42 Stunden oder vier Tage Woche: Ideen für neues Arbeitszeitgesetz gehen weit auseinander

Haben Nine-to-Five-Jobs ausgedient? Die FDP möchte den gesetzlich geregelten Acht-Stunden-Tag abschaffen, die CDU möchte die 42 Stundenwoche, die SPD die Vier-Tage-Woche und die nachwachsende Gen Z legt vor allem Wert auf Work-Life-Balance. Welches Modell wird sich durchsetzen?
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Vom 16-Stunden-Tag zur Life-Work-Balance: Die Generation Z jenseits der 40-Stunden-Woche.Foto: bernardbodo/iStock
Von 3. Juni 2024

Im Rahmen des geplanten Wirtschaftswendepakets der Ampel fordert die FDP umfassende Reformen im Arbeitszeitgesetz: Die Abschaffung des Acht-Stunden-Tages soll durchgesetzt und Regelungen für Pausenzeiten gelockert werden.

Um die Wirtschaftswende zu beschleunigen, forderte kürzlich Lukas Köhler, Fraktionsvize der Liberalen, die tägliche Arbeitszeitbegrenzung abzuschaffen. Seine Worte: „Der Acht-Stunden-Tag ist ein fossiles Dogma“. Stattdessen soll nur eine wöchentliche Höchstarbeitszeit festgelegt werden, inklusive Lockerung der Pausenzeiten. „Dazu müssten wir das Arbeitszeitgesetz entsprechend modernisieren“, so FDP-Politiker Köhler.

Alles im Arbeitszeitgesetz geregelt

Im Gegensatz zur EU-Arbeitszeitrichtlinie, die festlegt, dass die wöchentliche Arbeitszeit maximal 48 Stunden betragen darf und damit die Wochenarbeitszeit, als Höchstgrenze festsetzt, liegt der Fokus beim Arbeitszeitgesetz (ArbZG) bei den täglichen Arbeitsstunden. Das deutsche Gesetz ist von 1994 und erlaubt aktuell eine maximale tägliche Arbeitszeit von acht Stunden. Diese kann auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Monaten ein Ausgleich erfolgt.

Überdies regelt das Arbeitszeitgesetz Schicht- und Nachtarbeit und schreibt Pausen- und Ruhezeiten vor. So muss bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs und bis zu neun Stunden eine Pause von mindestens 30 Minuten gewährt werden, bei mehr als neun Stunden mindestens 45 Minuten Pause eingeplant werden. Zudem müssen Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden haben, bevor sie wieder zur Arbeit erscheinen.

Der Praxis-Check: Schluss mit Nine-to-Five

Während es lange Zeit Wunschdenken war, nur acht Stunden am Tag zu arbeiten, ist das Zauberwort der aktuellen Entwicklungen „Flexibilität“. Vor allem Start-ups sind in Zeiten der Digitalisierung neue Wege gegangen. Flexibilität von Arbeitszeiten und Homeoffice haben sich fast flächendeckend in der Coronazeit etabliert, weil dadurch viele Unternehmen ihren Betrieb aufrechterhalten konnten. Das Homeoffice hat über die vergangenen Jahre den klassischen Acht-Stunden-Tag aufgeweicht, auch wenn hierbei eigentlich die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes gelten.

Noch mal abends die Mails checken, wenn die Kinder im Bett sind, noch das Konzept fertig machen und per E-Mail rausschicken. Dafür nicht nach der Arbeit zum Supermarkt hetzen, sondern tagsüber mal eben die Einkäufe erledigen – das hat sich eingebürgert bei vielen Arbeitnehmern im Homeoffice.

Homeoffice im Lockdown: 75 Prozent

Während 2019 gerade mal 13 Prozent der Arbeitnehmer gelegentlich mal von zu Hause aus gearbeitet haben, waren es ab den Corona-Lockdowns bis zu 75 Prozent der Beschäftigten. Das war auch der gesetzlichen Homeoffice-Pflicht geschuldet. Damals mussten Arbeitgeber bei Büroarbeiten die Möglichkeit zum Arbeiten im Homeoffice anbieten.

Auch nach offiziellem Ende der Pandemie 2023, arbeitete immer noch knapp ein Viertel der Beschäftigten zumindest teilweise von zu Hause. Im Februar 2024 waren es 24,1 Prozent. „Der Anteil ist seit zwei Jahren nahezu gleichbleibend“, sagt Jean-Victor Alipour vom ifo Institut. „Ungeachtet der Debatten um die Rückkehr ins Büro bei einzelnen Unternehmen hat sich Homeoffice in Deutschland fest etabliert.“

Mehr Freiheit, aber auch mehr Arbeit?

Aber wie hat sich das Homeoffice auf die Arbeitszeiten ausgewirkt? Im Jahr 2021 – also mitten in der Pandemie – wurden 3,1 Millionen Menschen aus 16 Städten auf der ganzen Welt zu ihrem Arbeitsverhalten befragt. Die Ergebnisse einer Studie der Harvard-Universität zeigen: Homeoffice hat zu längeren Arbeitszeiten geführt.

Das Ergebnis kurz zusammengefasst: Im Homeoffice wurde im Schnitt fast eine Stunde, 48,5 Minuten am Tag, länger gearbeitet. Die Ursache darin wurde in vermehrten (virtuellen) Meetings ermittelt.

Vergangen, nicht vergessen: Arbeitstag mit 16 Stunden

Die aktuellen Arbeitszeiten sind ein kurzer Arbeitstag im Vergleich zur Zeit der Industrialisierung, wo Fabrikherren Arbeitszeit und Löhne diktieren konnten. Zwölf bis 16 Stunden am Tag zu arbeiten, war nicht ungewöhnlich, sondern bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts vielmehr die Regel. Freizeit war ein Fremdwort.

Bis der britische Unternehmer Robert Owen Ende des 18. und im 19. Jahrhundert die Arbeitszeit seiner Beschäftigten mit der Forderung nach „Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit und acht Stunden Schlaf“ verkürzte. Der Waliser gilt als Pionier des Genossenschaftsgedankens und war einer der Denker, der damit auch die sozialistischen Bewegungen vieler Länder inspirierte.

In der Weimarer Republik kam es dann erstmals dazu, dass der 8-Stunden-Tag in Deutschland gesetzlich eingeführt wurde. Der MDR schreibt dazu: „Als das Volk am Ende des verlorenen Ersten Weltkriegs auf den Straßen des untergehenden Kaiserreichs und der werdenden Weimarer Republik eine neue Zeit einforderte, wurde der Wirtschaftselite Angst und Bange um ihr Eigentum – sodass sie schließlich sogar den Acht-Stunden-Arbeitstag akzeptierte.“ Ab 1. Januar 1919 galt er offiziell.

Nach Aussetzen in der NS-Zeit wurde der 8-Stunden-Tag erneut festgeschrieben. In den 1950er- und 1960er-Jahren, während des Wirtschaftswunders, blieb der 8-Stunden-Tag trotz seinerzeit üblicher Überstunden weitgehend bestehen, bis im Jahr 1994 das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) in Kraft trat.

Gen Z: Flexibler sein, weniger arbeiten und mehr Balance im Leben

Die aktuelle Debatte um eine Anpassung der Arbeitszeiten wird begleitet von veränderten Erwartungen einer „Work-Life-Balance“ der kommenden Generationen. Zur sogenannten Generation Z, die eigentlich die große Fachkräftelücke auffüllen soll, zählen zwischen 1995 und 2010 Geborene. Gen Z legt deutlich mehr Wert als ihre Vorgänger-Generationen auf Work-Life-Balance und sucht sich gezielt Arbeitgeber aus, die flexiblere Arbeitszeitmodelle anbieten. Das ergab unter anderem eine Studie der Hochschule Mainz aus dem Jahr 2022.

Für die befragten Bachelorstudenten, die bereits erste Berufserfahrungen hatten, war mit knapp 77 Prozent das wichtigste Kriterium bei der Wahl ihres Arbeitgebers eine ausgewogene Work-Life-Balance, die mit weniger Arbeitszeit verbunden ist.

Die Zukunft: 42-Stunden-Woche oder nur vier Tage?

Während Gewerkschaften in Tarifverhandlungen immer häufiger kürzere Arbeitszeiten fordern, plädieren Arbeitgeberverbände für das Gegenteil. Sie stützen sich dabei auf die im internationalen Vergleich geringe durchschnittliche Wochenarbeitszeit in Deutschland und den großen Bedarf an Fachkräften. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die Union fordern sogar, die regelmäßige Wochenarbeitszeit auf 42 Stunden auszudehnen und Überstunden als Anreiz von der Lohnsteuer zu befreien.

Ebenfalls ist eine Diskussion um eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich entbrannt. Befürworter wie die SPD – Saskia Esken hatte die Debatte 2023 wieder eingebracht – argumentieren, dass dies die Produktivität steigern und die Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen könnte. Kritiker befürchten, dass die Wettbewerbsfähigkeit leidet und eine Vier-Tage-Woche der deutschen Wirtschaft schadet.



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