Hera-Raumsonde aus Deutschland soll Erfolg planetarer Verteidigung prüfen
In aller Kürze:
- Am 7. Oktober 2024 öffnet sich für drei Wochen das Startfenster für die Mission der Raumsonde Hera.
- Die Raumsonde der Europäischen Weltraumorganisation ESA wurde in Deutschland entwickelt und gebaut.
- Hera schließt an die NASA-Raumsonde DART an, die 2022 kontrolliert auf Dimorphos einschlug, um seine Bahn zu verändern.
- Die Doppelmission zum Doppelasteroiden Didymos und Dimorphos soll herausfinden, wie die Abwehr von gefährlichen Asteroiden gelingen kann.
Menschengemachter Meteoritenschauer
Wie gefährlich Asteroiden sein können, hat die Erdgeschichte wiederholt gezeigt. Auch heute lässt sich der verheerende Einschlag eines Himmelskörpers auf der Erde nicht ausschließen. In Science-Fiction-Filmen gibt es bereits Technologien, um Einschläge zu verhindern. Doch kann die Abwehr von Asteroiden auch im „wahren Leben“ gelingen?
Diese und viele weitere Fragen soll die Mission Hera der Europäischen Weltraumorganisation ESA beantworten. Am 7. Oktober 2024 öffnet sich dafür das dreiwöchige Startfenster. Sie wird mit einer Falcon-9-Rakete vom Raumfahrtbahnhof Cape Canaveral in Florida zu ihrer zweijährigen Reise zum Doppelasteroiden Didymos und Dimorphos aufbrechen, den sie für sechs Monate untersuchen wird.
Hera vorausgegangen ist die „DART“-Mission der NASA, die 2022 genau ins Schwarze traf. Am 26. September jenes Jahres schlug sie planmäßig auf dem Asteroiden Dimorphos ein. Dabei veränderte sie die Bahn des Himmelskörpers nachhaltig – eine wichtige Erkenntnis für die planetare Verteidigung – und verursachte eine gewaltige Staubwolke.
„Die DART-Kollision bietet eine seltene Gelegenheit, das Verhalten des ausgestoßenen Materials zu studieren“, sagte Michael Kueppers von der ESA, die mit der Mission „HERA“ den Einschlag ab 2026 untersuchen will. Erste Modelle zeigen indes, dass einige Staubteilchen sowohl Erde als auch Mars erreichen können – und als erster „vom Menschen gemachter Meteoritenschauer“ gegen Ende des Jahrzehnts in der Atmosphäre verglühen.
Planetare Verteidigung gegen Asteroiden
Asteroideneinschläge auf der Erde sind außergewöhnlich selten, können jedoch gravierende Auswirkungen haben. So wurden am 15. Februar 2013 etwa 1.500 Menschen verletzt, als ein kleiner Asteroid mit 20 Metern Durchmesser – Dimorphos misst etwa 150 Meter – nahe der russischen Stadt Tscheljabinsk in die Erdatmosphäre eingetreten war. Obwohl er beim Eintritt größtenteils verdampfte, explodierten die Reste in rund 30 Kilometer Höhe. Die dabei erzeugte Druckwelle ließ unzählige Fensterscheiben in der Millionenstadt zersplittern, was zu den Verletzungen führte. Zu einem Einschlag kam es nicht.
„Tscheljabinsk war ein Ereignis, das uns als Mahnung dienen kann. Um gefährliche Ereignisse künftig zu verhindern, brauchen wir die Daten der Hera-Mission“, erklärte Dr. Manuel Metz, Hera-Projektleiter in der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
„Die Folgen des Einschlags eines größeren Himmelskörpers wären ungleich heftiger. Sie könnten gar ganze Ozeanküsten oder Kontinente bedrohen. Dies hätte existenzielle Folgen für den Fortbestand der Menschheit“, ergänzte Dr. Stephan Ulamec von der DLR-Einrichtung für Raumflugbetrieb und Astronautentraining in Köln, der an Hera wissenschaftlich beteiligt ist. „Davon zeugen nicht zuletzt Überreste des fast 200 Kilometer großen Chicxulub-Kraters im heutigen Mexiko.“ Der größte bekannte Einschlagkrater im Sonnensystem misst ein Vielfaches davon.
Kein Einschlag bis 2100
Die gute Nachricht: Keines der etwa 36.000 bekannten erdnahen Objekte – die sogenannten NEOs (Near Earth Objects) – mit mehr als 100 Meter Durchmesser befindet sich gegenwärtig auf Kollisionskurs mit der Erde.
Der 2004 entdeckte Asteroid Apophis etwa wird 2029 die Erde passieren, ausgerechnet am Freitag, dem 13. April. Während der Mond im Mittel etwa 380.000 Kilometer von der Erde entfernt ist, wird sich der nach dem Gott des Chaos benannte Asteroid bei seinem Vorbeiflug bis auf etwa 31.750 Kilometer annähern. Das ist dichter als Satelliten, die sich auf einer geostationären Umlaufbahn befinden.
Apophis hat rund 350 Meter Durchmesser, was im Fall eines Einschlags extreme Auswirkungen hätte. Eine solche Kollision kann nach aktuellem Kenntnisstand für das 21. Jahrhundert ausgeschlossen werden. Dass er die Erde so nah passiert, zeigt jedoch, dass wir auf solche Objekte stets vorbereitet sein müssen.
Um Methoden zu entwickeln, wie die Menschheit solchen Gefahren wirksam begegnen kann, führen die amerikanische Luft- und Raumfahrtbehörde NASA und die Europäische Weltraumorganisation ESA die AIDA-Kooperation (Asteroid Impact & Deflection Assessment, deutsch: Bewertung von Asteroideneinschlägen und -ablenkungen) durch. Sie besteht aus der NASA-Mission DART und der ESA-Mission Hera.
DART trifft, Hera beobachtet
Den Anfang machte die NASA mit der Raumsonde DART (Double Asteroid Redirection Test). Als Ziel wurde der Doppelasteroid Didymos und Dimorphos gewählt, wobei der deutlich kleinere Dimorphos (Durchmesser etwa 150 Meter) den größeren Didymos (Durchmesser etwa 800 Meter) als Asteroidenmond umkreist. Ziel war, die Umlaufzeit beider Asteroiden umeinander zu beeinflussen.
Hierzu schlug DART am 26. September 2022 kontrolliert mit einer Geschwindigkeit von über 6 Kilometern pro Sekunde (22.500 Kilometer pro Stunde) auf Dimorphos ein. Messungen mit Teleskopen konnten ermitteln, dass sich die Umlaufzeit von Dimorphos von ursprünglich 11 Stunden 55 Minuten um 33 Minuten verkürzt hatte – vorhergesagt waren nur 10 Minuten.
Der Einschlag veränderte messbar die Umlaufbahn von Dimorphos – eine Art Mond des größeren Asteroiden Didymos. „Damit wurde gezeigt, dass wir die Bahn eines eventuell auf Kollisionskurs befindlichen Asteroiden verändern können“, sagte der Asteroidenexperte Detlef Koschny, Professor für Lunare und Planetare Exploration an der Technischen Universität München.
Wir brechen jetzt in eine neue Ära der Menschheit auf, in der wir die Möglichkeit haben könnten, uns gegen den Einschlag eines Asteroiden zu schützen“, hieß nach dem Einschlag von der NASA.
Hera, in der griechischen Mythologie die Frau von Zeus und Göttin von Ehe und Familie, wird nun auf den Weg zum Doppelasteroiden geschickt, um zu untersuchen, wie genau sich die Umlaufzeit und Gestalt der Asteroiden verändert haben. Hierzu ist die Sonde mit zwölf Messinstrumenten ausgestattet. Unter den wichtigsten sind die beiden Asteroid Framing Cameras (AFC). Die zwei in Jena gebauten, redundant ausgelegten, monochromatischen Kameras werden zudem genutzt, um die Position der Raumsonde im Asteroidensystem zu bestimmen.
Zwei Landungen auf dem „Zweigestaltigen“
Der Name Dimorphos bedeutet übersetzt „der Zweigestaltige“, was auf seine veränderte Form nach dem Einschlag abzielt. Um diese zu untersuchen und Veränderungen aufzuspüren, wird das Hera-Wissenschaftsteam aus den Bildern der Framing Cameras ein digitales Geländemodell der Asteroiden berechnen.
„Entstand auf Dimorphos ein Krater? Wurde der gesamte Asteroid verändert? Wurde auch die Oberfläche von Didymos von Auswurfmaterial getroffen? Diese Fragen wollen wir mit unserem digitalen Geländemodell beantworten“, sagte der wissenschaftliche Leiter der Kameras, Dr. Jean-Baptiste Vincent vom DLR-Institut für Planetenforschung.
Hera führt zudem zwei sogenannte CubeSats, Juventas und Milani, mit sich, zwei Mini-Satelliten, die jeweils die Größe eines Schuhkartons haben. Sie werden Dimorphos aus nächster Nähe beobachten und in der Schlussphase der Mission sogar auf dem Asteroiden landen, um dessen Oberfläche, innere Struktur und Gravitation zu messen.
Durch die Messungen soll die exakte Masse von Dimorphos ermittelt werden, die zuvor bereits durch die Kameras bestimmt wurde. Die Bestimmung der Masse ist erforderlich, um nachvollziehen zu können, wie effektiv die Ablenkung durch DART genau war.
Aus den gewonnenen Daten kann anschließend berechnet werden, wie die Ablenkung von anderen Himmelskörpern gelingen kann. Für den Fall eines Asteroiden auf tatsächlichem Kollisionskurs wird dies die Grundlage einer echten planetaren Ablenkmission sein. Zudem werden die gesammelten Daten einen weiteren Meilenstein für die Asteroidenforschung im Allgemeinen darstellen.
Deutschland maßgeblich an Hera beteiligt
„Vor 66 Millionen Jahren schlug ein Asteroid in Mexiko ein und war sehr wahrscheinlich die Ursache für das Aussterben der Dinosaurier. Träfen große Asteroiden die Erde, wäre das eine reale Bedrohung für unseren Planeten und die gesamte Menschheit. Mit unserer Mission Hera erweitern wir unser Wissen über Asteroiden und leisten zusammen mit NASA, JAXA, ESA sowie weiteren Raumfahrtagenturen einen großen Beitrag auf dem Weg zu einer wirksamen planetaren Verteidigung unserer Erde“, sagte Dr. Walther Pelzer, DLR-Vorstand und Generaldirektor der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Hera wird wie die meisten ESA-Missionen vom Kontrollzentrum in Darmstadt aus gesteuert. Deutschland ist zudem an der ESA-Mission als größter Beitragszahler mit etwa 130 Millionen Euro beteiligt. Das entspricht etwas mehr als einem Drittel (37 Prozent) der Kosten. Pelzers Mitarbeiter koordinieren diese deutschen ESA-Beiträge mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
Sowohl die DLR-Einrichtung für Raumflugbetrieb und Astronautentraining in Köln als auch das DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin sind wissenschaftlich an der Mission beteiligt. Die Hera-Sonde wurde von der Firma OHB SE in Bremen entwickelt und gebaut. Eine neu entwickelte Antenne aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff stammt von der Münchner Firma HPS. Die beiden Asteroid Framing Cameras kommen von Jena-Optronik. Die TU Dresden ist maßgeblich an der Entwicklung des Radarexperiments auf dem Cubesat Juventas beteiligt. Zudem unterstützen deutsche Forscher die wissenschaftliche Auswertung der gewonnenen Daten der Mission.
„Wir bereiten uns seit Monaten vor“, sagte der Leiter des ESA-Kontrollzentrums, Simon Plum, zum anstehenden Start. „Wir sind auf einem guten Weg und zuversichtlich, dass wir so gut wie möglich vorbereitet sein werden.“
Das Programm der ESA für Weltraumsicherheit arbeitet indes bereits an einer weiteren Asteroidenmission. „Ramses“ (Rapid Apophis Mission for Space Safety) soll 2029 den Asteroiden Apophis bei seinem Vorbeiflug an der Erde untersuchen.
(Mit Material des DLR)
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