Hat die NASA 1976 Leben auf dem Mars gefunden – und ausgelöscht?

Die NASA könnte bereits vor fast 50 Jahren Leben auf dem Mars gefunden – und unbeabsichtigt zerstört haben, bevor man es nachweisen konnte, so ein Berliner Astrobiologe. Demnach könnte es unmittelbar unter der Marsoberfläche mikrobielles Leben geben.
Selbstportrait des Viking-2 Landemoduls. Die Marsmission landete am 3. September 1976 in der „Utopischen Ebene“. Das runde Bauteil oberhalb des Landers ist die zur Erde ausgerichtete Antenne. Hat die Sonde bei Versuchen vor über 45 Jahren Leben auf dem Mars gefunden?
Selbstportrait des Viking-2 Landemoduls. Die Marsmission landete am 3. September 1976 in der „Utopischen Ebene“. Das runde Bauteil oberhalb des Landers ist die zur Erde ausgerichtete Antenne.Foto: NASA/JPL
Von 12. September 2023

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Am 20. Juli 1976 landete mit „Viking 1“ das erste voll funktionsfähige Raumschiff auf dem Mars. Bereits am 3. September desselben Jahres folgte „Viking 2“. Die Ziele waren genau festgelegt: Hochauflösende Bilder der Marsoberfläche gewinnen, die Zusammensetzung der Marsoberfläche und -atmosphäre charakterisieren – und nach Leben suchen.

Letztere Aufgabe konnte bis heute nicht erfolgreich abgeschlossen werden und die Frage nach Leben auf dem Mars wird, je nach aktueller Forschungslage, mehr oder weniger optimistisch verneint.

Unstimmigkeiten der ersten Stunde

Die Viking-Sonden schickten eine Vielzahl an Daten zur Erde, die auf Mikrofilmrollen in den Archiven der NASA schlummern. David Williams, Wissenschaftler für planetarische Datenpflege, erinnert sich: „Es gab eine Zeit, da war der Mikrofilm das Archiv der Zukunft.“

„Ich weiß noch, wie ich den Mikrofilm zum ersten Mal in der Hand hielt und dachte: ‚Wir haben dieses unglaubliche Experiment durchgeführt, und das ist alles, was übrig ist‘“, so Williams. „Wenn ihm etwas zustoßen würde, wäre er für immer verloren. Ich konnte nicht einfach jemandem den Mikrofilm zum Ausleihen geben, denn das war alles, was es gab.“ Seit Aufkommen des Internets arbeitet er an der Digitalisierung der Daten.

Die Streitigkeiten um die Interpretation der Ergebnisse begann jedoch nicht erst mit der breiten Verfügbarkeit der Daten. Bereits seit der ersten Datenanalyse sind sich die Wissenschaftler uneins, ob die Experimente beweisen, dass der Mars tatsächlich Leben beherbergt.

„Keine Körper, kein Leben“

In jeweils vier Experimenten untersuchten die Viking-Lander den Marsboden: Sie suchten mittels Gaschromatographen-Massenspektrometer (GCMS) zum einen nach organischen oder kohlenstoffhaltigen Verbindungen im Marsboden. Zum anderen nach Anzeichen für Stoffwechsel mithilfe von radioaktiv markierten Nährstoffen durch die Analyse von Kohlenstoff sowie die Beobachtung eines möglichen Gasaustauschs. Mikroben, so es sie im Marsboden gebe, würden die Nährstoffe wahrscheinlich verstoffwechseln und Kohlendioxid oder Methan freisetzen, lautete die Theorie.

Die Ergebnisse waren indes durchwachsen: Die Nährstoff- und Kohlenstoff-Experimente erbrachten kleine Veränderungen in den Konzentrationen einiger Gase und unterstützen die Vorstellung von Leben auf dem Mars. Spuren von chlorierten organischen Verbindungen im Marsboden wurden zunächst als Verunreinigung durch die vor dem Start verwendeten Reinigungsmittel gedeutet. Heute ist aus weiteren Missionen bekannt, dass diese tatsächlich natürlich auf dem Mars vorkommen.

Hingegen lieferte das Gasaustauschexperiment ein eindeutig negatives Ergebnis, was den damaligen NASA-Wissenschaftler Gerald Soffen zu der Aussage verleitete: „No Bodies, no life“ – Keine Körper, kein Leben. Mit anderen Worten: Ohne organische Verbindungen könne es kein Leben auf dem Mars geben.

Die bis heute gängige, aber umstrittene Erklärung für die widersprüchlichen Experimente ist, dass nicht-biologische Eigenschaften des Marsbodens zu einem falsch positiven Ergebnis führten.

Für neue Diskussionen – und den Anstoß zur Digitalisierung der Viking-Daten – sorgte nach der Jahrtausendwende die Anfrage von Joseph Miller, Professor für Pharmakologie an der American University of the Caribbean School of Medicine. Nach seiner Analyse der Daten kam er zu dem Schluss, dass eines der Experimente tatsächlich Beweise für die mögliche Existenz von Leben auf dem Mars lieferte.

Der Mensch braucht Wasser, setze ihn in den Ozean …

Prof. Dr. Dirk Schulze-Makuch, Astrobiologe an der Technischen Universität Berlin, hat noch eine andere Theorie. Anfang Juni stellte er auf einer Fachtagung die Hypothese auf, dass Viking Leben gefunden hat, die Untersuchung jedoch zum Absterben führte und es daher in den Ergebnissen nicht mehr nachweisbar war.

Konkret könnte es sich dabei um winzige, trockenresistente Mikroben handeln. Ähnliche Mikroben leben auf der Erde und könnten hypothetisch auch auf dem Roten Planeten leben. Speziell diese Mikroben könnten durch die Experimente jedoch überfordert gewesen sein: In zwei Versuchen wurde dem Marsboden Wasser beigesetzt, zu viel, glaubt Schulze-Makuch und vergleicht die Mars-Mikroben mit denen irdischer Wüsten.

„Da die Erde ein Wasserplanet ist, schien es vernünftig, dass die Zugabe von Wasser das Leben in der extrem trockenen Umgebung des Mars zum Vorschein bringen könnte“. Dieser Ansatz, schrieb Schulze-Makuch nach der Tagung, sei vielleicht zu viel des Guten gewesen.

In der chilenische Atacama-Wüste habe er gelernt, „dass es eine allmähliche Entwicklung von Lebensformen gibt, wenn der Lebensraum immer trockener wird“. Am Ende finde man Mikroben, die ausschließlich in Salzgestein leben, sich den hygroskopischen Effekte bestimmter Salze zunutze machen und gänzlich ohne Regen überleben können. Der angesprochene Effekt ist derselbe, der Salz oder Zucker verklumpen lässt, wenn sie Feuchtigkeit aus der Umgebung aufnehmen.

Für Mikroben, die mit derart geringen Mengen Feuchtigkeit leben, bedeutet die Zugabe von Wasser „einfach ausgedrückt, sie zu ertränken“, so Schulze-Makuch. Das wäre, „als würde ein außerirdisches Raumschiff Sie halb tot in der Wüste finden, und Ihre Möchtegern-Retter beschließen: ‚Der Mensch braucht Wasser. Lasst uns den Menschen mitten in den Ozean setzen, um ihn zu retten!‘ Auch das würde nicht funktionieren.“

Leben erklärt widersprüchliche Messwerte

Die eigentlichen Fragen für den Astrobiologen lauten daher, ob der untersuchte Marsboden hygroskopische Salze enthält und ob die relative Luftfeuchtigkeit an diesen Stellen hoch genug ist. Beides gilt es zu bejahen.

Zwar landeten die Viking-Sonden in eher salzarmen Regionen nahe des Marsäquators; dort enthalte der Boden jedoch viel Wasserstoffperoxid und Perchlorate – zwei sehr hygroskopische Verbindungen. Der ebenfalls von den Sonden beobachtete Nebel bedeutet zudem 100 Prozent „Luft“-Feuchtigkeit. Mit anderen Worten, „prinzipiell wäre die relative Luftfeuchtigkeit in den Morgen- und Abendstunden hoch genug gewesen, damit die Mikroben die Feuchtigkeit aufsaugen konnten.“

Ferner unterstützt wird diese Theorie durch die widersprüchlichen Viking-Daten selbst: Die Kohlenstofffreisetzung wurde zunächst unter trockenen Bedingungen untersucht und erbrachte positive Ergebnisse für Leben. Der gleiche Versuch, durchgeführt unter feuchten Bedingungen, ergab indes noch geringere Werte als ein Kontrolldurchlauf, der so angelegt war, dass keine Biologie im Spiel gewesen sein konnte.

Und auch Wasserstoffperoxid (H₂O₂) spricht nicht gegen Lebensformen, obwohl es auf der Erde der Reinigung und Sterilisation dient. Einerseits produzierten viele Mikroben im Mund des Menschen Wasserstoffperoxid und der Bombardierkäfer besprüht Angreifer mit 25-prozentigem H₂O₂-Lösung. Andererseits hätte ein Wasser-Wasserstoffperoxid-Gemisch weitere Vorteile und halte zum Beispiel Wasser bei den eisigen Temperaturen auf dem Mars flüssig – was wiederum die Bildung von Eiskristallen verhindere, welche Zellen zerstören würden.

„Wenn man davon ausgeht, dass sich das Leben auf dem Mars an seine Umwelt angepasst haben könnte, indem es Wasserstoffperoxid in seine Zellen aufnahm, könnte dies die Viking-Ergebnisse erklären“, fasst Schulze-Makuch zusammen. „Das GCMS erhitzt Bodenproben vor der Analyse. Wenn die Marszellen Wasserstoffperoxid enthielten, hätte das die Zellen getötet. Außerdem hätte dies dazu geführt, dass H₂O₂ mit organischen Molekülen in der Nähe reagiert und große Mengen Kohlendioxid gebildet hätte – und genau das hat das Gerät festgestellt.“

Eine neue Mission zum Mars?

Während Alberto Fairén, Astrobiologe der Cornell University, gegenüber „Live Science“ erklärte, dass er Schulze-Makuch „voll und ganz zustimmt“ sind andere Wissenschaftler der Meinung, dass es eine natürliche, nicht lebendige Erklärung gebe. Demnach könne das 2007 von der Viking-Nachfolgerin „Phoenix“ nachgewiesene Perchlorat „die Gase in den ursprünglichen Viking-Ergebnissen angemessen erklären“.

Chris McKay, Astrobiologe am Ames Research Center der NASA, teilte seinerseits mit, dass diese Erkenntnis im Wesentlichen „das Viking-Dilemma gelöst hat“. Weiter schrieb er: „Es gibt keinen Grund, eine seltsame neue Art von Leben heraufzubeschwören, um die Viking-Ergebnisse zu erklären“ und erklärte, dass Wissenschaftler, die weiterhin an den Ergebnissen der Viking-Lander herumdoktern, ihre Zeit verschwenden.

Schulze-Makuch sieht indes die NASA und andere Raumfahrtagenturen in der Pflicht: „Wie ich schon früher argumentiert habe, brauchen wir eine neue Mission zum Mars.“ Diese solle sich „in erster Linie dem Nachweis von Leben widmen, um diese und andere Hypothesen zu testen“ und potenzielle Lebensräume auf dem Mars erkunden.

Beispielsweise könnte im südlichen Hochland Leben in oberflächennahem Salzgestein existieren. Diese könnte man sogar ohne Bohrung erreichen, was die Komplexität und Kosten senken würde. „Ich kann es kaum erwarten, dass eine solche Mission gestartet wird.“



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