„Großer Ring“: Zweite kosmische Megastruktur widerspricht der Physik
Es ist bereits die zweite ultragroße Himmelsstruktur, die die Doktorandin Alexia Lopez von der University of Central Lancashire entdeckt hat. Bereits vor zwei Jahren entdeckte die Astronomin den sogenannten „Riesenbogen“ mit seinen 3,3 Milliarden Lichtjahren im Durchmesser.
Die Entdeckung einer zweiten ultragroßen Struktur in den Tiefen des Universums stellt indes einige der grundlegenden Annahmen der Physik infrage. „Keine dieser beiden ultragroßen Strukturen ist mit unserem derzeitigen Verständnis des Universums leicht zu erklären. Ihre extrem großen Ausmaße, ihre besonderen Formen und ihre kosmologische Nähe müssen uns sicherlich etwas Wichtiges sagen – aber was genau?“, so Lopez.
Der „Große Ring“ – wie er von Astronomen genannt wird – ist 9,2 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt, hat einen Durchmesser von etwa 1,3 Milliarden Lichtjahren und einen Umfang von etwa vier Milliarden Lichtjahren. Wäre er am Himmel sichtbar, würde der Durchmesser des Rings etwa 15 Vollmonden entsprechen.
Bemerkenswerterweise befinden sich der Große Ring und der Riesenbogen in der gleichen kosmologischen Nachbarschaft, sind in der gleichen Entfernung und zur gleichen Zeit zu sehen und liegen am Himmel nur 12 Grad auseinander.
Ja, nein, vielleicht
Zunächst gingen die Forscher davon aus, dass die sogenannten Baryonischen akustischen Oszillationen (kurz BAOs) etwas mit den Megastrukturen zu tun haben. „BAOs entstehen durch Schwingungen im frühen Universum und sollten heute, zumindest statistisch gesehen, als kugelförmige Schalen in der Anordnung von Galaxien erscheinen“, erklärte Lopez. Dann fügte sie hinzu: „Eine detaillierte Analyse des Großen Rings ergab jedoch, dass er nicht wirklich mit der BAO-Erklärung vereinbar ist.“
Der Große Ring ist zu groß und nicht kugelförmig.“
Für die Wissenschaftler um Lopez steht fest: Es müssen andere Erklärungen her.
Mit der CCC-Theorie („Conformal Cyclic Cosmology“, zu Deutsch: „zyklische konforme Kosmologie“) von Nobelpreisträger Sir Roger Penrose oder den sogenannten kosmischen Strings könnten vielleicht zwei mögliche Erklärungen vorliegen – doch sicher ist das nicht.
Somit stellt der Große Ring ähnlich wie der Riesenbogen das bisher angenommene kosmologische Prinzip noch etwas länger infrage.
Darf es noch etwas größer sein?
„Das kosmologische Prinzip geht davon aus, dass der Teil des Universums, den wir sehen können, eine gute Stichprobe für das ist, was uns im Rest des Universums erwartet“, so Lopez. „Wir gehen davon aus, dass die Materie überall im Raum gleichmäßig verteilt ist und dass es in einem großen Maßstab betrachtet ab einer bestimmten Größe keine auffälligen Unregelmäßigkeiten mehr geben sollte.“
Die derzeitige Theorie besagt, dass es eigentlich nur Strukturen mit einer Größe von bis zu 1,2 Milliarden Lichtjahren geben dürfte. Die beiden Megastrukturen zeigen jedoch, dass Größeres nicht unmöglich ist. Weiter erklärte Lopez:
Nach den derzeitigen Theorien hielten wir Strukturen dieser Größenordnung nicht für möglich. Wir konnten vielleicht eine einzige riesige Struktur in unserem gesamten beobachtbaren Universum erwarten. Doch der Große Ring und der Riesenbogen sind gleich zwei davon – und dann auch noch in kosmologischer Nachbarschaft.“
Sollten der Große Ring und der Riesenbogen zusammen irgendwann eine noch größere Struktur bilden, stehen die Forscher vor noch viel größeren Fragen.
„Großer Ring“ ist eher ein Korkenzieher
Für den irdischen Betrachter erscheint der Große Ring am Himmel als ein fast perfekter Ring. Die Analyse von Lopez und Kollegen offenbart jedoch, dass die Megastruktur eher die Form einer Spirale hat – wie ein Korkenzieher, der auf die Erde ausgerichtet ist.
Sein großer Bruder, der Riesenbogen, zeigt sich dagegen als eine riesige, fast symmetrische Sichel von Galaxien. Er macht etwa 1/15 des Radius des beobachtbaren Universums aus und ist damit doppelt so groß wie der berühmte Galaxienhaufen „Sloan Great Wall“.
„Der Große Ring und der Riesenbogen sind gleich weit von uns entfernt und liegen in der Nähe des Sternbilds Bärenhüter. Das bedeutet, dass sie zur gleichen kosmischen Zeit existierten, als das Universum nur halb so alt war wie heute“, so Lopez. „Die Identifizierung von zwei enorm großen Strukturen in einer so engen Nachbarschaft lässt die Möglichkeit aufkommen, dass sie zusammen ein noch außergewöhnlicheres kosmologisches System bilden.“
Was im ersten Moment sehr nah klingen mag, ist jedoch unendlich weit von uns entfernt. „Die Daten, die wir hier betrachten, haben die Hälfte der Lebenszeit des Universums gebraucht, um zu uns zu gelangen. Sie stammen also aus einer Zeit, in der das Universum etwa 1,8 Mal kleiner war als heute“, erklärte Lopez.
Die Erkenntnisse ihrer Forschung präsentierte Alexis Lopez am 10. Januar 2024 auf der 243. Tagung der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft (AAS).
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