Kein wesentlicher Zusammenhang zwischen Präsenzunterricht und Infektionsraten

Forscher der Binghamton-Universität untersuchten in einer Studie landesweit die Hälfte der US-Schulen auf einen Zusammenhang zwischen Präsenzunterricht und Corona-Infektionsraten – und fanden nichts Markantes.
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Stühle stehen in einem leeren Klassenzimmer in einem Gymnasium auf den Tischen, da der Unterricht in der Corona-Zeit ausgefallen ist.Foto: Jonas Güttler/dpa/dpa
Von 31. Januar 2022
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Als das Corona-Virus Anfang 2020 in den USA auftauchte, stellten fast alle Schulbezirke von Präsenzunterricht auf Fernunterricht um. Das Ziel war, die Ausbreitung des Virus somit hoffentlich zu verlangsamen. Eltern, Lehrer und Bildungsverwalter entdeckten bald, dass die plötzliche Einführung des Online-Unterrichts viele Nachteile mit sich brachte. So wirkten sich beispielsweise die Isolation von ihren Freunden und Lernschwierigkeiten negativ auf die Schüler aus.

Nachdem die Schulbehörden den Sommer über Zeit gehabt hatten, die Situation zu bewerten, standen sie bei der Wiedereröffnung im Herbst 2020 vor drei Möglichkeiten. So stellten viele Bezirke auf reines Online-Lernen um, andere blieben wie gewohnt geöffnet. Einige Schulen entwickelten sogar einen Hybrid-Unterricht, bei dem die Schüler abwechselnd an zwei oder drei Tagen in der Woche persönlich anwesend waren und den Rest der Woche aus der Ferne lernten.

Viele Pädagogen sind der Meinung, dass der Präsenzunterricht zu besseren Lernergebnissen führt, aber auch die Ausbreitung des Virus in der Gemeinschaft begünstigt. Eine kürzlich in „Nature Medicine“ veröffentlichte Studie stellt diese Annahme infrage. So analysierten die Forscher der Binghamton-Universität Daten von Juli bis September 2020 (zwölf Wochen nach Schulbeginn in den USA). In dieser Zeit war die Delta-Variante noch nicht vorherrschend und Impfstoffe für Kinder waren noch nicht verfügbar.

Nur der Süden weicht ab

In ihrer Studie verglichen die Forscher die unterschiedlichen Unterrichtsmodelle (Präsenz, Online und Hybrid) mit den Infektionsraten vom Centers for Disease Control and Prevention (kurz CDC). Untersucht wurden dabei Schulen aus 895 Bezirken – dies entspricht etwa der Hälfte aller Schulen in den USA.

Nach Kontrolle der Entwicklung der Fallzahlen vor dem Schulbeginn, der staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit und des Aktivitätsniveaus der Gemeinde waren die COVID-19-Inzidenzraten in den meisten Regionen der USA in den Bezirken, in denen Präsenzunterricht betrieben wurde, statistisch gesehen nicht anders als bei anderen Unterrichtsformen.

„Das Hauptargument für die Schließung von Schulen stützt sich auf frühere Schlussfolgerungen aus Grippestudien. Demnach zeigten jüngere Kinder nicht immer Symptome, konnten die Krankheit aber dennoch auf ihre Familienmitglieder [also auch auf Risikogruppen] übertragen“, sagte Prof. Zeynep Ertem, Hauptautorin der Studie. „Unsere aktuelle Studie erbrachte hierzu in den meisten Regionen jedoch keine Hinweise.“

Ertem und ihr Team sammelten Informationen wie Klassenstufen, lokale und Staaten-abhängige Corona-Maßnahmen, individuelle Mobilität und die Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten, um verschiedene Schulbezirke und Regionen besser vergleichen zu können.

„In den meisten Teilen der USA fanden wir keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Unterrichtsform und der Zahl der Corona-Infektionen. Dies deutet darauf hin, dass es keinen Sinn ergibt, den Lernprozess der Schüler [durch Maßnahmen] zu stören. Lediglich im Süden war ein statistisch signifikanter Anstieg der Fälle zu verzeichnen, wenn die Schulen auf Hybrid und Präsenz öffneten“, so Ertem. „Möglicherweise könnten auch andere Faktoren dahinterstecken. So ergriffen die südlichen Staaten im Vergleich zu anderen Regionen weniger Schutzmaßnahmen. In den Regionen Nordosten und Mittlerer Westen waren dagegen die Unterschiede in den Fallzahlen bei keiner der drei Unterrichtsformen nachweisbar.“

Präsenzunterricht nicht pauschal beurteilbar

Durch den Vergleich der Unterrichtsformen mit den Infektionszahlen liefert die Studie den politischen Entscheidungsträgern mehr Informationen für die Entscheidungsfindung im Hinblick auf die aktuelle oder eine künftige Pandemie. Die Schlussfolgerungen bieten jedoch keine einfachen Antworten.

„Es handelt sich nicht um ein Einheitsmodell“, sagte Ertem. „Es ist schwer zu sagen, dass die Schulen nicht geöffnet oder geschlossen werden sollen. Je nach Region können andere Faktoren einen Einfluss haben.“

Die Veröffentlichung ihrer Arbeit in einer renommierten Fachzeitschrift wie „Nature Medicine“ war für Ertem und den Rest des Forschungsteams erfreulich. „Man weiß nie, wie Leitjournale wie „Nature“ auf den eigenen Entwurf reagieren werden“, sagte sie. „[…] Wir waren begeistert von der überwältigend positiven Reaktion, die wir von den Gutachtern und Redakteuren der Zeitschrift erhielten. Die Redakteure waren von der umfassenden Forschung beeindruckt – sie nannten es ‚eine hervorragende Arbeit‘!“

Als Nächstes wird sie eine Studie darüber leiten, wie die Pandemie den Body-Mass-Index (BMI) von Kindern und Jugendlichen verändert hat. „Die Auswirkungen von COVID-19 werden uns noch viele Jahre lang begleiten“, sagte sie. „Wir müssen die Folgen verstehen, wenn wir bessere Antworten für die Zukunft finden wollen.“



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