Jedem nützt es: Forscher erfinden Metall, das sich nicht ausdehnt

Normalerweise dehnt sich Metall bei Wärme aus. Forscher aus Österreich und China haben nun eine Legierung erfunden, die diesen Effekt nicht aufweist. Damit ist ihnen ein Durchbruch in der Materialforschung gelungen, mit der künftig Luft- und Raumfahrt neue Höhen erreichen können.
Was den Eiffelturm im Sommer um 10 bis 15 Zentimeter wachsen lässt, wird für die Luft- und Raumfahrt schnell zum Problem: Metall dehnt sich bei Erwärmung aus.
Was den Eiffelturm im Sommer um 10 bis 15 Zentimeter wachsen lässt, wird für die Luft- und Raumfahrt schnell zum Problem: Metalle dehnen sich bei Erwärmung aus.Foto: anyaberkut/iStock
Von 5. Februar 2025

Metall dehnt sich normalerweise aus, wenn seine Temperatur ansteigt, und zieht sich zusammen, wenn es kälter wird. Infolgedessen ist der Eiffelturm im Sommer rund zehn bis 15 Zentimeter höher als im Winter. Während die Wärmeausdehnung beim Pariser Wahrzeichen ohne größere Probleme bleibt, ist sie bei vielen technischen Anwendungen äußerst unerwünscht. Ein Beispiel sind Brücken und Gleise, deren Ausdehnung zu unerwünschten Nebeneffekten und Gefahren führen können.

Um die Risiken zu minimieren, suchen Materialforscher seit Langem nach Materialien, die unabhängig von der Temperatur immer die gleiche Länge haben. Ein bereits bekanntes Beispiel ist Invar, eine Legierung aus Eisen und Nickel, das für seine extrem geringe Temperaturausdehnung bekannt ist. Wie sich diese Eigenschaft aber physikalisch erklären lässt, war bisher nicht klar.

Widerspenstiges Metall

Jetzt gelang einem österreichisch-chinesischen Forscherteam der lang ersehnte und entscheidende Durchbruch: Mit aufwendigen Computersimulationen konnten sie nicht nur den Invar-Effekt im Detail verstehen. Sie konnten dieses Wissen auch anwenden und eine Legierung erschaffen, die noch weniger anfällig für Wärmeausdehnung ist als Invar.

Messungen der Materialforscher um Dr. Sergii Khmelevskyi von der Technischen Universität Wien zeigten, dass ihr sogenannter Pyrochlor-Magnet über einen extrem breiten Temperaturbereich von über 400 Grad seine Länge pro Grad nur um rund ein Zehntausendstel von einem Prozent änderte. Das ist mehr als dreimal weniger als Invar.

„Je höher die Temperatur in einem Material, umso stärker bewegen sich die Atome – und wenn sich die Atome stärker bewegen, brauchen sie mehr Platz, der durchschnittliche Abstand zwischen ihnen nimmt zu“, erklärte Dr. Sergii Khmelevskyi. „Dieser Effekt ist die Basis der Wärmeausdehnung, er lässt sich nicht verhindern. Aber man kann Materialien herstellen, in denen ein anderer, entgegengesetzter Effekt die Wärmeausdehnung fast exakt ausgleicht.“

Mit Dehnungsfuge gegen Wärmeausdehnung bei Metall

Um die Wärmeausdehnung bei Bauten aus Metall auszugleichen, werden Dehnungsfugen wie jene in der Rheinbrücke Breisach–Neuf-Brisach eingebaut. Foto: CrazyD, Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0

Magnetisch gegen thermisch

Khmelevskyi entwickelte mit seinem Team zunächst aufwendige Computersimulationen. Mit diesen war es möglich, das Verhalten von Materialien auf atomarer Ebene genau zu analysieren.

„Wir konnten dadurch die Ursache des Invar-Effekts besser verstehen, der dazu führt, dass sich bestimmte Eisen-Nickel-Legierungen kaum ausdehnen“, sagte der Forscher. „Es liegt daran, dass bestimmte Elektronen bei steigender Temperatur ihren Zustand ändern. Die magnetische Ordnung im Material nimmt ab, und zwar so, dass sich das Material dadurch zusammenzieht. Dieser Effekt hebt die übliche Wärmeausdehnung fast exakt auf.“

Dass die magnetische Ordnung im Material verantwortlich für den Invar-Effekt ist, war bereits bekannt. Aber erst mit den Computersimulationen aus Wien konnten Materialforscher die Details dieses Vorgangs so genau verstehen, dass nun auch Vorhersagen für andere Materialien möglich wurden.

„Zum ersten Mal steht eine Theorie zur Verfügung, die konkrete Vorhersagen für die Entwicklung neuer Materialien mit verschwindender Wärmeausdehnung machen kann“, so Khmelevskyi weiter.

Der Pyrochlor-Magnet

Um diese Vorhersagen in der Praxis zu testen, arbeitete Khmelevskyi mit dem Team von Prof. Yili Cao von der Technischen Universität in Beijing, China, zusammen. Mit vereinten Kräften konnten die Wissenschaftler so ein ähnliches Metall erschaffen und kürzlich vorstellen: den Pyrochlor-Magnet.

Im Gegensatz zu klassischen Invar-Legierungen, die nur aus zwei Metallen bestehen, besteht der Pyrochlor-Magnet gleich aus vier Komponenten: Zirkonium, Niob, Eisen und Kobalt. „Daraus entstand ein Material mit einem extrem niedrigen Wärmeausdehnungskoeffizienten – und zwar über einen bisher unerreicht großen Temperaturbereich hinweg“, erklärte Yili Cao.

Möglich machte dies die besondere Struktur des Metalls, die nicht perfekt und immer auf dieselbe Weise wiederholend ist. Die heterogene Zusammensetzung – manche Bereiche enthalten mehr Kobalt, andere weniger – sorge dafür, dass Teilsysteme unterschiedlich auf Temperaturänderungen reagieren. Dadurch kann man die Details der Materialzusammensetzung Punkt für Punkt so ausbalancieren, dass sich insgesamt eine Temperaturausdehnung von fast genau null ergibt.

Das Metall könnte besonders in Anwendungen mit extremen Temperaturschwankungen oder präzisen Messtechniken von Interesse sein, etwa in der Luftfahrt, der Raumfahrt oder in hochpräzisen elektronischen Bauteilen.

(Mit Material der TU Wien)



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