Fritz Vahrenholt: Sondierungspapier von Union und SPD verspricht „Weiter so“ bei Energiepolitik

In einem Gastkommentar spricht der ehemalige Hamburger Umweltsenator Prof. Fritz Vahrenholt über die Ergebnisse der Sondierungsvereinbarung zur Klima- und Energiepolitik zwischen CDU und SPD.
Werden auch in Zukunft bei Wolken und Windstille keinen Strom liefern: Union und SPD setzten in ihrem Sondierungspapier auf ein „Weiter so“ bei der Energiepolitik.
Werden auch in Zukunft bei Wolken und Windstille keinen Strom liefern: Union und SPD setzten in ihrem Sondierungspapier auf ein „Weiter so“ bei der Energiepolitik.Foto: BeritK/iStock
Von 15. März 2025

Die globalen Mitteltemperaturen sind im Februar 2025 gegenüber dem Vormonat in etwa gleich geblieben. Die Abweichung vom langjährigen Mittel der Satellitenmessungen beträgt 0,5 Grad Celsius und liegt somit minimal über dem Januar-Wert (+0,45 Grad Celsius). Seit September 2024 (+0,96 Grad Celsius) haben sich die Abweichungen damit schrittweise halbiert. Der langfristige Erwärmungstrend liegt weiterhin bei 0,15 Grad Celsius pro Jahrzehnt. Das entspräche 1,5 Grad in 100 Jahren.

Es ist zu erwarten, dass die Temperaturen im Verlaufe des Jahres weiter zurückgehen, obwohl die kalte La-Nina-Phase im Pazifischen Ozean vor dem Ende steht und sich dort neutrale Temperaturen einstellen.

Die Temperaturen im Februar 2025 überstiegen das langfristige Mittel um +0,5 Grad Celsius. Der langfristige Trend liegt weiter bei +0,15 Grad Celsius pro Jahrzehnt. Foto: Dr. Roy SpencerUniversity of Alabama, Huntsville

Fast alles von dem, was wir vorschlagen, ist auch von den Grünen in der letzten Wahlperiode schon einmal vorgetragen worden.“

Dieser Satz von Kanzlerkandidat Friedrich Merz ist die passende Zusammenfassung des folgenschweren „Weiter so“ in der Energiepolitik durch Schwarz-rot. Die größten Fehler diese Politik habe ich in meinem letzten Newsletter erörtert.

Die schweren Fehler des Kernenergieausstiegs durch die Regierungen Merkel und der Ampel, die ausufernde CO₂-Bepreisung von Energie in Deutschland, die vorzeitige Stilllegung von Kohlekraftwerken, der 500 Milliarden Euro teure Ausbau der erneuerbaren Energien und der ebenso großen Kosten des Netzausbaus haben zu einer dramatischen Strompreiserhöhung geführt. Deutschland hat den höchsten Strompreis aller Industrienationen und die energieintensive Industrie schrumpft demzufolge und verlässt Deutschland.

Schwarz-rot setzt die teure Energiewende fort

Diese fatale Politik des Ersatzes von grundlastfähigem Strom aus Kern- und Kohlekraftwerken durch teurere und unzuverlässige erneuerbare Energien soll durch Schwarz-rot fortgeführt werden. So fordert das Sondierungspapier „den entschlossenen und netzdienlichen Ausbau von Sonnen- und Windenergie“. Dass Solar- und Windenergie jedes Jahr 20 Milliarden an Subventionen benötigen, ist kein Thema. Ebenso wenig Thema ist, dass Sonnen- und Windenergie noch nie netzdienlich waren.

An Sommertagen führt die ungebremste Einspeisung von Solarstrom (Hellbrise) zu Frequenzproblemen im Netz, sodass demnächst ganze Regionen abgeschaltet werden müssen, um einen „Brownout“ zu vermeiden. Im Winter führen fehlender Solarstrom bei Windstille zu einer Dunkelflaute, die die Preise explodieren lässt und sogar unsere Nachbarn mitreißt und in Schwierigkeiten bringt.

Um solche Zeiten zu überbrücken, soll ein zweites Kraftwerksinventar von 20.000 Megawatt Gaskraftwerken gebaut werden. Erdgasnutzung soll aber nach dem Willen der Koalitionäre 2045 beendet sein – „Wir stehen zu den europäischen Klimazielen“. Langfristige Gasverträge sind für Gaskraftwerke, die vielleicht ab 2030 ans Netz gehen, gar nicht mehr möglich.

Hier bahnt sich eine jährliche Milliardensubvention an, denn LNG-Gas ist zwei-dreimal so teuer wie Pipeline-Gas. Eine eigene Gasförderung – Deutschland hat für die nächsten 30 Jahre genügend eigenes Schiefergas – wird gar nicht erst erwähnt. Schiefergasförderung in Deutschland bleibt verboten. Wie sagte Boris Pistorius so zutreffend: „Wir haben sie [Anm. d. A.: die CDU/CSU] nicht eine Sekunde in unseren Vorgarten gelassen.“

Milliardensubvention statt grundlastfähiger Stromerzeugung

Der Erosion der deutschen energieintensiven Industrie will man indes nicht durch Ausbau grundlastfähiger Kraftwerke begegnen, sondern indem der Strompreis heruntersubventioniert werden soll. Um 5 Cent pro Kilowattstunde soll der Strom aus Steuergeldern bezuschusst werden. Bei 450 Terawattstunden im Jahr sind das rund 20 Milliarden Euro. Sie teilen sich auf in die Senkung der Stromsteuer in Höhe von etwa 7 Milliarden Euro und der Halbierung der Netzentgelte etwa 12,5 Milliarden Euro.

Für die energieintensive Industrie hat das keine große Bedeutung, denn sie ist hinsichtlich der Stromsteuer und der Netzentgelte bislang zum erheblichen Teil befreit. Allerdings ist dies für das verarbeitende Gewerbe überlebensnotwendig. – Und wir kennen nun das Preisschild der falschen Energiepolitik: Die Entlastung von den energiewendebedingten Kosten wird in den nächsten vier Jahren 80 Milliarden kosten – vermutlich finanziert aus neuen Sonderschulden.

Dass man innerhalb von zwei bis fünf Jahren sechs bis neun Kernkraftwerke zurückholen könnte, wird im Sondierungspapier mit keinem Satz angesprochen. Im Wahlkampf wurde den Bürgern seitens der CDU Sand in die Augen gestreut, dass man die Rückholung der Kernkraftwerke prüfen wolle. Selbst eine Prüfung wird nicht mehr erwähnt. Fakt ist jedoch, mit der 20-Milliarden-Euro-Subvention für Wind- und Solarenergie eines einzigen Jahres könnte man die Revitalisierung von sechs zuverlässigen, preiswerten Kernkraftwerken erreichen.

Forschung an allen Ecken und Enden?

Zwar haben CDU und SPD vereinbart, dass die bislang in Deutschland verbotene CO₂-Abscheidung (CCS) bei bestimmten Industrien wie Zementwerken angewandt werden kann. Das hatten aber schon Rot-Grün am Schluss der Ampel auf den Weg gebracht. Die CDU feiert das als Erfolg. Aber die entscheidende Frage, ob auch Kohle- und Gaskraftwerke – anstatt der unbezahlbaren Wasserstoffkraftwerke – mit CCS ausgestattet werden, findet sich nicht im Sondierungspapier.

Auch die Vereinbarung zur Förderung der Fusionsenergie – „Wir wollen die Fusionsforschung stärker fördern“ – sieht die CDU auf ihrer mageren Haben-Seite. In Wirklichkeit ist es aber ein sozialdemokratisches Anliegen, die Fusionsforschung, insbesondere die Fusionsanlage Wendelstein 7-X in Greifswald zu fördern: Seit Gerd Schröder fördert der Bund die Fusionsforschung mit 150 Millionen Euro pro Jahr.

Die Grünen haben immer wieder versucht, im Haushaltsausschuss die Fusionsforschung abzuschaffen. In der letzten Ampelregierung wurde die Fusionsforschung auf Drängen der FDP indes auf 250 Millionen Euro aufgestockt. Die Fortschreibung der Ampelpolitik wird durch die CDU als bahnbrechender Erfolg verkauft. Plötzlich vergessen scheint die Kernenergieforschung zur Entwicklung der inhärent sicheren Kernkraftwerke der vierten Generation, von denen Merz im Wahlkampf so geschwärmt hat.

Industrie im Würgegriff der Klima- und Energiepolitik

Vollmundig vereinbart wurde im Sondierungspapier indes die Schaffung von „Leitmärkten für klimaneutrale Produkte“, einschließlich „Quoten für klimaneutralen Stahl“. Dies führt zu nichts anderem als einer deutlichen Verteuerung der auf grünem Stahl basierenden Produkte in Deutschland. Grüner Stahl ist doppelt so teuer. Das bezahlt doch die ums Überleben kämpfende Automobilindustrie oder die Bauindustrie gerne, oder?

Wir erinnern uns, wie die CDU schon im Europawahlkampf die Aufhebung des Verbrennerverbots (2035) gefordert hat und den Bürgern auch im Bundestagswahlkampf suggerierte, dass das Verbrennerverbot aufgehoben werden soll. Nichts davon hat die SPD zugelassen. Im Positionspapier heißt es wolkig:

Wir bekennen uns zum Automobilstandort Deutschland und seinen Arbeitsplätzen. Dabei setzen wir auf Technologieoffenheit.“

Das ist eine recht hintersinnige Formulierung. Technologieoffenheit bei der Erreichung des nicht infrage gestellten Null-CO₂-Ziels für 2035 für Kraftfahrzeuge heißt CO₂-freie Kraftstoffe. Doch über E-Fuels wird kein Wort verloren, weder bezüglich Förderung noch Forschung. Stattdessen soll die E-Mobilität von Autos mit Batterien aus China wieder mit einem Kaufanreiz gefördert werden.

Jedes Auto mit einer Batterie aus Kohlestrom aus China emittiert bei unserem Strommix so viel CO₂ wie ein Dieselfahrzeug, das 100.000 Kilometer gefahren ist. Die Förderung führt also zu globalen Mehremissionen in China – mit deutschem Steuergeld.

Aber es kann noch schlimmer kommen. Die Grünen pokern hoch, um ihrer Klientel der Klima-NGOs, Klimaverbände und Klimaindustrie einen fetten Batzen aus den 500 Milliarden Euro Infrastruktur-Sonderschulden zuzuschanzen. Und wenn es ganz arg kommt, gibt es nicht nur eine informelle schwarz-rot-grüne Regierung. Mit diesem Positionspapier könnte wohl auch ein Robert Habeck als Minister am Kabinettstisch sehr gut leben.

Über den Autor:

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt ist promovierter Chemiker, SPD-Politiker, Manager, Wissenschaftler und Buchautor. Seit 1976 arbeitete er unter anderem im Umweltbundesamt, als Staatsrat bei der Umweltbehörde und als Umweltsenator in Hamburg. Er war Vorstand für erneuerbare Energien der Deutschen Shell AG sowie Gründer und Vorstand des Windenergie-Anlagenbauers REpower Systems.

Seit 1999 ist er Honorarprofessor im Fachbereich Chemie der Universität Hamburg. Sein Bestseller „Seveso ist überall“ (1978) war eines der wirkmächtigsten Bücher in den Anfangsjahren der Umweltbewegung. 2020 erschien sein Bestseller „Unerwünschte Wahrheiten“, und 2021 folgte „Unanfechtbar – Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz im Faktencheck“. www.vahrenholt.net

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt. Foto: privat

Dieser Artikel erscheint voraussichtlich in Kürze im Original auf klimanachrichten.de/ unter dem Titel „Fritz Vahrenholt: Kein Politikwechsel in der Energie- und Klimapolitik“. (redaktionelle Bearbeitung ts/Epoch Times)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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