen.“ Und weiter: Falls es nicht gut geht, müsse man „ein anderes Geschäftsmodell auflegen“.
Das wird dann allerdings nicht das Geschäftsmodell eines Industrielandes sein.
Die Kostenspirale der Wind- und Solarenergie dreht sich immer schneller
Der August 2024 zeigt einmal mehr die Widersprüchlichkeit des ungesteuerten weiteren Aus- und Zubaus: In den Mittagsstunden des Augusts reichen Solar- und Windenergie aus, um den Bedarf an Strom zu decken. Daneben laufen aber auch noch die Wasserkraftwerke und auch immer konventionelle Kraftwerke, die aus Netzstabilisierungsgründen am Netz sein müssen. In der Folge übersteigt die Stromerzeugung mittags häufig den Strombedarf – wenn nicht Anlagen abgestellt und trotzdem bezahlt würden oder der Strom ins Ausland verschenkt würde.
Die Börsenpreise sinken zu diesen Zeiten gen Null oder darunter. Dennoch erhalten die Solar- und Windkraftbetreiber eine verbindlich zugesicherte Einspeisevergütung. Diese liegt bei Wind zurzeit bei 7,35 Cent pro Kilowattstunde, für Solardächer bei etwa acht bis zwölf Cent. Die Differenz zum Börsenpreis wird aus dem Bundeshaushalt entnommen.
Im August belief sich die Summe dieser täglichen Zuzahlungen auf 1.640.069.048,60 Euro. 1,6 Milliarden Euro. Hochgerechnet auf das Jahr ergeben sich etwa 20 Milliarden Euro, zehn Milliarden Euro mehr als ursprünglich geplant.
Diese Grafik zeigt aber auch, wie wenig sinnvoll der Versuch ist, durch Veränderung der Netzgebühr die Güterproduktion in Deutschland in die Zeiten zu verlagern, wenn die Sonne scheint und der Wind weht. Diese Veränderung der Netzgebühren wird die kontinuierliche Güterproduktion in Deutschland benachteiligen und aus dem Land treiben.
Der eigentliche Skandal aber ist, dass diese Veränderung der Netzgebühren mit diesen weitreichenden Folgen nicht durch den Deutschen Bundestag diskutiert und entschieden wird. Diese intransparente Politik wurde schon einmal bei der Veränderung der Gasnetzgebühren praktiziert, die ab Januar 2025 erhöht werden können.
Bürger sollen Zerstörung der Gasnetze bezahlen – ab 1. Januar 2025
Konkret hat die Bundesnetzagentur unter der Führung des Grünen Klaus Müller beschlossen, dass die Gasnetzbetreiber ab 1. Januar 2025 die Gasnetzgebühren erhöhen können, und zwar um satte 20 bis 40 Prozent. Die Begründung?
Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass durch das Klimaschutzgesetz ab 2045 in Deutschland kein CO₂ mehr ausgestoßen werden darf; somit dürfen ab 2045 auch keine Gasheizungen mehr betrieben werden, sodass bis 2045 die Gasnetze in Deutschland stillzulegen sind. Weil es bis dahin aber nur noch zwanzig Jahren sind, werden viele Gasleitungen ihre betriebswirtschaftliche Lebensdauer von 50 Jahren nicht erreichen.
Das führt dazu, dass neue Gasleitungen im Jahre 2045 noch nicht voll abgeschrieben sind. Damit den Gasnetzbetreibern daraus keine Nachteile entstehen, erlaubt die Bundesnetzagentur eine erhöhte Abschreibung bis 12 Prozent und eine Verkürzung der Restabschreibungszeit auf 20 Jahre und weniger. Das führt zu einer Erhöhung der Abschreibungskosten, sodass selbst die Bundesnetzagentur von einer Erhöhung der Gasnetzgebühren von 20 Prozent ausgeht. Experten rechnen mit bis zu 40 Prozent.
Weder das Parlament noch die Bürger wurden gefragt, ob sie wirklich wollen, dass im Jahre 2045 alle Gasnetze in Deutschland stillgelegt oder herausgerissen worden sind. Das deutsche Gasnetz umfasst rund 40.000 Kilometer Fernleitungen sowie über 550.000 Kilometer Gasleitungen in Städten, Gemeinden und Landkreisen mit einem Wert von über 270 Milliarden Euro.
Städte, die schon bis 2035 aus Öl, Gas und Kohle aussteigen wollen, können die Bürger verstärkt bis 2035 mit einer noch höheren Gasnetzgebühr zur Kasse bitten. Das sind die Städte Augsburg, Stuttgart, Bonn, Oldenburg, Krefeld, München, Frankfurt, Dortmund, Dresden. Auch die Bürger von Mannheim, Münster und Aachen, die schon in fünf Jahren aussteigen wollen, kommen in den „Genuss“ der besonders starken Gebührenanhebung. Ab 15. Oktober 2024 dürfen die Gasnetzbetreiber ihre Anhebungen für 2025 bekannt geben.
Energiewende, Gasnetze, Wärmepumpe
Vor drei Jahren kündigte Staatssekretär Graichen die Stilllegung der Gasleitungen an. Kaum jemand nahm diese Aussage ernst. In der Regierungszeit von SPD, Grünen und FDP ist die Idee umgesetzt worden. Dennoch stiegen noch in den vergangenen zehn Jahren die Investitionen für Gasleitungen insbesondere in den neuen Bundesländern von etwa einer auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Auch diese funkelnagelneuen Leitungen sollen in 20 Jahren verschrottet werden.
Die Gasnetzentgelte betrugen 2023 durchschnittlich 1,89 Cent pro Kilowattstunde. Bei einer 20-prozentigen Erhöhung kommen auf Haushalte und Gewerbe Kosten von zusätzlich 1,8 Milliarden Euro pro Jahr hinzu. Bei durchschnittlich 15.000 kWh Jahresverbrauch kostete dies jeden Haushalt derzeit 283,5 Euro und zukünftig über 340 Euro.
Die Erhöhung ließe sich auch unter ein anderes Motto fassen: Wie verderben wir den Bürgern ihren Spaß an der eigenen Gasheizung? Ein Weg ist, die Gasnutzung teurer zu machen. Ob dies geschieht, um die Akzeptanz der Wärmepumpe zu erhöhen, bleibt Spekulation.
Apropos Wärmepumpe. Viel bedeutsamer ist die Berücksichtigung der Kosten, die zum Ersatz des Gasnetzes durch einen Ausbau des Stromnetzes und der Endanwendungsgeräte entstehen. Diese Summe beläuft sich 268 Milliarden Euro, wie die VNG aus Leipzig, einer der größten Gashändler Deutschlands, in der Studie „Der Wert der Gasinfrastruktur für die Energiewende“ berechnet hat.
Rückbesinnung auf Klimaziele von Paris
Um den aktuellen Irrweg zu verlassen, müsste die Bundesregierung als Erstes das CO₂-Verminderungsziel für 2045 in Übereinstimmung mit dem Pariser Klimaabkommen neu definieren. In Artikel 4 des Pariser Abkommens heißt es:
Die Vertragsparteien sind bestrebt, […] in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken […] herzustellen.“
Erstens bedeutet „zweite Hälfte“ nicht 2045. Zweitens werden mittlerweile weltweit mehr als die Hälfte der jährlichen CO₂-Emissionen von Pflanzen und Ozeanen – „Senken“ im Pariser Abkommen – aufgenommen.
Netto-Null heißt also Halbierung der Emissionen. Damit werden viele der übergriffigen Verbote wie Heizungsverbot, Verbrennerverbot, Kraftwerksverbot obsolet.
Über den Autor:
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt ist promovierter Chemiker, SPD-Politiker, Manager, Wissenschaftler und Buchautor. Seit 1976 arbeitete er unter anderem im Umweltbundesamt, als Staatsrat bei der Umweltbehörde und als Umweltsenator in Hamburg. Er war Vorstand für erneuerbare Energien der Deutschen Shell AG sowie Gründer und Vorstand des Windenergie-Anlagenbauers REpower Systems.
Seit 1999 ist er Honorarprofessor im Fachbereich Chemie der Universität Hamburg. Sein Bestseller „Seveso ist überall“ (1978) war eines der wirkmächtigsten Bücher in den Anfangsjahren der Umweltbewegung. 2020 erschien sein Bestseller „Unerwünschte Wahrheiten“ und 2021 folgte „Unanfechtbar – Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutz im Faktencheck“. www.vahrenholt.net
Dieser Artikel erschien im Original auf klimanachrichten.de/ unter dem Titel „Fritz Vahrenholt: Die Energiewende gerät aus den Fugen“. (redaktionelle Bearbeitung ts/Epoch Times)
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