Britische Firma baut selbsterrichtende Windkraftanlagen

Windkraftanlagen sollen den Strom der Zukunft liefern. Während Leistung und Größe steigen, erfordert ihr Bau gigantische Kräne oder Spezialschiffe. Eine Entwicklung aus England soll den Aufwand reduzieren: Die Anlagen der Firma SenseWind montieren sich (fast) von selbst.
Kein Kran nötig. Die selbst-errichtenden Windkraftanlagen übernehmen die meisten Hebearbeiten selbst.
Kein Kran nötig. Die selbst-errichtenden Windkraftanlagen übernehmen die meisten Hebearbeiten selbst.Foto: SenseWind
Von 13. Juli 2024

Hunderte Meter hoch, Tausende Tonnen schwer und hochempfindlich. Nein, die Rede ist nicht von Windkraftanlagen, sondern von den Kränen, die zu ihrem Bau verwendet werden. Weltweit gibt es nur eine Handvoll dieser Maschinen und noch weniger Hersteller. Im Rahmen der Energiewende sind ihre Dienste jedoch gefragt wie nie.

Die Erfindung und der erfolgreiche Test einer selbstmontierenden Windkraftanlage könnten dies in naher Zukunft ändern. So beabsichtigt die britische Firma SenseWind, 2027 im schottischen West Lothian eine Sechs-Megawatt-Windkraftanlage zu errichten. Einen kleineren Prototyp haben sie bereits erfolgreich montiert.

Kräne werden dabei trotzdem gebraucht, sie können jedoch wesentlich kleiner und damit günstiger ausfallen. Die größten Hebearbeiten übernimmt die Windkraftanlage selbst. Genauer gesagt, ein in den Turm der Windkraftanlage integriertes Schienensystem, das die verschiedenen Elemente in die Höhe befördern, positionieren und fixieren soll. Erst dann kommen die menschlichen Monteure zum Einsatz, um die Bauteile dauerhaft miteinander zu verbinden.

Windkraftanlagen aus dem Baukasten

SENSE-Up-Tower, so der offizielle Name des Hebesystems, verändert grundlegend die Art und Weise, wie Windkraftanlagen installiert und gewartet werden, erklärt SenseWind. Dies mache Windenergieprojekte günstiger, schneller und sicherer.

Sowohl Windräder – wie heute üblich – als auch die Ausrüstung zur Selbstmontage sind modular aufgebaut. Letztere besteht aus einer am Turm montierten beziehungsweise in den Turm integrierten Schiene, an der ein beweglicher Wagen eingehängt wird. Dieser fährt ähnlich einem Fahrstuhl am Turm auf und ab.

Die modulare Bauweise erlaubt dabei, auch die unteren Turmsegmente mit diesem „Fahrstuhl“ zu heben. Nötige Kranarbeiten beschränken sich damit auf wenige Höhenmeter, beispielsweise um die Elemente aufzurichten und auf die Hebeplattform zu stellen.

Gondel und Rotor werden ebenfalls knapp über dem Boden verbunden, nachdem die Gondel senkrecht stehend auf dem Fahrstuhl platziert wurde. Das hat den Vorteil, dass die Rotorblätter in der Horizontalen montiert werden können. Diese Vorgehensweise reduziert zusätzlich die Windlast bei der Montage in großen Höhen und damit das Unfallrisiko. Ist die Rotor-Gondel-Einheit vormontiert, fährt sie an die Turmspitze, wo sie gekippt und abgesetzt wird.

Auf und nieder, immer wieder

Die Abkürzung SENSE steht für Self-Erecting Nacelle and SErvice (selbsterrichtende Gondel und Wartung). Das System funktioniere nach Firmenangaben sowohl für Windkraftanlagen an Land als auch auf See sowie für Anlagen mit über 200 Meter Nabenhöhe. Ein Maximalgewicht der Bauteile gibt die Firma nicht an.

Das System habe zusätzlich den Vorteil, dass es während des Betriebs umgekehrt verwendet werden könne, um einen schnellen Austausch von Komponenten bis zu kompletten Rotorgondeln zu ermöglichen. Inspektionen, Reparaturen und Wartungen von Blättern und Türmen seien somit ebenfalls schneller und einfacher. Anders als bisher sind Anlagenbetreiber dabei nicht auf die Verfügbarkeiten der Mega-Kräne angewiesen, was seinerseits die Laufzeit und damit den Ertrag erhöhe.

Ein weiterer Vorteil ist, dass Zuwegungen und Kranstellplätze kleiner dimensioniert werden können. Das erleichtere vor allem den Bau von Windkraftanlagen an schwer zugänglichen Standorten.

Teststart erfolgreich

„Die Achillesferse der schwimmenden Windkraftanlagen ist das Problem, dass sie für die Wartung und den Austausch größerer Komponenten an Land geschleppt werden müssen“, erklärte Julian Brown. SENSE eliminiere das Problem, so der ehemalige Manager von Vestas.

Dass das System funktioniert, hat ein erster Test – an Land – im Jahr 2021 mit einer modifizierten Vestas V27-Rotorgondel in Nordirland gezeigt. Anlässlich der Installation auf dem 26 Meter hohen Turm sagte Patrick Geraets, CEO und Gründer von SenseWind:

„Das gesamte Team ist äußerst zufrieden mit der Leistung des Prototyps. Wir können der Windindustrie nun endlich zeigen, dass SENSE funktioniert und das Potenzial hat, viele der Installations- und Wartungsprobleme für sehr große Turbinen sowohl auf dem Festland als auch auf See zu lösen.“

Aus der Ferne betrachtet, ähnelte das kranfreie Aufsteigen der Gondel an einen Raketenstart, wenn auch einen sehr langsamen.

Anfang 2025 soll im Windpark Tormywheel in Zentralschottland eine Vestas V80 mit zwei Megawatt installierter Leistung „abheben“. Zwei Jahre später soll am selben Standort eine 6-MW-Anlage ohne Kran errichtet werden.

Für Offshore-Projekte spricht die Firma sogar von 15 Megawatt und mehr, was ebenfalls vor Schottland getestet werden soll. Diese Werte erreichen indes nur die aktuell größten Anlagen. Mit anderen Worten: Für die Entwicklung von selbstinstallierenden Windkraftanlagen ist noch Luft nach oben.

Die Umsetzung wird vom britischen Ministerium für Wirtschaft, Energie und Industriestrategie unterstützt.

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