Weltklimarat schlägt Alarm – das Paradoxon des Klimawandels

Der Weltklimarat prognostiziert in seinem neuen Bericht ein baldiges Überschreiten der 1,5-Grad-Erwärmung. Es ist ein weiterer Appell an die Regierungen, den Klimawandel zu bekämpfen. Dabei widersprechen einige Tatsachen den Aussagen des IPCC.
Weltklimarat
Der Weltklimarat warnt erneut vor der Erderwärmung. Doch ist es wirklich so schlimm wie geschildert?Foto: iStock
Von 23. März 2023

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Ohne drastische Minderungen der „klimaschädlichen Treibhausgasemissionen“ noch in diesem Jahrzehnt soll das 1,5-Grad-Ziel der Erderwärmung bereits in den 2030er-Jahren überschritten werden. Das behauptet der neueste „Synthesebericht“ des Weltklimarats (IPCC) vom Montag, 20. März, – und alarmiert über mögliche katastrophale Auswirkungen durch Klimaveränderungen.

„Der Klimawandel ist eine Bedrohung für das menschliche Wohlbefinden und die Gesundheit des Planeten“, heißt es in dem in Interlaken (Schweiz) präsentierten Bericht. Allerdings ignoriert der Bericht, dass der Klimawandel ein ständiges Phänomen ist, das sich seit Millionen von Jahren auf unserem Planeten ereignet.

Klimawissenschaft ist laut dem niederländischen Wissenschaftsjournalisten Marcel Crok ein sehr weitläufiges Feld. Sie umfasst mindestens 100 unterschiedliche Bereiche wie Geologie, Meteorologie, Physik und Astronomie.

1,1-Grad-Marke überschritten – zum zweiten Mal

Die Erderwärmung soll bereits bei rund 1,1 Grad liegen. Als Referenz- oder Startwert nimmt der Weltklimarat die Temperatur zur vorindustriellen Zeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Zu diesem Zeitpunkt war es laut Crok aber unnatürlich kalt. „Das ist nicht das durchschnittliche Wetter des Holozäns.“ Von diesen 1,1 Grad war bereits 2016 die Rede. Allerdings schwanken die Angaben je nach Quelle. So hat etwa „The Weather Chanel“ im vergangenen Jahr berichtet, dass es 2016 bereits 1,2 Grad „zu warm“ war.

Der IPCC-Bericht gibt auch an, dass fast die Hälfte der Weltbevölkerung – bis zu 3,6 Milliarden Menschen – in Regionen leben, die besonders starke Folgen des sogenannten Klimawandels erleben dürften. Dabei wird jedoch nicht erwähnt, um welche Folgen es sich konkret handelt und ob sie positiv oder negativ sind.

Eine Forschergruppe aus Spanien hatte vor rund zwei Jahren Mortalitäts- und Klimadaten für 16 europäische Länder aus den Jahren 1998 bis 2012 analysiert. Der Untersuchung zufolge waren sieben Prozent der Todesfälle in diesem Zeitraum der Temperatur zuzuschreiben, wie die „Pharmazeutische Zeitung“ berichtet. Sie stellten allerdings fest, dass zehnmal mehr Menschen aufgrund von Kälte sterben als aufgrund von Hitze. Demnach wäre die Erderwärmung eine gute Sache, da dadurch die Zahl der Toten zurückginge.

Das Paradoxon der CO₂-Emissionen

Die Staaten wollten zuvor einen höheren Anstieg als 1,5 Grad möglichst verhindern. Damit die Erderwärmung die 1,5-Grad-Marke nicht oder nur vorübergehend überschreitet, müssten laut dem Synthesebericht die weltweiten von Menschen verursachten CO₂-Emissionen bis 2030 um 48 Prozent gegenüber 2019 sinken.

Derzeit steigen sie jedoch weiter an. Mit rund einem Drittel der CO₂-Emissionen gibt China mehr als jedes andere Land in die Atmosphäre ab. Allerdings gibt es einen noch weitaus größeren CO₂-Emittenten als China – die Natur. Denn natürliche CO₂-Quellen machen rund 96 Prozent der gesamten weltweiten CO₂-Menge aus. Diese Großerzeuger finden im IPCC-Bericht jedoch keine Erwähnung.

Zudem verdeutlicht ein Blick auf die erdgeschichtlichen Daten, dass der CO₂-Anteil in der Atmosphäre keinen erkennbaren Einfluss auf die globale Temperatur hat. Ebenso sind die heutigen 0,04 Prozent CO₂ ein eher niedriger Wert. Dieser war zwischenzeitlich schon um das 25-Fache höher als heute.

Wir könnten nun einfach auch am Beginn einer neuen Warmzeit sein, nachdem wir vor Kurzem erst eine kleine Eiszeit vom 15. bis zum 19. Jahrhundert hatten.

Temperatur- und CO₂-Entwicklung in erdhistorischem Maßstab. Foto: Bildschirmfoto / YouTube / Europäisches Institut für Klima und Energie

Das Paradoxon der Todesfälle

Mit dem neuen Bericht verkündet der Weltklimarat auch eine Vorgabe für 2035: 65 Prozent weniger CO₂-Emissionen als 2019. „Das Tempo und der Umfang der bisherigen Maßnahmen sowie die derzeitigen Pläne sind unzureichend, um den Klimawandel zu bekämpfen“, fasst er zusammen.

„Die Dringlichkeit, bis 2030 etwas zu tun, ist gestiegen“, sagte Mitautor Matthias Garschagen, Klimaforscher an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Schon jetzt seien Folgen wie häufigere und stärkere Hitzewellen, Überschwemmungen und Dürren deutlich, etwa die Hitze und Überschwemmungen in Indien und Pakistan sowie die anhaltende Dürre südlich der Sahara.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtete erst kürzlich, dass es in Somalia wegen der Dürre im vergangenen Jahr bis zu 43.000 zusätzliche Todesfälle gegeben haben könnte. Dabei ist es fragwürdig, ob diese Todesfälle tatsächlich den Klimaveränderungen zuzuschreiben sind. Somalia ist ein Land, das seit Längerem in Armut lebt. Dort herrschen Konflikte und Terror, wie das „Bundesministerium der Verteidigung“ berichtet. Zudem begünstigen mangelnde hygienische Zustände die Ausbreitung von Krankheiten wie etwa Cholera. Das bisher wärmste Jahr in der somalischen Stadt Luuq soll laut dem Datenportal „Hikersbay“ 1994 gewesen sein.

Darüber hinaus sind laut Daten von EM-DAT die weltweiten Todesfälle durch sogenannte Klimakatastrophen stark zurückgegangen. Sind 1920 noch knapp 500.000 Menschen pro Jahr verstorben, so waren es um 2015 bereits weniger als 40.000 Menschen. Diesen Standpunkt vertritt auch Bjorn Lomberg, Gründer des Thinktanks Copenhagen Consensus Center.

Handlungsgrundlage für Politiker

Der Weltklimarat geht in den beiden optimistischsten Szenarien mit deutlicher Emissionsminderung davon aus, dass die Erwärmung 1,5 Grad vorübergehend überschreiten dürfte, und dies für mehrere Jahrzehnte. Warum, ist klar: „Öffentliche und private Finanzströme für fossile Brennstoffe sind immer noch größer als die für Klimaanpassung und Klimaschutz“, hieß es in dem Bericht.

Grundlage für viele Politiker sind indes die pessimistischsten Szenarien aus dem letzten IPCC-Bericht. Diese sind jedoch technisch gar nicht möglich, da sich einerseits die beobachteten Werte bereits jetzt stark von den Modellen unterscheiden und andererseits die veranschlagten Emissionen dieser Szenarien niemals erreicht werden können. Vorher gingen der Menschheit die fossilen Energieträger aus.

Das neue Dokument beruht auf acht Berichten, die Tausende Wissenschaftler seit gut acht Jahren erarbeitet haben. Es soll wiederum eine Handlungsgrundlage für Politiker sein. Der Weltklimarat (IPCC) ist ein Gremium aus 195 Mitgliedsländern. Die Wissenschaftler wollen sich in diesem Jahr anschauen, wie sich die bislang versprochenen Maßnahmen mit den Klimaschutzzielen vereinbaren lassen (Global Stocktake). Das IPCC-Gremium wurde 1988 auf Initiative zweier UN-Organisationen gegründet – der Weltmeteorologie-Organisation und dem UN-Umweltprogramm. Dabei handelt es sich vielmehr um ein politisches Gremium als um ein rein wissenschaftliches.

IPCC: „Es gibt genug Geld“

Die Differenz zwischen den geschätzten Kosten der nötigen Anpassungen und den eingeplanten finanziellen Mitteln wachse, so der Weltklimarat. Er verweist darauf, dass reiche Länder ihr Versprechen von 100 Milliarden Dollar im Jahr für die ärmsten Länder noch nicht umgesetzt hätten. Dabei sei global genügend Geld vorhanden, um die Treibhausgase zügig zu reduzieren. Auch in Anbetracht des Ukraine-Kriegs und der Bankenkrise sei zu sehen, dass genügend Geld zur Verfügung stehen kann, wenn die Priorität seitens der Politik hoch genug ist.

Zudem müssten Regierungen durch Förderung von Projekten und Studien, Subventionen und Rahmenbedingungen für Investoren die richtigen Zeichen setzen. „Der Ball liegt im Feld der Politik“, sagte Mitautor Oliver Geden.

Entscheidend ist jedoch, was die Politik nun unternimmt. Denn viele Klimamaßnahmen sind ein zweischneidiges Schwert. Ist die Planung mangelhaft, verursachen sie neue Probleme in Umwelt, Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft.

(Mit Material von dpa)



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