Methan-Fontänen auf Saturnmond Enceladus – Mögliche Anzeichen von Leben?

Eine in „Nature Astronomy“ veröffentlichte Studie kommt zu dem Schluss, dass bekannte geochemische Prozesse auf dem Saturnmond Enceladus gemessene Methanwerte nicht erklären können. Deshalb von „außerirdischem Leben“ sprechen wollen die Forscher (noch) nicht. Mikroben, wie sie an irdischen Tiefseevulkanen existieren, könnte man jedoch nicht ausschließen.
Schnittbild von Saturnmond Enceladus mit Geysiren
Künstlerische Darstellung hydrothermaler Aktivitäten, die auf und unter dem Meeresboden des unterirdischen Ozeans auf dem eisigen Saturnmond Enceladus stattfinden könnten.Foto: NASA/JPL Caltech
Von 30. Juli 2021

In dem verborgenen Ozean unter der Eishülle des Saturnmondes Enceladus ist wahrscheinlich ein unbekannter, methanbildender Prozess am Werk. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler der Universitäten von Arizona und Paris Sciences & Lettres nahe. In einer Anfang Juni veröffentlichten Studie kommen die Forscher zu dem Schluss, dass „bekannte geochemische Prozesse die von der Raumsonde Cassini auf dem Saturnmond gemessenen Methanwerte nicht erklären können“. Eine mögliche Erklärung könne biologischen Ursprungs sein – und damit neue Hinweise auf außerirdisches Leben liefern.

Doch nicht nur unter dem Eis rumort es. Erd- beziehungsweise Eisbeben und Geysire entlang Verwerfungslinien an der Oberfläche faszinieren Wissenschaftler gleichermaßen. Die seismischen Aktivitäten könnten wiederum Aufschluss geben über die Dicke des Eises, das Enceladus umgibt, die Ozeane, die vermutlich darunter liegen und unter Umständen zu den Dingen – oder Lebewesen – die sich möglicherweise in den Ozeanen befinden.

Tauch-Missionen auf einem fremden Himmelskörper?

Enceladus ist der sechstgrößte Saturnmond und hat einen Durchmesser von etwa 500 Kilometern. Der Mond ist fast zehnmal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde und seine helle Oberfläche reflektiert das meiste Sonnenlicht, sodass Enceladus sehr kalt und fast vollständig mit Eis bedeckt ist. Dennoch vermuten Forscher seit langem, dass das Eis einen riesigen, flüssigen Ozean umschließt, der sich vermutlich zwischen dem felsigen Kern des Mondes und seiner eisigen Hülle befindet.

Forscher vermuten außerdem, dass der Mond massiven Gezeitenkräften ausgesetzt ist. Ähnlich wie Sonne und Mond auf der Erde Gezeiten verursachen, würden sie auf Enceladus von Saturn und den anderen, größeren Monden des Planeten verursacht. Nur können Ebbe und Flut nicht an die Küsten schlagen, da das „Weltmeer“ von Eis umschlossen ist. Die Gezeitenbewegungen wirken also im Inneren und erwärmen Enceladus. In der Folge lassen sie die Oberfläche aufbrechen und manchmal große Geysire aus Wasserdampf entstehen.

Satellitenbild von Enceladus

Zusammengesetztes Bild aus 28 Einzelaufnahmen der NASA-Sonde Cassini. Deutlich erkennbar sind tiefe Furchen und Risse in der Eiskruste, die irdischen „Tigerstreifenbrüchen“ in der Antarktis ähneln. Foto: NASA/JPL/Space Science Institute

Beim Durchfliegen dieser Fontänen entdeckte die NASA-Raumsonde Cassini eine relativ hohe Konzentration bestimmter Moleküle. Die chemische Zusammensetzung könne durchaus mit hydrothermalen Schloten am Boden der Ozeane der Erde in Verbindung gebracht werden, so die Forscher. Auffällig war dabei Wasserstoff (H2), Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2). Die Menge an Methan, die in den Geysiren gefunden wurde, war jedoch besonders unerwartet.

„Wir wollten wissen: Könnten erdähnliche Mikroben, die Wasserstoff ‚fressen‘ und Methan produzieren, die überraschend große Menge an Methan erklären, die Cassini entdeckt hat?“, sagte Prof. Régis Ferrière von der Fakultät für Ökologie und Evolutionsbiologie der Universität Arizona und einer der Hauptautoren der Studie. „Die Suche nach solchen Mikroben, den so genannten Methanogenen, am Meeresboden von Enceladus würde extrem anspruchsvolle Tieftauchmissionen erfordern.“

Entweder biologisch oder unbekannt

Auf der Erde kommt es zu hydrothermaler Aktivität, wenn kaltes Meerwasser in den Meeresboden sickert, durch das darunter liegende Gestein zirkuliert und an einer Wärmequelle, zum Beispiel einer Magmakammer, vorbeifließt, bevor es durch hydrothermale Schlote wieder austritt.

Diese Prozess kann – auf der Erde – Methan erzeugen, allerdings in einem langsamen Tempo. Der größte Teil der Produktion geht auf Mikroorganismen zurück. Diese machen sich das chemische Ungleichgewicht des hydrothermal erzeugten Wasserstoffs als Energiequelle zunutze. In einem als Methanogenese bezeichneten Prozess können diese Organismen Methan aus Kohlendioxid erzeugen.

Statt möglicherweise Jahrzehnte auf Missionen zu warten, die diesen Prozess auf dem Saturnmond bestätigen könnten, wählten die Forscher um Prof. Ferrière einen anderen, einfacheren Weg: Mathematische Modelle.

Die Autoren kombinierten Geochemie und mikrobielle Ökologie, um die Cassini-Daten zu analysieren und zu modellieren. Schließlich untersuchten sie verschiedene Prozesse, einschließlich der biologischen Methanogenese, die die Cassini-Daten erklären könnten.

Sie kommen zu dem Schluss, dass die Cassini-Daten entweder mit mikrobieller hydrothermaler Schlotaktivität oder mit Prozessen übereinstimmen, an denen keine Lebensformen beteiligt sind. Letztere würden sich aber von denen unterscheiden, die auf der Erde auftreten.

Enceladus „sehr wahrscheinlich bewohnbar“ – für Mikroorganismen

Das Team betrachtete die Zusammensetzung der Enceladus-Fontänen als Ergebnis mehrerer chemischer und physikalischer Prozesse, die im Inneren des Mondes ablaufen. Zunächst untersuchten die Forscher, welche hydrothermale Produktion von Wasserstoff am besten zu den Beobachtungen von Cassini passen würde. Anschließend stellten sie die Frage, ob diese Produktion genügend „Nahrung“ für eine Population von erdähnlichen hydrogenotrophen Methanogenen liefern könnte. Danach simulierten die Forscher, ob die anderen Bedingungen, wie chemische Zusammensetzung und Temperatur, eine geeignete Umgebung für das Wachstum dieser Mikroben bieten würden.

„Zusammenfassend konnten wir nicht nur beurteilen, ob die Beobachtungen von Cassini mit einer bewohnbaren Umgebung vereinbar sind, sondern auch quantitative Vorhersagen über die zu erwartenden Beobachtungen machen, falls es am Meeresboden von Enceladus tatsächlich zu einer Methanogenese kommt“, erklärte Prof. Ferrière.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass selbst die höchstmögliche Schätzung der abiotischen Methanproduktion – die Methanproduktion ohne biologische Hilfe – auf der Grundlage der bekannten hydrothermalen Chemie bei weitem nicht ausreicht, um die in den Fontänen gemessenen Methankonzentrationen zu erklären. Die Hinzunahme der biologischen Methanogenese könnte jedoch genug Methan produzieren, um mit den Beobachtungen von Cassini übereinzustimmen.

„Natürlich schließen wir nicht, dass im Ozean von Enceladus Leben existiert“, sagte Prof. Ferrière. „Vielmehr wollten wir herausfinden, wie wahrscheinlich es ist, dass die hydrothermalen Schlote von Enceladus für erdähnliche Mikroorganismen bewohnbar sind.“ Weiter sagte der Professor:

Unseren Modellen zufolge ist das sehr wahrscheinlich.“

(Mikrobisches) Leben auf Enceladus: Eine Frage der Wahrscheinlichkeit

In der Astronomie gilt der Grundsatz, „Es sind niemals die Aliens … zumindest so lange nicht, bis es dann doch die Aliens sind.“ [Epoch Times berichtete] Mit anderen Worten, außerirdisches Leben ist eine der letzten Erklärungen. Dennoch, erklärt Prof. Ferrière, „scheint die biologische Methanogenese mit den Daten vereinbar zu sein. Mit anderen Worten, wir können die ‚Lebenshypothese‘ nicht als höchst unwahrscheinlich verwerfen. [Dazu] brauchen wir mehr Daten von zukünftigen Missionen.“

Andererseits „könnte das Methan beispielsweise aus dem chemischen Abbau organischer Urmaterie stammen“. Materie im Kern von Enceladus könne dabei durch hydrothermale Prozesse teilweise in Wasserstoff, Methan und Kohlendioxid umgewandelt werden, erklärt Prof. Ferrière. Diese Hypothese sei sehr plausibel, wenn sich herausstelle, dass Enceladus durch die Akkretion von organisch reichem Material entstanden sei, das von Kometen geliefert wurde.

„Es kommt zum Teil darauf an, für wie wahrscheinlich wir die verschiedenen Hypothesen halten“, sagte er. „Wenn wir zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit von Leben auf Enceladus für extrem gering halten, dann werden solche alternativen abiotischen Mechanismen viel wahrscheinlicher. Auch wenn sie im Vergleich zu dem, was wir hier auf der Erde kennen, sehr fremdartig sind.“

Von Tiefsee-Mikroben zu Eisbeben an der Oberfläche

Die vermuteten Tiefseevulkane auf Enceladus beschäftigen nicht nur Biologen, sondern auch Geologen. Letztere dürften sich jedoch eher für die Geysire und ihre Ursachen als die chemische Zusammensetzung der Fontänen interessieren. Aber auch die seismische Aktivität auf dem Saturnmond zeigt Ähnlichkeiten mit irdischen Prozessen. Sie erinnern an sogenannte Tigerstreifenfrakturen oder -brüche in der Antarktis.

Die Forscher um Kira Olsen, Geophysikerin am Goddard Space Flight Center der NASA, stützt sich auf eben jene Beobachtungen der antarktischen Schelfeisschilde. Ihre Studie (pdf) legt nahe, dass die Gezeiten auf Enceladus auch kleine Beben im Eis an den Rissen des Mondes verursachen könnten, ähnlich wie die Eisbeben, die auf den schwimmenden Eisschilden am Südpol beobachtet werden.

Das Satellitenbild des Forschungsgebiets auf dem Ross-Schelfeis in der Antarktis (oben) zeigt zwei Risse im Eis, die von steigenden und fallenden Gezeiten herrühren. Vier ähnlich große "Tigerstreifenbrüche" zerfurchen das Eis im Südpolargebiet von Enceladus

Das Satellitenbild des Forschungsgebiets auf dem Ross-Schelfeis in der Antarktis (oben) mit zwei Rissen. Vier ähnlich große „Tigerstreifenbrüche“ zerfurchen das Eis im Südpolargebiet von Enceladus. Foto: AGU/ JGR: Planets

„Monde wie [Enceladus] sind aufregende Orte, weil es dort Leben geben könnte“, sagte Olsen. Da man davon ausgeht, dass sich das Leben zuerst in unseren Ozeanen entwickelt hat, könnten die flüssigen Ozeane unter dem Eis anderer Welten ein guter Ort für die Suche nach Leben sein, sagte sie. Die eisige Kruste von Enceladus könnte das Wasser darunter auch vor Strahlung schützen und so das Überleben begünstigen.

„Wir haben Vorstellungen davon, wie dick das Eis sein könnte. Aber wir haben keine direkten Beobachtungen. Die Untersuchung von Eisbeben ist eine Möglichkeit, an diese Informationen heranzukommen“, so Olsen weiter.

Ein Wasserballon im Schwerefeld der Planeten

Um mehr darüber zu erfahren, wie sich die Tigerfrakturen auf Enceladus bewegen könnten, wandten sich Olsen und ihre Kollegen schwimmenden Schelfeisflächen in der Antarktis zu. Ähnich wie Prof. Ferrière suchte Olsen nach irdischen Aktivitäten, die denen auf Enceladus am ehesten entsprechen.

Die Forscher analysierten Daten, die von Seismometern entlang des Ross-Schelfeises auf dem südlichen Kontinent zwischen 2014 und 2016 gesammelt wurden, und verglichen diese mit Satellitenbildern des Gebiets. Besonderes Augenmerk legten sie dabei auf zwei Seismometer, die in der Nähe großer Risse auf der Eisplatte angebracht sind.

Sie setzten die seismische Aktivität mit den Spannungen in Verbindung, die entlang dieser Risse auftreten. Die meisten Eisbeben auf dem Ross-Schelfeis traten auf, wenn sich die Risse auseinander zogen, was bei einem Gezeitenrückgang der Fall ist. Basierend auf Modellen von Enceladus veglichen Olsen und ihre Kollegen die Arten von Brüchen, die sie auf der Mondoberfläche sahen, mit denen auf dem Ross-Schelfeis.

Die größte seismische Aktivität auf Enceladus hänge wahrscheinlich mit den Gezeiten zusammen, so die Forscher. Die stärksten Aktivitäten identifizierten sie, wenn Enceladus auf seiner Umlaufbahn 100 Grad hinter der nächsten Annäherung an Saturn liegt. Der Ozean unter dem Eis verhalte sich zu diesem Zeitpunkt „ähnlich wie Wasser in einem schwappenden Ballon“. Die Risse im Eis entstünden dann an den Stellen mit der höchsten Spannung, an denen der Ballon auseinanderbrechen würde.

Shematische Zeichnung des Querschnitts eines schwimmenden Schelfeises. Mit dem Heben und Senken der Gezeiten entstehen Risse und Brüche. Eisbeben treten vor allem bei "Ebbe" auf, wenn sich die Risse auseinander ziehen

Schematische Zeichnung des Querschnitts eines schwimmenden Schelfeises. Mit dem Heben und Senken der Gezeiten entstehen Risse und Brüche. Eisbeben treten vor allem bei „Ebbe“ auf, wenn sich die Risse auseinander ziehen. Foto: AGU/ JGR: Planets

„Ein ziemlich guter Ort zum Studieren“

Mark Panning, ein Forscher am Jet Propulsion Laboratory der NASA, der nicht an der neuen Studie beteiligt war, sagte, dass die Raumsonde Cassini zwar gezeigt habe, dass der Mond geologisch aktiv sei, es aber schwierig sei zu sagen, wie sich dies auf die seismische Aktivität auswirke. „Die Studie ist ein wichtiger Weg, um zu untersuchen, wie die Seismizität auf Enceladus und anderen gezeitenaktivierten eisigen Welten aussehen könnte, indem man die besten Analoga betrachtet, die wir auf der Erde finden können“, sagte er.

Olsen sagte, dass die Wissenschaftler bei künftigen Missionen zu Enceladus Seismometer in einem Umkreis von zehn Kilometern um diese Brüche platzieren sollten, um mehr über die Vorgänge im Untergrund zu erfahren. Die Eisbeben sind entlang dieser Risse nicht massiv, auch nicht in den Spitzenzeiten der Belastung. Olsen beschreibt sie eher als „fast kontinuierliche kleine Knackser und Brüche“.

Es ist kein ruhiger, abgelegener Ort, aber es ist ein ziemlich guter Ort zum Studieren“, sagte sie.

Bislang seien zwar keine Missionen zu Enceladus geplant, die Europäische Weltraumorganisation plant aber die JUICE-Mission zu Europa, einem der Eismonde von Jupiter. Ähnliche Arbeiten seien laut Olsen dann auch auf Titan, dem größten und ebenfalls mit Eis bedeckten Saturnmond denkbar. Im Jahr 2036 will die NASA mit der Dragonfly-Mission den Titan besuchen.

(Mit Material der Universität von Arizona und der Amerikanischen Geophysikalischen Union)



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