Intakte Ökosysteme trotzen Klimaveränderungen, starkem menschlichen Einfluss aber nicht

Eine neue Studie an Molluskenfossilien aus der Adria zeigt, dass Klimaschwankungen für intakte Ökosysteme kaum problematisch sind im Gegensatz zu starken menschlichen Eingriffen in die Natur. Wer unserem Planeten etwas Gutes tun möchte, sollte daher vermehrt Wert auf Natur-, Tier- und Umweltschutz legen, so die Forscher.
Mollusken in der Adria geben Hinweise auf Robustheit von Ökosysteme
Symbolbild.Foto: iStock
Von 3. Mai 2022

Eine Analyse von mehr als 70.000 Fossilien zeigt, dass Molluskengemeinschaften während der letzten Eiszeit unglaublich widerstandsfähig gegenüber großen Klimaveränderungen waren. Ein internationales Wissenschaftlerteam untersuchte die Geschichte der Ökosysteme in der Adria während zweier Warmzeiten, die an die jüngste Eiszeit anschlossen.

Die Studienergebnisse zeigen, dass größere Veränderungen der Temperatur, des Salzgehalts und des Meeresspiegels weitaus geringere Auswirkungen auf die Mollusken hatten als die derzeitige Umweltkrise. Letztere wird durch starke menschliche Aktivitäten in der Region verursacht.¹

„Es ist erschreckend, wenn man bedenkt, dass etwa 120.000 Jahre mit großen Klimaveränderungen diese Ökosysteme nicht annähernd so stark beeinträchtigt haben wie die vom Menschen verursachten Veränderungen der letzten Jahrhunderte“, so der Erstautor Michał Kowalewski, Paläontologe am Naturkundemuseum in Florida (USA).

Schäden der Ökosysteme nehmen immer mehr zu

Die Forscher wissen schon lange, dass sich die modernen Ökosysteme der Adria im Vergleich zu den historischen erheblich veränderten. „Es gibt mehrere vom Menschen verursachte Stressfaktoren für diese Ökosysteme. Einer davon ist beispielsweise die Änderung in der Landnutzung, was die Sedimentationsraten steigen lässt“, sagte Mitautor Rafał Nawrot von der Universität Wien. „Dies ist bereits im Römischen Reich der Fall gewesen, als die zunehmende Landwirtschaft zu höheren Erosionsraten führte.“

Während frühere Zivilisationen entlang der italienischen Halbinsel deutliche Spuren im Ökosystem hinterließen, fanden die meisten Veränderungen im letzten Jahrhundert statt. Demnach ist zum Beispiel der Zustrom von Düngemitteln in Flüssen ein großes Problem. Dieser löst nämlich eine Reaktion aus, wodurch mehr Sauerstoff in den Meeres- und Süßwassermilieus verbraucht wird. Die Verschmutzung durch Städte und Gemeinden führt letztlich zu einer toxischen Mischung für die Meeresbewohner.

Frachtschiffe belasten zudem die Meere durch das Einschleppen invasiver Tierarten, die als blinde Passagiere mitreisen und die einheimischen Ökosysteme stören. Am schädlichsten für die Mollusken der Adria ist jedoch die kommerzielle Fischerei. Diese zieht ihre Netze über den Meeresboden und sucht das Becken nach bodenlebenden Fischen und Muscheln ab. „Das Adriatische Meer ist das am stärksten mit Schleppnetzen befischte Gebiet der Welt“, sagte Nawrot unter Berufung auf eine aktuelle umfassende Studie².

„Es liegt wahrscheinlich an uns“

Was den Wissenschaftlern bisher fehlte, waren Daten über natürliche Störungen in der jüngeren Vergangenheit der Adria. Anhand derer können die Paläontologen die Bedeutung der aktuellen ökologischen Veränderungen beurteilen.

„Wenn man sich die Fossilien ansieht, kann man einen Bereich natürlicher Variabilität rekonstruieren. Wenn die heutige Situation aus diesem Bereich herausfällt, liegt das wahrscheinlich an uns“, sagt Hauptautor und Paläontologieprofessor Daniele Scarponi. Um die Lücke in der Geschichte der Region zu schließen, untersuchten die Forscher Sedimentbohrkerne auf marine Fossilien. Diese reichten bis ins Spätpleistozän zurück.

Die Eiszeiten waren eine turbulente Zeit für die globalen Meeresökosysteme. Der Meeresspiegel stieg und fiel, als das Wasser aus den Weltmeeren zyklisch aus den riesigen Gletschern austrat und in ihnen eingeschlossen wurde. Insgesamt gab es während des Pleistozäns etwa 17 Wechsel von wärmeren zu kälteren Perioden. Sie begannen vor etwa 2,5 Millionen Jahren und endeten mit dem bisher letzten großen Rückzug der Gletscher um 12.000 vor Christus.

Die Veränderungen, die die letzte Eiszeit mit sich brachte, sind besonders deutlich in der Adria zu sehen. Der nördliche Bereich der Adria ist mit teilweise unter 100 Metern überwiegend flach. Als der Meeresspiegel auf dem Höhepunkt der Eiszeit um etwa 120 Meter sank, lag der Großteil des nördlichen Meeres trocken und die Uferlinie verlief über 240 Kilometer südlicher als heute.

„Es wäre möglich gewesen, vom heutigen Italien nach Kroatien zu wandern“, sagte Prof. Scarponi. „Der gesamte nördliche Teil des Beckens lag trocken und wurde in eine riesige Tieflandebene verwandelt.“

Schwankt das Klima, schwankt die Anzahl der Arten

Durch die Untersuchung von Fossilien von vor, während und nach der letzten Eiszeit konnten die Forscher die Veränderungen in den Molluskengemeinschaften direkt beobachten. Ihre Ergebnisse zeigen, dass mit dem Rückgang und der Abkühlung der Ozeane kälteliebende Mollusken in der Adria gediehen, während wärmeliebende Arten zurückgingen. Trotz der starken zahlenmäßigen Verschiebung sind jedoch nur sehr wenige Arten gänzlich verschwunden, so die Forscher.

„Der Hauptunterschied zwischen den Molluskengemeinschaften ist nicht das Aussterben oder das Auftauchen neuer Arten, sondern eher Veränderungen in der relativen Häufigkeit“, so Nawrot. Als die Gletscher zurückgingen und die Adria bis zu ihren heutigen Grenzen anschwoll, kehrten die Molluskenarten zu ihrem früheren Vorkommen zurück. Hätten die Wissenschaftler nicht gewusst, dass eine Eiszeit dazwischen lag, hätte es allein aufgrund der Mollusken den Anschein gehabt, dass sich nicht viel getan hat.

„Unsere Fossilanalysen zeigen, dass sich die Gemeinschaften der Molluskenarten an den Küsten der nördlichen Adria im Wesentlichen zu einem nahezu identischen Abbild ihrer selbst zusammensetzten, als das Meer zurückkehrte“, so Kowalewski.

Die Erkenntnis, dass Mollusken dem Klimawechsel standhalten können, ist an sich schon eine gute Nachricht. Moderne Meeresgemeinschaften haben derzeit ebenfalls mit steigenden Meerestemperaturen zu kämpfen. „Die Temperaturen während der letzten Zwischeneiszeit waren einige Grad höher als heute und dennoch sehen wir die gleichen Molluskengemeinschaften“, so Prof. Scarponi. „Das bedeutet, dass küstennahe Molluskengemeinschaften wahrscheinlich auch einem leichten Temperaturanstieg standhalten werden.“

Großes Problem für Ökosysteme sind zusätzliche Stressfaktoren

Eine wärmere Welt bringt jedoch eine Reihe von Problemen mit sich, die sich gegenseitig verstärken, warnt Nawrot. „Viele Stressfaktoren wie Sauerstoffknappheit und die Auswirkungen invasiver Arten werden sich mit der Erwärmung noch verstärken, auch wenn höhere Temperaturen allein noch kein großes Problem darstellen“, sagte er.

Die Zukunft der Meeresökosysteme in der Adria und in allen Ozeanen der Welt bleibt damit eine offene Frage. Nach Ansicht der Studienautoren ist diese nur mit einer Vielzahl von Strategien zu lösen. „Studien wie diese zeigen, dass wir Maßnahmen brauchen, die lokale und regionale Bedrohungen abmildern“, sagte Nawrot. In Zukunft sollte also vermehrt der Natur, Tier- und Umweltschutz wesentlich mehr Beachtung finden, wenn wir unseren Planeten und seine Ökosysteme intakt halten wollen.

Quellen:

(1) Scarponi et al. (2022); doi.org/10.1111/gcb.16168

(2) Pitcher et al. (2022); doi.org/10.1073/pnas.2109449119

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 42, vom 30. April 2022.



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