Erleben wir bald eine neue Finanzkrise?
Zuerst war es die kryptofreundliche Bank Silvergate Capital, die in den USA ihre freiwillige Abwicklung bekannt gab. Hintergrund war, dass die Bank im Zusammenhang mit dem Krypto-Debakel im November erheblich in Schieflage geraten war.
Kurz darauf dann der Zusammenbruch der auf die Finanzierung von Start-ups der Tech-Branche spezialisierten Silicon Valley Bank (SVB) und der Signature Bank. Die SVB hatte hohe Summen in langlaufenden US-Staatsanleihen angelegt. Deren Kurse waren durch die Leitzinserhöhungen der US-Notenbank Fed gesunken.
Um Kundengelder auszahlen zu können, musste die Bank ihre gehaltenen Anleihen nun mit Milliardenverlusten verkaufen. Nach dem gescheiterten Versuch einer Notkapitalerhöhung zogen viele Kunden Gelder in Milliardenhöhe von der Bank ab – aus Angst, ihr angelegtes Geld zu verlieren.
Die Bank wurde daraufhin von den US-Aufsichtsbehörden geschlossen und unter staatliche Kontrolle gestellt. Das Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) reagierte in Deutschland auch sofort und schloss die SVB-Filiale.
Erinnerung an Lehman-Pleite
Wenig später das nächste Bankbeben: Auch die Signature Bank in New York wurde von den staatlichen Zulassungsbehörden geschlossen. Die US-Regulierer kündigten noch am selben Tag in einer gemeinsamen Stellungnahme eine Absicherung aller Einlagen bei den Geldhäusern an.
Die Erinnerungen an die Lehman-Pleite war plötzlich wieder da: Am 15. September 2008 musste die US-amerikanische Investmentbank Lehman Brothers in den Konkurs gehen, nachdem sie Milliarden an US-Dollars durch die damals herrschende US-Immobilienkrise und die Subprime-Markt-Krise abschreiben musste. Die Welt erlebte damals die schwerste Weltwirtschaftskrise seit den 1930er-Jahren. Wiederholt sich das Szenario aus dem Jahr 2008 nun wieder? Das war die Angst vieler Menschen.
Mit Credit Suisse kommt die Krise nach Europa
Mit dem wenig später erfolgten Hilferuf der Credit Suisse an die Schweizer Notenbank hatte die Bankenkrise dann Europa erreicht. Ein regelrechtes Bankenbeben erschütterte den Finanzmarkt. Die Aktien vieler Banken rauschten plötzlich in den Keller.
In den USA waren es beispielsweise die Aktien der US-Regionalbanken wie der First Republic Bank, der Western Alliance Bancorporation und der PacWest Bancorp. Auch die Aktien großer US-Banken wie JPMorgan, Morgan Stanley, Goldman Sachs & Co verbuchten zeitweise Verluste, wenn auch deutlich geringere. In Europa verlor der Branchenindex „Stoxx Europe 600 Banks“ am vergangenen Donnerstag fast sechs Prozent.
In Deutschland traf es vor allem die Commerzbank und die Deutsche Bank, die in den Sog hineingezogen wurden. So lag der Titel der Commerzbank am Ende des Handelstages am Donnerstag, 16. März, bei minus 8,71 Prozent. Der Titel der Deutschen Bank rutschte sogar 9,25 Prozent ins Minus. Erleben wir also eine Finanzkrise wie 2008?
Vermutlich nicht.
Damals Bonität – heute Liquidität
Denn jede Krise ist anders. Zwar gibt es Parallelen, aber noch wichtiger sind die Unterschiede. So waren es 2008 vor allem faule Kredite, überwiegend im Immobiliensektor, die von den Ratingagenturen viel zu gute Bonitätsnoten bekommen hatten und durch extrem unübersichtliche Eigentümerstrukturen im gesamten Finanzsystem verstreut waren. Niemand wusste damals, wer welche toxischen Papiere besaß. Es herrschte völlige Intransparenz.
Heute geht es nicht um faule Kredite, zumindest im Moment nicht. Vielmehr sind es Verluste, die durch Verschiebungen am Kapitalmarkt entstanden: Die rasch steigenden Zinsen, verursacht durch die Inflationsbekämpfung der Notenbanken, führen auch bei den sichersten Anleihen zu Kursabschlägen, weil neue, höher verzinste Papiere die alten, noch niedrig verzinsten Anleihen im Vergleich unattraktiv machen.
Die Verluste bisher entstanden also bei Banken, die viele hochliquide sichere Staatsanleihen gekauft hatten. Je nach Bilanzierung und geltenden Vorschriften werden diese Verluste bilanziert – oder auch nicht, wie zum Beispiel bei der Silicon Valley Bank, von der die Krise ausgegangen ist.
Deutsche Finanzinstitute gut gerüstet
Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) verweist daher darauf, dass die Finanzinstitute in Deutschland gut gerüstet seien: „Die deutschen Banken sind robust, stabil und widerstandsfähig“, sagte BdB-Vertreter Hilmar Zettler den Zeitungen der Funke Mediengruppe am 17. März. Der Geschäftsbereichsleiter Bankenaufsicht und Einlagensicherung erklärte unter anderem, dass seit der Finanzkrise 2008 die durchschnittliche Kernkapitalquote deutscher Banken um rund 80 Prozent gestiegen sei.
„Für Sparerinnen und Sparer greife zudem ein doppeltes Sicherungsnetz aus gesetzlicher und freiwilligen Einlagensicherung“, sagte Zettler weiter. „Damit bieten wir in Deutschland ein Sicherheitsnetz, das weltweit einzigartig ist.“
In diesem Zusammenhang sollte man auch nicht vergessen, dass die Banken heute weniger ein Bonitätsproblem, sondern ein Liquiditätsproblem haben. Wie viele Zinspapiere die jeweiligen Banken halten, das ist leicht aus den Bilanzen der Banken ersichtlich. Mögliche unrealisierte Verluste der Banken sind daher heute schätzbar, da die Transparenz heute sehr viel höher ist als 2008.
Geldsystem nicht so fragil wie vor der Finanzkrise
Gerade erst äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ zu diesem Thema. Er glaubt nicht an eine neue Finanzkrise in Deutschland und Europa: „Die Gefahr sehe ich nicht. Das Geldsystem ist nicht mehr so fragil wie vor der Finanzkrise“, so Scholz.
Er erwarte deshalb auch keine Konsequenzen für deutsche Sparer. „Die Einlagen der deutschen Sparerinnen und Sparer sind sicher. Nicht nur wegen der höheren Resilienz des Bankensystems und der strikteren Regulatorik, sondern auch aufgrund unserer Wirtschaftskraft.“
„Wir leben in einer völlig anderen Zeit“, sagte der Bundeskanzler mit Blick auf Vergleiche mit der Finanzkrise ab 2008. Gesetzgeber und Bankenaufsicht hätten ihre Lehren aus der Lehman-Pleite gezogen. Die Regulierungsvorschriften für Banken seien strenger als damals. „Und wir sehen, dass in den USA, in Großbritannien und zuletzt in der Schweiz die Verantwortlichen schnell und entschlossen gehandelt haben.“
Laut dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ sieht auch Steffen Saebisch, Staatssekretär im FDP-geführten Finanzministerium, die Ereignisse „relativ entspannt“. Die Situation sei völlig anders als bei der globalen Finanzkrise von 2008: „Es gibt einen Instrumentenkasten, der zur Verfügung steht.“ Er sei deswegen guten Mutes, dass die Bankenbranche diesen realen Stresstest bestehen werde. Für Alarmismus gebe es keinen Grund. Die Situation sei im Griff.
Vertrauen erschüttert, Risiken ignoriert
Weniger entspannt sieht es allerdings der Ifo-Präsident Clemens Fuest: Die Bankenbranche sei fragil und anfällig für Situationen, in denen Kunden massenhaft ihre Einlagen abziehen wollten und damit das jeweilige Institut ins Schwanken bringen könnten. Der Ökonom warnte: Das Vertrauen sei wieder erschüttert.
Zwischen der Situation im Jahre 2008 und heute gibt es aber auch Parallelen. Wie damals ignorierten auch heute Banken und Bankenaufseher mögliche Risiken. Das ist vor allem daher verwunderlich, da jeder Betriebswirt oder Studierende der Bankbetriebslehre das Thema „Zinsänderungsrisiko“ behandele, also die Gefahr, dass sich Zinsen über längere Zeiträume verändern können.
Schaut man auf den Bankencrash der letzten Tage, dann haben offensichtlich nicht wenige kleine und mittlere Banken genau diesen Grundsatz nicht beherzigt und für diesen Fall keine Vorsorge getroffen. Die Finanzwelt hatte sich offensichtlich zu sehr an die niedrigen Zinsen gewöhnt. Dass die Inflation so schnell anspringen würde und die Notenbanken mit Zinserhöhungen gegensteuern würden, schien außerhalb der Vorstellungswelt der Banker und Aufseher.
Große Zahlungsausfälle und Gespenst Finanzkrise ist zurück
Bisher ist die Krise noch sehr begrenzt. Wenn aber doch noch Bonitätsprobleme auftauchen sollten, beispielsweise durch sprunghaft ansteigende Zahlungsausfälle bei US-Immobilienkrediten, dann könnte das Gespenst Finanzkrise 2008 wieder zurückkommen.
In den USA haben Hauskredite mit flexiblen Zinsen in der Regel in den ersten fünf Jahren einen festen Zins, danach erst werden die Zinsen flexibel und nach bestimmten Intervallen auch angepasst. Die Erhöhung der Leitzinsen kann nun auch zu Erhöhungen der Kreditzinsen führen, was Kreditnehmer plötzlich vor große Zahlungsprobleme stellen könnte.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion