BMW-Chefentwickler: Diesel und Benzin „noch mindestens 20 bis 30 Jahre im Einsatz“
„Für die nächsten fünf bis zehn Jahre“ bietet eine flexible Architektur für E-Autos, Hybride und Verbrenner die besten Chancen, sagt Klaus Fröhlich, Entwicklungsvorstand bei BMW. Obwohl die Bayern bis Dezember 2019 insgesamt eine halbe Million (teil-)elektrifizierte Fahrzeuge ausgeliefert haben, werde man noch 20 bis 30 Jahre Verbrennungsmotoren bauen.
Dass diese Einschätzung durchaus realistisch ist, zeigen auch die Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes. Von Januar bis Oktober 2019 wurden in Deutschland lediglich 7.957 vollelektrische BMW zugelassen. Die Bayern landen damit auf Rang drei hinter Renault (8.330) und dem vermeintlichen Autoriesen Tesla mit 9.301 neu zugelassenen E-Autos.
Von insgesamt 3.607.258 neu zugelassenen Fahrzeugen 2019 fahren 63.281 rein elektrisch. Das entspricht einem Anteil von unter 1,8 Prozent. Angesichts dieser Zahlen, klingt die Entscheidung von BMW, künftig verstärkt auf flexible Modell-Architektur zu setzten, nicht abwegig.
Elektromobilität, ja aber …
Ganz und gar von der Elektromobilität abgeneigt ist man aber auch in Bayern nicht. Klaus Fröhlich rechnet damit, dass „bis 2030 20 bis 30 Prozent des weltweiten Absatzes auf elektrifizierte Fahrzeuge entfallen werden.“ Wenn es so weit ist und „die Welt voll elektrisch wird, werden wir spezielle Architekturen entwickeln“, erklärt der Chefentwickler im Interview mit „Automotive News Europe“.
Außerdem ist sich Fröhlich sicher, dass die Elektromobilität starke regionale Unterschiede aufweisen wird und es sowohl voll-elektrifizierte Regionen, als auch Gebiete ohne ein einziges E-Auto geben wird. Als Beispiele für E-Auto-Hotspots nannte er Chinas große Städte an der Ostküste sowie an der amerikanischen Westküste und Teilen der Ostküste der USA. Der Westen Chinas, die Mitte der USA oder der hohe Norden werden „auch in 15 bis 20 Jahren noch auf Benzinmotoren angewiesen sein“.
Und in Europa? Der Chefentwickler bestätigt, was die Zulassungszahlen vermuten lassen: Auf dem heimischen Markt herrscht trotz staatlicher Anreize eine gewisse Zurückhaltung bezüglich Batterie-elektrischer Fahrzeuge, sei es aus Reichenweitenangst, durch mangelnde Infrastruktur oder aufgrund anderer technischer Probleme.
Wir gehen davon aus, dass Plug-in-Hybride bis zu 25 Prozent ausmachen […]. Benzin und Diesel werden mehr als 50 Prozent ausmachen“, so Fröhlich.
Teure Batterien und fehlende Ladeinfrastruktur
Bezüglich reiner E-Autos sieht Fröhlich zudem eine möglicherweise ungünstige Entwicklung, die die Ziele der Bundesregierung „Eine Million E-Autos bis 2022“ torpedieren könnte. Batterie-elektrische Autos „kosten mehr, weil die Rohstoffe für die Herstellung der Batterien teurer sind. Daran wird sich nichts ändern. Die Preise könnten letztendlich steigen, wenn die Nachfrage nach diesen Rohstoffen steigt.“
Die größte Herausforderung für E-Autos ist und bleibt das Laden, denn während eine einzige Zapfsäule bis zu 50 Autos pro Stunde betanken kann, blockiert ein E-Auto eine Ladesäule mehrere Stunden. BMWs Erkenntnis aus knapp einer halben Million E-Autos und Plug-In-Hybriden ist, „dass die Kunden entweder zu Hause oder im Büro aufladen. Das Aufladen an einem anderen Ort ist selten.“
Warum sich BMW trotzdem finanziell an der Gründung des europäischen Schnellladeherstellers Ionity beteiligte, erklärt Fröhlich ganz einfach: Weil wir mussten, „weil 2017 niemand bereit war, in eine Ladeinfrastruktur zu investieren.“
Weiter sagte Fröhlich: „Zu viel Schnellladung könnte die Batterie in nur zwei bis drei Jahren verschleißen, was einen Kunden angesichts der hohen Kosten für den Austausch eines Batteriepakets sehr unzufrieden machen würde“ und empfiehlt deshalb nur etwa alle 20 Ladezyklen an den Schnelllader zu fahren. Im Gegensatz dazu sprechen Tesla-Ingenieure von „hohen sechsstelligen Laufleistungen, während die Fahrzeuge oft an Superchargern hängen“, zitiert „Focus“.
Downsizing in Bayern
Nicht bei der Fahrzeug-Architektur, sondern auch in der Modellpalette und der Motorentechnik verfolgt BMW einen eher konservativen Ansatz. Downsizing heißt die Devise. Aufgrund immer vielfältigeren Vorschriften für Verbrennungsmotoren, „müssen wir unsere Motoren jedes Jahr auf den neuesten Stand bringen“, so Fröhlich.
Weil das viel Geld kostet, müssen wir unser Angebot straffen. Auf der Dieselseite wird die Produktion des 1,5-Liter-Dreizylinder-Einstiegsmotors auslaufen und der 400 PS starke Sechszylinder wird nicht ersetzt, weil er mit seinen vier Turbos zu teuer und zu kompliziert zu bauen ist. Unsere Vier- und Sechszylinder-Diesel werden aber noch mindestens 20 Jahre und unsere Benzinaggregate noch mindestens 30 Jahre im Einsatz bleiben.“
Die strengeren Vorschriften betreffen vor allem das obere Ende der bayerischen Motorenpalette. „Der V-12 hat vielleicht keine Zukunft“ und auch, „wenn es um den V-8 geht, ist es schwierig, ihn am Leben zu erhalten“, sagte Fröhlich. Dass Kunden deshalb der Fahrspaß abhandenkommt, ist unwahrscheinlich, „da wir ein Sechszylinder-Hochleistungs-Plug-in-Hybridaggregat haben, das 441 Kilowatt (600 PS) Leistung und genug Drehmoment liefert, um viele Getriebe zu zerstören.“
Neben den klassischen Antrieben setzt BMW aber auch auf Brennstoffzellen und hofft, die Preise bis 2025 auf ein erschwingliches Niveau zu senken. Dann könnte mit einem Volumen „von mehreren hunderttausend Stück gerechnet“ werden. Insbesondere im Bereich Nutzfahrzeuge sieht der Chefentwickler Potenzial für diese Technologie.
In Kooperation mit dem chinesischen Unternehmen Great Wall entwickelt BMW zudem ein neues E-Auto, dass „sich in den Ausmaßen eher nach unten, also Richtung Classic Mini, orientiert“, schreibt der „Focus“. Statt in unnötig schweren Pseudo-SUVs sieht BMW also die Zukunft der städtischen (E-)Mobilität eher im Kleinen als im Großen und ist anderen Herstellern damit möglicherweise einen Schritt voraus. (ts)
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