60 Prozent der „kompostierbaren“ Kunststoffe werden nicht vollständig abgebaut
Die weltweite Plastikverschmutzung ist nach wie vor eine der größten ökologischen Herausforderungen unserer Zeit. Dennoch hat sich der Kunststoffverbrauch in den letzten 30 Jahren vervierfacht, wie der aktuelle OECD-Bericht [1] zeigt. Doch wohin geht all der Kunststoff? Weltweit wurden 2019 nur neun Prozent der Kunststoffabfälle recycelt, 50 Prozent kamen auf Mülldeponien, 19 Prozent wurden verbrannt. Weitere 22 Prozent landeten nicht in den Systemen zur Abfallbewirtschaftung.
Als Reaktion auf diese Plastikkrise haben sich mehrere Länder das Ziel gesetzt, bis 2025 alle klassischen Einwegkunststoffe abzuschaffen. Als Alternative gelten Kunststoffverpackungen, die zu 100 Prozent recycelbar oder wiederverwendbar sind, sowie kompostierbares Plastik.
Letztere werden bereits jetzt schon immer häufiger verwendet, da die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten steigt. Schon heute werden die kompostierbaren Kunststoffe für Lebensmittelverpackungen, Tüten, Becher, Teller, Besteck und Müllbeutel verwendet. Forscher des University College London (England) sprechen in ihrer Pressemitteilung jedoch von einem grundlegenden Problem mit dieser Art von Kunststoffen:
Sie sind weitgehend unreguliert, und die Behauptungen über ihre Umweltvorteile sind oft übertrieben.“
Dies bekräftigen die Wissenschaftler mit ihrer
Anfang November im Fachjournal „Frontiers in Sustainability“ erschienenen Studie [2] und zeigen auf, dass die Verbraucher häufig über die Bedeutung der Etiketten kompostierbarer Kunststoffe verwirrt sind. Dies führe schließlich zu einer falschen Kompostierung der Kunststoffe und somit dazu, dass sie nicht vollständig zersetzt werden.
(Un)kompostierbare Kunststoffe
Als „kompostierbarer Kunststoff“ wird ein Material bezeichnet, das in einer Kompostieranlage biologisch so schnell abgebaut werden kann wie andere bekannte kompostierbare Materialien. Zudem hinterlassen diese keine sichtbaren oder giftigen Rückstände. Kompostierbare Kunststoffe sind jedoch derzeit mit den meisten Systemen zur Abfallbewirtschaftung nicht vereinbar, so die Forscher. Anstatt kompostiert zu werden, landen diese schließlich entweder bei der Verbrennung oder der Deponierung.
„Der typische Verbleib auf der Deponie oder in der Verbrennung wird den Kunden in der Regel nicht mitgeteilt, sodass die Umweltaussagen für kompostierbare Verpackungen irreführend sein können“, so die Studienautorin Danielle Purkiss. In ihrem „großen Kompost-Experiment“ untersuchten Purkiss und ihre Kollegen, was die Öffentlichkeit über zu Hause kompostierbare Kunststoffe denkt, wie sie mit ihnen umgeht und ob sich der spezielle Kunststoff wirklich im heimischen Kompost vollständig auflöst.
Im Rahmen der zweijährigen Studie füllten Teilnehmer aus ganz Großbritannien zunächst eine Umfrage zu Meinungen und Verhalten in Bezug auf kompostierbare Kunststoffe und Co. aus. Anschließend wurden diese Teilnehmer eingeladen, an einem Experiment zur häuslichen Kompostierung teilzunehmen. Alle Teilnehmer des Experiments sollten zum Schluss ihren Kompost nach Spuren der von ihnen ausgewählten kompostierbaren Kunststoffartikel suchen.
„Unsere Studie entstand als Reaktion auf Rückmeldungen aus der Öffentlichkeit und von verschiedenen Interessengruppen. Sie alle zeigten viele systemische Probleme bei der Herstellung, Verwendung und Entsorgung von kompostierbaren Kunststoffverpackungen auf“, erklärt Purkiss.
Zu verwirrend zum Kompostieren
Die Ergebnisse zeigen, dass viele Menschen bereit sind, durch den Kauf kompostierbarer Kunststoffe nachhaltiger zu leben. Allerdings waren viele Teilnehmer verwirrt über die Kennzeichnung und Identifizierung dieser Kunststoffe. So ergab eine zufällige Stichprobe von 50 Abbildungen auf Artikeln, dass knapp die Hälfte keine erkennbaren Zertifizierungen oder Normen für die Heimkompostierung aufwiesen. Sieben weitere Produkte beinhalteten keine Zertifizierungen für die industrielle Entsorgung.
„Dies zeigt, dass es derzeit an einer klaren Kennzeichnung und Kommunikation mangelt“, so Purkiss. Erst wenn dies behoben ist, sind die Konsumenten laut Purkiss in der Lage, zwischen industriell kompostierbaren und zu Hause kompostierbaren Verpackungen zu unterscheiden.
Noch schockierender ist jedoch das Ergebnis, dass 60 Prozent der als Haushalts-kompostierbar zertifizierten Kunststoffe auf dem heimischen Kompost nicht vollständig zersetzt wurden. „Kompostierbare Verpackungen zersetzen sich unter den Bedingungen der Hauskompostierung im Vereinigten Königreich nicht effektiv. Dies führt schließlich zu einer Verschmutzung durch Plastik“, so Purkiss weiter.
Die Teilnehmer des Experiments gaben an, dass sie ihren Kompost in der Regel im heimischen Blumen- und Gemüsegarten verwenden. Folgt man dem Ergebnis der Studie, landet das Plastik somit unweigerlich in der Erde. Dabei ist der Kompost ein wichtiger Ort für die biologische Vielfalt, wie eingesandte Bilder der Teilnehmer zeigen. Auf ihnen konnten die Forscher 14 verschiedene Kategorien von Organismen wie Pilze, Milben und Würmer erkennen.
Eine Lösung muss her
Nun bleibt die Frage, inwieweit kompostierbare Kunststoffe eine Lösung für das derzeitige weltweite Plastikproblem sind. „Kompostierbare Kunststoffe sind potenziell nützlich für Produkte, die sich aufgrund von Verunreinigungen nicht für das Recycling eignen. Dazu gehören Teebeutel, Obstetiketten, Verpackungen von Speisen zum Mitnehmen und bestimmte Hygieneprodukte. Diese Produkte landen normalerweise auf der Mülldeponie“, erklärt Purkiss.
Für die Forscher sei es derzeit die bessere Lösung, wenn kompostierbare Kunststoffe an industrielle Kompostieranlagen geschickt würden, wo die Kompostierbedingungen geregelt sind. „Wir haben gezeigt, dass die unkontrollierte Heimkompostierung weitgehend ineffektiv ist und keine gute Entsorgungsmethode für kompostierbare Verpackungen darstellt“, so Purkiss.
Insgesamt besteht ein Bedarf an der Überarbeitung und Verbesserung von zu Hause kompostierbaren Kunststoffen. „Die Vorstellung, dass ein Kunststoff nachhaltig sein kann, ist ein weit verbreiteter Irrglaube. Nur ein System aus Produktion, Sammlung und Wiederaufbereitung eines Materials kann nachhaltig sein“, schließt Purkiss.
Die Studie erschien am 3. November 2022 im Fachblatt „Frontiers in Sustainability“.
Quellen und Literatur:
[1] OECD (2022); doi.org/10.1787/de747aef-en
[2] Purkiss et al. (2022); doi.org/10.3389/frsus.2022.942724
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