Alltag auf den Straßen bringt autonome Fahrzeuge an ihre Grenzen

Autonome Fahrzeuge sollen den Verkehr sicherer machen und die Zahl der Unfälle verringern. In vielen Fällen, so eine aktuelle Studie, könne die Technik das leisten, insbesondere an Kreuzungen und in der Dämmerung krache es jedoch häufiger, wenn kein Mensch hinter dem Steuer sitze. Auch andere „nicht-ideale Straßenbedingungen“ bringen Fahrautomaten und -assistenten an ihre Grenzen.
Autonome Fahrzeuge fahren nur bedingt sicherer als Menschen.
Können Roboter sicherer Auto fahren als Menschen? Laut einer neuen Studie nur bedingt.Foto: ts/Epoch Times nach NoonBuSin, AndreyPopov/iStock
Von 7. Dezember 2024

Unfälle mit autonomen Fahrzeugen bilden bisher die Ausnahme in weltweiten Unfallstatistiken, auch weil es verhältnismäßig wenige dieser Autos gibt. Betrachtet man die Details, schneiden Tesla & Co. nicht mehr so gut ab. Während autonome Fahrzeuge und fortschrittliche Fahrassistenzsysteme Standardsituation gut beherrschen, sind sie unter anderen (Straßen-)Bedingungen weit weniger sicher. Insbesondere zweimal täglich, in der Morgen- und Abenddämmerung sowie beim Abbiegen verunfallen selbstfahrende Fahrzeuge überdurchschnittlich oft.

Zu diesem Ergebnis kommen Mohamed Abdel-Aty und Shengxuan Ding vom Smart and Safe Transportation Lab (Labor für smarte und sichere Transportlösungen) an der University of Central Florida. Gemeinsam analysierten sie 2.100 Unfälle autonomer und teilautonomer Fahrzeuge und verglichen sie mit über 35.000 Unfällen, bei denen ein Mensch am Steuer saß.

Ihr Fazit? „Fahrzeuge, die mit fortschrittlichen Fahrsystemen ausgestattet sind, haben in den meisten Szenarien eine geringere [Unfall-] Wahrscheinlichkeit als Fahrzeuge, die von Menschen gesteuert werden.“

Die Formulierung lässt aufhorchen, denn „die meisten“ bedeutet lediglich „mehr als die Hälfte“. Ein genauerer Blick in die in „Nature Communications“ erschienene Studie bestätigt: Autonome Fahrzeuge sind immer dann sicherer unterwegs, wenn Routine, Ermüdung oder Ablenkung menschliche Fahrer zu Unachtsamkeit und Fehlern verleiten. Andererseits sind sie immer dann unterlegen, wenn die Situation brenzlig wird und höchste Aufmerksamkeit und Weitsicht vom Fahrer erfordert.

Zwischen Ablenkung und Aufmerksamkeit

Während Ablenkung und Ermüdung prinzipiell das größte Risiko für menschliche Fahrer darstellen, können fehlerhafte Sensoren und Datenerkennung als Achillesferse autonomer Fahrzeuge betrachtet werden.

So erkannten die Forscher einerseits, dass fahrerlose Autos sicherer rückwärtsfahren, deutlich seltener von der Fahrbahn abkommen und allgemein bei der Einhaltung von Sicherheitsabständen und Geschwindigkeitsvorschriften punkten. Daher steht außer Frage, dass, wenn Unfälle passieren, diese meist weniger schwer sind. Die Bauweise moderner Autos trägt ihren Teil zum Schutz der Insassen bei, teils auf Kosten der Unfallgegner.

Andererseits bringen „nicht-ideale Straßenbedingungen“ Fahrautomaten und -assistenten an ihre Grenzen. Wobei das Problem ist, dass derartige Straßenbedingungen zwar nicht ideal, aber dennoch eher die Regel denn die Ausnahme sind: Beim Abbiegen seien menschliche Fahrer etwa doppelt so sicher unterwegs wie (teil-)autonome Fahrzeuge, in der Dämmerung sogar mehr als fünfmal sicherer.

Autonome Fahrzeuge sind (noch) selten in Unfallstatistiken vertreten. Bestimmte Straßenbedingungen lassen sie häufiger verunfallen als normale Autos.

Autonome Fahrzeuge sind (noch) selten in Unfallstatistiken vertreten. Bestimmte Straßenbedingungen lassen sie häufiger verunfallen als normale Autos. Foto: ts/Epoch Times nach Abdel-Aty, Ding (2024), CC BY 4.0

Insbesondere kurz nach Sonnenaufgang und kurz vor Sonnenuntergang hätten autonome Fahrzeuge Schwierigkeiten. Mögliche Ursachen seien die tief stehende Sonne, starke Reflexionen sowie lange und häufige Schatten. Auch Regen – nicht zu verwechseln mit nasser Fahrbahn – kann ihnen Probleme bereiten, wie die Auswertung von Unfalldaten zeigt. Demzufolge ist zwar die Wahrscheinlichkeit, dass ein autonomes Fahrzeug im Regen verunfallt, geringer als bei einem menschlichen Fahrer, bezogen auf alle untersuchten Unfälle sind Regenunfälle autonomer Fahrzeuge jedoch anteilig mehr als doppelt so häufig vertreten.

Sicher in Standardsituationen

Grundlage der Studie von Abdel-Aty und Ding bildete eine Unfallstatistik Kaliforniens aus dem Zeitraum 2016 bis 2022. In diesem US-Bundesstaat sind autonom gesteuerte Fahrzeuge schon länger erlaubt. Außerdem flossen Daten der US-amerikanischen National Highway Traffic Safety Administration (Nationale Behörde für Straßenverkehrssicherheit, NHTSA) und dem landesweiten Verkehrsaufzeichnungssystem SWITRS in die Studie ein. Ersteres lieferte weitere Daten zu autonomen Fahrzeugen. Aus Letzterem ermittelten die Forscher vergleichbare Unfälle menschlicher Fahrer.

Anzahl der von Abdel-Aty und Ding ausgewerteten Unfällen konventioneller und (teil-) autonomer Fahrzeuge.

Anzahl der von Abdel-Aty und Ding ausgewerteten Unfällen konventioneller (l.) und (teil-)autonomer Fahrzeuge (r.). Foto: ts/Epoch Times nach Abdel-Aty, Ding (2024), CC BY 4.0

Nach Auskunft der Forscher lassen sich aus dem Einsatz von Fahrassistenzsystemen sowohl Vor- als auch Nachteile ableiten: Beispielsweise halte der Tesla-Autopilot konstant einen geringen Abstand zur Spurmitte als ein menschlicher Fahrer. Ob dies immer angebracht ist oder ein Abweichen von dieser Ideallinie unter Umständen sicherer ist, steht auf einem anderen Blatt.

In diesem Zusammenhang wenig verwunderlich ist, dass autonome Fahrzeuge in Baustellen eine höhere Unfallwahrscheinlichkeit aufweisen. In diesen ist die Mitte der Fahrspur möglicherweise schwer zu erkennen oder es erfolgen untypische Fahrzeugbewegungen, etwa durch Baumaschinen. Auch andere Verkehrsstörungen wie liegen gebliebene Fahrzeuge, verlorene Ladung oder Sicherungsmaßnahmen nach früheren Unfällen erhöhen die Unfallwahrscheinlichkeit autonomer Fahrzeuge.

Wenn es kracht, dann heftiger

Am häufigsten in der Studie von Abdel-Aty und Ding waren Auffahrunfälle. Beim Vergleich der Unfallteilnehmer zeigt sich, dass autonome Fahrzeuge geringfügig seltener anderen Fahrzeugen auffahren. Wenn es jedoch kracht, führe diese Konstellation häufiger zu mäßigen und schweren Schäden, als wenn konventionelle Fahrzeuge auf autonome auffahren.

Autonome Fahrzeuge fahren anderen zwar seltener auf; kommt es doch zu einem Unfall, sind die Schäden jedoch im Regelfall gravierender.

Autonome Fahrzeuge fahren anderen zwar seltener auf; kommt es doch zu einem Unfall, sind die Schäden jedoch im Regelfall gravierender. Foto: ts/Epoch Times nach Abdel-Aty, Ding (2024), CC BY 4.0

So resultierten über 80 Prozent der Unfälle, in denen ein menschlicher Fahrer einem autonomen Fahrzeug auffuhr, in maximal leichten Schäden, während dies andersherum – autonomes Fahrzeug rammt Fahrzeug mit Mensch am Steuer – nur für 67 Prozent der Unfälle gilt. Mit anderen Worten, wenn autonome Fahrzeuge anderen auffahren, sind die Schäden im Regelfall größer.

Woran das liegen kann, geht aus der Studie nicht hervor, jedoch würden „viele der Fahrmanöver von autonomen Fahrzeugen zur Unfallvermeidung beitragen“ – „außer beim Abbiegen“, schränken die Forscher im selben Satz ein. Hierbei mache ihnen in erster Linie fehlendes situatives Bewusstsein zu schaffen.

Autonome Fahrzeuge „zu sicher“ für unfallfreies Fahren?

Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Faktor ist, dass Fahrassistenzsysteme und -automaten überdurchschnittlich genau die Verkehrsregeln einhalten. Das hilft, Unfälle zu vermeiden, ist aber zugleich Gefahrenquelle, vor allem, wenn sich menschliche Fahrer und autonome Fahrzeuge die Straße teilen. Dies ist aus früheren Studien bekannt.

Demzufolge waren bereits im Jahr 2013 Auffahrunfälle die häufigste Art von Unfällen, in die autonome Fahrzeuge verwickelt waren. Dass dabei doppelt so oft menschliche Fahrer auf autonome Autos aufgefahren sind als andersherum, lässt darauf schließen, dass autonome Fahrzeuge möglicherweise zu defensiv fahren – und ein leichter Verstoß gegen die Verkehrsregeln etwa bezüglich Geschwindigkeit oder Abstand zum Vordermann einen Unfall vielleicht hätte vermeiden können.

Abdel-Aty und Ding formulieren dies etwas anders: Ihre Daten führen sie zu dem Schluss, „dass menschliche Fahrer im Vergleich zum autonomen Modus möglicherweise nicht so schnell reagieren oder Objekte nicht rechtzeitig bemerken, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen.“

Die Studie erschien am 18. Juni in der Fachzeitschrift „Nature Communications“.



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