Infraschall aus Sicht eines Physikers: Die unhörbare Gefahr?
Das Thema Gesundheitsgefahren durch Infraschall von Windrädern folgt den Bedenken vieler Menschen, in deren Nähe Windparks gebaut werden sollen. Folglich bewegt dies auch die Windkraftindustrie, die zu ihrem Geschäftsmodell möglichst wenig Widerstand aus der Bevölkerung haben möchte.
Politik und Leitmedien erklären Infraschall gern als unbedenklich, da man ihn nicht hören kann. Weiter heißt es, auch andere Quellen wie technische Anlagen und Verkehrslärm senden Infraschall aus, dessen Druckpegel sogar größer sei als jener der Windkraft.
Klagen Betroffene dennoch über die Auswirkungen, wird eine negative psychologische Erwartung, der Nocebo-Effekt, oft als Ursache an das Unwohlsein postuliert. Außerdem gibt es Studien wie die der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg, die belegen, dass „Auswirkungen durch Infraschall von Windkraftanlagen nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht zu erwarten sind“.
Das Vorsorgeprinzip – mal gilt es und mal gilt es nicht?
Was all die genannten Argumente auslassen, ist das Vorsorgeprinzip, das insbesondere dann hervorgehoben wird, wenn es gilt, mit beispiellos niedrigen Grenzwerten für Stickoxide oder CO₂ drakonische Regulierungen in der Automobilindustrie umzusetzen. Hingegen wird beim Thema Infraschall von Windrädern gern erklärt, es gäbe keine Studien, die gesundheitliche Beeinträchtigungen beweisen würden. Welch eine subtile Umkehrung der Beweislast.
Und es gibt einen zweiten wesentlichen Unterschied: Infraschall von Verkehrslärm ist diffuser Infraschall. Er besteht aus stochastisch verteilten Frequenzen, einem Klangteppich wie das Meeresrauschen. Infraschall von Windrädern hingegen ist periodischer Natur, der bei jedem Vorbeigang eines Rotorflügels am Mast entsteht. Jedes Windrad erzeugt dabei ganz bestimmte, von der Anlagengröße abhängige Frequenzen.
Um Infraschall zu verstehen, ist zunächst ein kleiner Exkurs in die Physik nötig. Keine Sorge, ich beschränke mich auf das Wesentliche.
„Nicht hörbar“ für den Menschen
Die sprachliche Unterscheidung von Schall, Infraschall und Ultraschall beruht auf der Wahrnehmbarkeit durch das menschliche Gehör. Was der Mensch hört, bezeichnet man als Schall. Frequenzen, die das menschliche Hörvermögen nicht wahrnehmen kann, heißen, im Fall sehr tiefer Töne, Infraschall oder, im Fall sehr hoher Töne, Ultraschall. Hörbar sind diese dennoch – nur nicht für uns. So empfindet eine Fledermaus Ultraschall als hörbar und ein Wal den Infraschall.
Das menschliche Gehör ist von Natur aus so „konstruiert“, dass es Infraschall nicht hören kann, es würde sonst ständig den Herzschlag und andere Geräusche aus dem Körper wahrnehmen. Folglich ist es verfehlt, im Zusammenhang mit Infraschall davon zu reden, dass dieser harmlos sei, wenn man ihn nicht hören kann. Niemand würde auf die Idee kommen, Radioaktivität für harmlos zu erklären, weil man sie mit keinem Sinnesorgan erfassen kann.
Schall, Ultraschall und Infraschall sind sogenannte Longitudinalwellen, das heißt, die Druckänderungen schwingen in Ausbreitungsrichtung. Hörbarer Schall im Bereich von etwa 20 Hertz (Hz) bis 20 Kilohertz (kHz), Infraschall (unter 20 Hz) und Ultraschall (über 20 kHz) unterscheiden sich physikalisch durch die Frequenz und damit durch die Wellenlänge. Die Wellenlänge (L) steht in Verhältnis zur Frequenz (f) und zur Schallgeschwindigkeit (V) im jeweiligen Medium. Die entsprechende Formel lautet:
V = L * f
Daraus resultieren die Wechselwirkungen mit der Struktur von Materie. Im Bereich des besten Hörvermögens (um 1 kHz) beträgt sie 34 Zentimeter, bei der menschlichen Hörschwelle (20 Hz) sind es bereits 17 Meter und bei unhörbarem Infraschall von 1 Hz beträgt die Wellenlänge 343 Meter (in Luft).
Das heißt, in einer Entfernung von 1.000 Meter von einem Windrad hat eine Infraschalldruckwelle je nach Frequenz nur eine oder wenige Perioden der Druckänderung durchlaufen. Infraschall reicht somit ebenso weiter wie die Bässe eines Konzertes, die man noch vom Nachbarort hört. Außerdem breitet sich Infraschall auch über den Boden als sogenannter Körperschall aus.
Druckpegel von Schall und Infraschall
Die technischen Vorschriften für „tieffrequente Geräusche“ befinden sich in der DIN 45680 und TA Lärm, der Technischen Anleitung Lärm. Beide beziehen sich auf den Schalldruckpegel und lassen das Klangbild (der Frequenzen) außer Acht. Der Schalldruckpegel (Lp) ist wie folgt definiert. Maßeinheit ist das Bel, die gebräuchliche Form das Dezibel (dB). Die Formel lautet:
Lp = 20 lg (p/p0)
Darin enthalten sind:
- Lp = Schalldruckpegel, Sound Pressure Level (SPL) in der Maßeinheit Dezibel (dB).
- p = gemessener Schalldruck.
- p0 = Hörschwelle. Sie liegt bei einer Sinusschwingung von 1 kHz bei 20 Mikropascal (µPa).
- lg bezeichnet den dekadischen Logarithmus.
Daraus ergibt sich für hörbaren Schall ein sehr weiter Bereich des Schalldruckes. Er umfasst von der Hörschwelle (p0 = 20 µPa = 0,000020 Pa) bis zu 200 Pa – entspricht 140 dB beziehungsweise einem Düsenjet aus der Nähe – über sieben Größenordnungen (10⁷) oder Faktor 10 Millionen. Dieser sehr weite Bereich ist der Grund, warum dies durch eine Logarithmusfunktion beschrieben wird.
Die Formel hat zudem zur Folge, dass sich der Schalldruck alle 20 dB verzehnfacht. 40 dB bedeuten also, dass der Schalldruck um den Faktor 100 über der Hörschwelle liegt. 80 dB sind bereits das 10.000-Fache der Hörschwelle. Den Schalldruck von zwei Windrädern mit je 70 dB kann man wegen der Logarithmusfunktion nicht zu 140 dB addieren. Bei zwei identischen Schallquellen erhöht sich der resultierende Wert um jeweils 3 Dezibel.
Die Hörschwelle
Die Hörschwelle (p0) wurde bei der Frequenz von 1 kHz festgelegt. Da das menschliche Gehör aber im Frequenzbereich von 20 Hz bis 20 kHz nicht die gleiche Sensitivität wie bei 1 kHz aufweist, erfolgt eine Anpassung. Stellen Sie sich das vor wie einen Filter.
Diese sogenannte A-Bewertung der dB-Skala für hörbaren Schall führt zur dB(A)-Skala. 85 dB(A) sind auf Dauer schädigend für das menschliche Gehör. Darüber hinaus gibt es noch weitere Bewertungen zur Anpassung der dB-Skala. Die unbewertete, ungefilterte (Zero) Skala heißt dB(Z).
Infraschall wird im Rahmen dB(G)-Skala bewertet. Sie umfasst normativ den Bereich 8 bis 100 Hz und informativ den Bereich 1 Hz bis 8 Hz.
Messung von Infraschall eines Windrades
Nun ist es nicht so, dass Windräder von sich aus Töne erzeugen, aber – wir erinnern uns an den Schalldruck – Schall hat etwas mit Druckänderungen zu tun. Bei jedem Vorbeigang eines Rotorblattes am Turm entsteht ebenfalls ein Druckunterschied. Es entsteht ein Druckimpuls mit steilen Flanken, welcher sich als Infraschall ausbreitet.
Die Frequenz (in Hz) kann man ermitteln, indem man die Vorbeigänge je Minute zählt und durch 60 dividiert. Neue, große Windräder haben eine niedrigere Frequenz – etwa 1 Hz und darunter – als ältere, kleinere Windräder. Die steilen Flanken des Druckimpulses haben die Konsequenz, dass zusätzlich zu der ermittelten Grundfrequenz mehrere ganzzahlige Vielfache entstehen, die sogenannten Oberwellen. Diese sind aus der Elektrotechnik bekannt und entstehen bei jeder von einem Sinus abweichenden Wellenform.
In tausend Metern Entfernung eines Windrades ergibt sich folgendes Bild:
Das Spektrogramm zeigt den steilen Impuls bei der Grundfrequenz (etwa 0,7 Hz) und mehrere Oberwellen im Bereich bis 8 Hz. Interessant ist der Unterschied zwischen der Messung auf einem Stativ, sprich in der Luft und jener auf der Bodenplatte, die den Körperschall erfasst, der leichter in Gebäude eindringt.
Der Körperschall (blau) zeigt zugleich, zumindest für die ersten Oberwellen, deutlich stärkere Druckimpulse und erheblich weniger Hintergrundrauschen. Dies impliziert, dass Messungen allein in der Luft nicht die gesamte Wirkung des Infraschalls von Windrädern auf Menschen in Gebäuden erfassen.
Feigenblatt verdeckt Frequenzfeuerwerk
Die Messungen des Umweltbundesamtes beweisen, dass es messtechnisch zwar nicht einfach, aber möglich ist, einen sich langsam ändernden Druckpegel (um 1 Hz) trotz Hintergrundrauschen zu messen. Es zeigt jedoch auch, dass ein einzelner Druckstoß, ausgelöst durch die Rotorflügel, ein ganzes „Feuerwerk“ von Frequenzen auslöst, ähnlich dem Quietschen einer Tür. Was sich bei einem Windpark zu einer unüberhörbaren „unhörbaren Gefahr“ potenzieren mag.
Aus dem Spektrogramm ergeben sich gemäß DIN 45680 drei Bereiche:
- Im Bereich > 8 Hz wird normativ gemessen. Obwohl dort außer dem Rauschen des Untergrundes keine Infraschallfrequenzen von neuen großen Windrädern vorkommen.
- Im Bereich 1 – 8 Hz, in dem die meisten Infraschallfrequenzen von großen Windrädern vorkommen, kann hingegen nur „nicht normativ“, also bei Verdacht gemessen werden. Dieser Bereich umfasst aber praktisch fast alle Infraschallfrequenzen von großen Windrädern.
- Im Bereich < 1 Hz wird gar nicht gemessen, obwohl dort die Infraschallgrundfrequenz und mehrere Oberwellen vorkommen können. Bei den neuesten Windrädern beträgt die Grundfrequenz 0,3 Hz. Die erste und zweite Oberwelle liegt sodann mit 0,6 respektive 0,9 Hz ebenfalls im nicht erfassten Bereich.
Im Klartext heißt dies, das von neuen großen Windrädern ausgehende Infraschallfrequenzspektrum (< 8 Hz) wird gemäß DIN 45680 weder gerichtsfest gemessen noch bewertet. Das „Hintertürchen“, dass zwischen einem und 8 Hz „nicht normativ“, also nur bei Verdacht gemessen werden kann, wirkt wie ein Feigenblatt. Neuere größere Windräder mit Grundfrequenzen < 1 Hz rücken immer weiter in den auf keinen Fall gemessenen und bewerteten Bereich.
Das organisierte Dilemma
Das Deutsche Institut für Normung (DIN) ist ein eingetragener Verein (e. V.) und wird privatwirtschaftlich getragen. Die Erarbeitung von Normen erfolgt im Konsensverfahren. Wenn folglich die Industrie einschließlich der Windkraftindustrie kein Interesse an einer bestimmten DIN-Norm hat, wird es eine solche auch nicht geben. Dies offenbart einen Handlungsnotstand. Hier müsste der Gesetzgeber einschreiten, doch dieser hat die Windkraft zu einem „öffentlichen Interesse“ erklärt, was den betroffenen Menschen wie Hohn und ein unhaltbarer Zustand vorkommen mag.
Die Frequenz ist physikalisch relevant bei der Anregung von Schwingungen durch Resonanz. Mit der „richtigen“ Frequenz, der Eigenfrequenz, kann ein Glas allein durch Schallwellen zum Zerbrechen oder eine Brücke durch Gleichschritt zum Einsturz gebracht werden – was aus diesem Grund in Deutschland gesetzlich verboten ist. Dies ist als „Resonanzkatastrophe“ bekannt.
Die Ruhefrequenz des menschlichen Herzschlags liegt bei 35 bis 45 Schlägen pro Minute, das Maximum bei etwa 140. Diese Frequenzen von 0,5 – 2,3 Hz liegen allesamt im Bereich des Infraschalls großer Windräder. Damit ist allein schon das Herz als wichtiges Organ unmittelbar der Resonanz von Infraschall ausgesetzt. Welche Organe oder Zellen auf welche Infraschallfrequenzen reagieren, wäre dringend zu erforschen.
Nervöse Ziegen übertreffen Messgeräte der Forscher
Wie Infraschall auf Tiere wirkt, zeigen Ziegen, die seit Menschengedenken bereits lange vor drohenden Vulkanausbrüchen reagieren. Deshalb arbeiten Wissenschaftler an einem biologischen Ziegenfrühwarnsystem für Vulkanausbrüche. Eine ihrer Beobachtung dabei ist: „Die Ziegen waren vor […] Ausbrüchen schon nervös, lange bevor die Instrumente der Vulkanforscher anschlugen.“ Dies widerlegt die oft geäußerte These, wenn ein Detektor gemäß einer DIN-Norm nichts feststellt, müsse es gefahrlos sein.
Die „nervösen Ziegen“ beweisen das Gegenteil. Nämlich, dass die biologische Sensorik weitaus besser sein kann als die technische. Doch gerade diese nahe liegende Erkenntnis wird den durch Infraschall Bedrohten vonseiten der Politik und Medien weitgehend verweigert.
Ein Abwiegeln und der Verweis auf alte Studien unter ganz anderen technischen Bedingungen ist verantwortungslos. Die Wirkung von Infraschall auf Menschen, Tiere, Pflanzen und komplexe Ökosysteme ist ein viel zu wichtiges Thema, als dass man es dem Geschäftsmodell der Windkraftindustrie überlassen darf. Dieser Artikel möge auf diesen Handlungsnotstand aufmerksam machen.
Über den Autor
Dieter Böhme verbrachte sein Berufsleben auf dem Gebiet der Festkörperanalytik bei verschiedenen international tätigen Firmen. Außerdem wirkte er als Strahlenschutzbeauftragter und wurde als Sachverständiger in Energiefragen sowohl in den Thüringer Landtag als auch in den Bundestag eingeladen.
In seinem „(Un-)Ruhestand“ engagiert sich der Diplom-Physiker im Sinne der Bürgerinitiativen gegen Windkraft in Thüringen und bundesweit. Zudem beschäftigt er sich mit fundamentalen physikalischen Fragestellungen, wobei ihm seine Erfahrungen aus unzähligen Kontakten zur Industrie, Instituten und Universitäten helfen, Sachverhalte in Fachbeiträgen und -vorträgen zu erklären.
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