Studie: Singen unter der Dusche meist musikalischer als gedacht
„Das ist Wahnsinn […]“, „Somewhere over the rainbow […]“, „Atemlos […]“: Die Liste von bekannten Ohrwürmern lässt sich unendlich fortsetzen. Doch was macht diese Lieder so präsent und unvergesslich? Diesem musikalischen Geheimrezept wollten die Psychologen der University of California, Santa Cruz, auf die Spur kommen.
Hierfür baten sie die Studienteilnehmer, ihre Ohrwürmer zu singen und aufzunehmen, egal ob nach dem Aufstehen oder in der Mittagspause. Wann immer jemand einen Ohrwurm hatte, sollte er ihn festhalten. Im Anschluss analysierten die Forscher die Aufnahmen und stellten fest, dass ein bemerkenswerter Anteil der Probanden perfekt die Tonhöhe des Originalsongs einstimmte.
Genauer gesagt wiesen 44,7 Prozent der Aufnahmen einen Tonhöhenfehler von null Halbtönen auf, und 68,9 Prozent lagen maximal einen Halbton neben dem Originalsong. „Dies zeigt, dass ein überraschend großer Teil der Bevölkerung über eine Art automatische, versteckte ‚perfekte Tonhöhe‘ verfügt“, sagte Psychologe Matt Evans.
„Interessanterweise wären die Leute wahrscheinlich ziemlich sicher, dass sie die Melodie richtig getroffen haben, aber sie wären deutlich unsicherer, ob sie in der richtigen Tonart gesungen haben“, so Evans.
Wie sich herausstellt, schienen viele Menschen mit einem hervorragenden Tonhöhengedächtnis ihre eigene Genauigkeit nicht so gut einzuschätzen. Dies würde daran liegen, dass sie nicht die Fähigkeit zur Erkennung der echten „perfekten Tonhöhe“ hätten. Im Deutschen ist diese Fähigkeit auch als „absolutes Gehör“ bekannt.
Singen wie Mariah Carey
Das absolute Gehör beschreibt die Fähigkeit, eine bestimmte Note beim ersten Versuch und ohne Vergleichstonhöhe genau zu erzeugen oder zu identifizieren. Weniger als einer von 10.000 Menschen ist dazu in der Lage – darunter berühmte Musiker wie Ludwig van Beethoven oder Mariah Carey. Wissenschaftler stellen jedoch zunehmend fest, dass ein genaues Tonhöhengedächtnis sehr viel häufiger vorkommt.
Zahlen früherer Untersuchungen ergaben, dass mindestens 15 Prozent der Menschen ein bekanntes Lied aus dem Gedächtnis in der richtigen Tonart singen konnten, wenn sie aufgefordert werden, ein Lied anzustimmen. Dies war viel häufiger, als dass es ein Zufall wäre, so die Forscher. Doch eine Frage blieb zunächst offen: Mussten sich die Hobbysänger bewusst anstrengen, um nicht schief zu singen, oder sangen sie automatisch richtig?
An dieser Stelle kamen die Ohrwürmer ins Spiel. Da sie eine Art musikalische Gedächtniserfahrung sind, die unwillkürlich auftritt, beschlossen die Forscher, diese in ihrer Studie zu verwenden. Die positiven Ergebnisse legen nahe, dass musikalische Erinnerungen und die Art und Weise, wie sie in unserem Gehirn gespeichert werden, etwas Einzigartiges sein könnten.
„Oft wird angenommen, dass das Langzeitgedächtnis den Kern einer Sache erfasst, wobei das Gehirn Abkürzungen nimmt, um Informationen zu repräsentieren. Eine Möglichkeit, den Kern von Musik zu repräsentieren, wäre, die ursprüngliche Tonart zu vergessen“, erklärte Prof. Nicolas Davidenko.
„Musik klingt in verschiedenen Tonarten sehr ähnlich, sodass es für das Gehirn eine gute Abkürzung wäre, diese Information einfach zu ignorieren. Doch es stellt sich heraus, dass sie nicht ignoriert wird. Bei diesen musikalischen Erinnerungen handelt es sich tatsächlich um hochpräzise Repräsentationen.“
Mut zur Musik
Die Forscher wollen künftig weiter die Mechanismen hinter dem musikalischen Gedächtnis entschlüsseln. In erster Linie hoffen sie jedoch, dass ihre Studie Menschen dazu ermutigt, Musik zu machen. Schließlich zeige ihre Arbeit, in der weder Musiker noch Menschen mit absolutem Gehör teilnahmen, dass in vielen Menschen eine musikalische Ader schlummere. Mit anderen Worten: Man muss keine besonderen Fähigkeiten oder professionellen Unterricht genommen haben, um Töne zu treffen.
„Musik und Singen sind einzigartige menschliche Erfahrungen, auf die sich so viele Menschen nicht einlassen, weil sie glauben, dass sie es nicht können, oder weil man ihnen gesagt hat, dass sie es nicht können“, so Evans. „Aber in Wirklichkeit muss man nicht Beyoncé sein. Dein Gehirn macht schon einiges davon automatisch und akkurat, trotz des Teils von dir, der denkt, dass du es nicht kannst.“
Die Studie erschien am 12. August 2024 in der Zeitschrift „Attention, Perception, & Psychophysics“.
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