Hinweise auf außerirdisches Leben auf der Venus – NASA: „Bislang bedeutendste Entwicklung“

Schon lange spekulieren Astronomen über mögliches Leben auf der Venus. Nun haben Forscher ein verdächtiges Gas aufgespürt. Der Fund verursacht zwar Aufregung – ist aber (noch) kein Beleg für Leben.
Titelbild
Blick auf die Venus.Foto: NASA/JPL
Von 15. September 2020

Die US-Raumfahrtbehörde NASA sieht in der Entdeckung von Phospingas oder Monophosphan auf der Venus den bisher größten Fortschritt in der Suche nach möglichem außerirdischen Leben. Die Verbindung aus einem Phosphor- und drei Wasserstoffatomen (PH3) entsteht auf der Erde vor allem durch biologische Prozesse, die unter Ausschluss von Sauerstoff stattfinden.

Der Fund dieses Gases sei die „bislang bedeutendste Entwicklung bei der Suche nach Belegen für Leben außerhalb der Erde“, schrieb NASA-Chef Jim Bridenstine am Montag im Kurzbotschaftendienst Twitter.

Bridenstine verwies außerdem darauf, dass die NASA vor zehn Jahren mikrobische Lebensformen rund 36.000 Meter über der Erde in der oberen Atmosphäre unseres Planeten entdeckt hatte. Nun aber sei es an der Zeit, bei der Suche nach außerirdischem Leben „den Vorrang auf die Venus zu legen“.

Der Phosphin-Nachweis in der Venusatmosphäre sei allerdings kein belastbarer Beleg für eine biologische Quelle auf unserem Nachbarplaneten, schreibt das Team um Jane Greaves von der Universität Cardiff im Fachblatt „Nature Astronomy“. Es weise zunächst nur auf unbekannte geologische oder chemische Prozesse hin.

Noch (k)ein Beweis für Leben auf der Venus

Die Venus ist ähnlich groß wie die Erde, hüllt sich jedoch in eine dichte Wolkendecke. Die Bedingungen auf der Venusoberfläche galten bislang als „wenig förderlich für die Existenz von Leben“. So erreichen die Temperaturen auf dem Planeten bis zu 500 Grad Celsius. Zudem besteht die Atmosphäre fast ausschließlich aus Kohlenstoffdioxid und die Wolken aus Schwefelsäure.

In den oberen Atmosphärenschichten, rund 50 bis 60 Kilometer über der Oberfläche, könnten vergleichsweise moderate Temperaturen um die 30° Celsius jedoch Leben erlauben. Das hat bereits vor Jahren zu Spekulationen über schwebende Mikroorganismen geführt.

Es war ein Experiment aus reiner Neugier, wirklich – unter Nutzung der leistungsstarken Technologie und mit Blick auf zukünftige Instrumente. Ich dachte, wir könnten einfach extreme Szenarien ausschließen, wie zum Beispiel, dass die Wolken mit Organismen vollgestopft werden. Als wir dann die ersten Hinweise auf Phosphin […] erhielten, war das ein Schock!“, sagte Professor Greaves

„Zu unserer großen Erleichterung waren die Bedingungen für Folgebeobachtungen gut, während sich die Venus in einem geeigneten Winkel zur Erde befand“, fügte Anita Richards von der Universität Manchester hinzu. Die Verarbeitung der Daten erwies sich hingegen als schwierig. Die Geräte suchten normalerweise nicht nach derart subtilen Effekten in sehr hellen Objekten wie der Venus. Schließlich konnten die Forscher auch mit einem zweiten Teleskop eine Phosphin-Signatur feststellen und ausschließen, dass es sich um einen Beobachtungsfehler handelte.

Ein Besuch könnte Klarheit bringen

Die Wissenschaftler hatten die Venus mit dem James-Clerk-Maxwell-Teleskop auf Hawaii und dem Atacama-Teleskopfeld in den chilenischen Anden analysiert. Dabei entdeckten sie Spektrallinien, die nur bei Monophosphan vorkommen. Die Venuswolken sind allerdings sehr sauer, wodurch die Verbindung schnell zerstört werden sollte. Sie muss also regelmäßig neu entstehen, um die in der Atmosphäre gemessene Konzentration von rund 20 Teilen pro Milliarde zu erklären.

Das Team betrachtete verschiedene mögliche Quellen für das extrem giftige Gas wie etwa Mikrometeoriten, Vulkanausbrüche oder Blitze sowie chemische Vorgänge in den Wolken und auf der Planetenoberfläche. Damit lasse sich die Herkunft des Monophosphans jedoch nicht erklären, berichten die Forscher. Leben jenseits der Erde beweise das jedoch nicht. In einer eigens einberufenen Pressekonferenz am späten Montagnachmittag (14. September) schlossen die Autoren diese Möglichkeit aber nicht aus.

„Wir behaupten nicht, dass wir Leben auf der Venus gefunden haben“, sagte Ko-Autorin Sara Seager vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) bei der Pressekonferenz. „Wir haben das Gas Monophosphan detektiert. Seine Herkunft ist ein Geheimnis“. Auf der Rangliste jener Himmelskörper im Sonnensystem, auf denen Leben möglich sein könnte, rücke die Venus nun nach oben. Für die Lösung der Frage wäre es von Vorteil, den Planeten zu besuchen, um Messungen vor Ort vorzunehmen, betont das Team in seinem Fachartikel.

„Wenn es Phosphin ist, wenn es Leben ist, sind wir nicht allein!“

Clara Sousa Silva, ebenfalls vom MIT, hat Phosphin bereits als „Biosignatur“-Gas für Leben auf Planeten um andere Sterne untersucht. Sie sagte: „Phosphin auf der Venus zu finden, war ein unerwarteter Bonus. Die Entdeckung wirft viele Fragen auf, zum Beispiel wie irgendwelche Organismen überleben könnten. Auf der Erde können einige Mikroben bis zu etwa fünf Prozent Säure in ihrer Umgebung vertragen – aber die Wolken der Venus bestehen fast vollständig aus [Schwefel-] Säure“.

Leonardo Testi, Teamleiter an der Europäischen Südsternwarte sagte: „Die nicht-biologische Produktion von Phosphin auf der Venus ist nach unserem derzeitigen Verständnis […] in der Atmosphäre von Gesteinsplaneten ausgeschlossen. Die Bestätigung der Existenz von Leben auf der Venusatmosphäre wäre ein bedeutender Durchbruch für die Astrobiologie.“

Die Forscher räumen aber ein, dass die Bestätigung des Vorhandenseins von „Leben“ noch viel mehr Arbeit erfordert.

Bei dem, was wir derzeit über die Venus wissen, ist die plausibelste Erklärung für Phosphin – so fantastisch es auch klingen mag – Leben“, sagte Sousa-Silva.

Diese Erklärung sollte aber „wie immer der letzte Ausweg sein“, fügte die Astro-Molekularbiologin hinzu.

Denn wenn es Phosphin ist, und wenn es Leben ist, bedeutet das, dass wir nicht allein sind. Es bedeutet, dass das Leben selbst sehr verbreitet sein muss. Dann muss es viele andere bewohnte Planeten in unserer Galaxie geben.“

„Glücklicherweise ist die Venus gleich nebenan“, so Sousa-Silva weiter. „Also können wir buchstäblich hingehen und nachsehen.“

(Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und afp, der Europäischen Südsternwarte und der Königlichen Astronomischen Gesellschaft)



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