Mensch unschuldig: Mammut und Co. verschwanden wegen zunehmender Bewaldung

Sedimentbohrkerne aus der Eifel haben Hinweise auf die Existenz und Entwicklung von Großsäugetieren in Mitteleuropa während der letzten Eiszeit gegeben. Wie Forscher berichten, war nicht der prähistorische Mensch, sondern die Zunahme von Wäldern schuld an dem Verschwinden von Mammut und Co.
Mammut und Co. wegen zunehmender Bewaldung und nicht wegen Menschen verschwunden.
Rekonstruktion eines ausgestorbenen Wollnashorn.Foto: iStock
Von 16. Dezember 2022

Über mehrere zehntausend Jahre hinweg sind Herden von Großsäugetieren wie Mammut und Bison durch die Landschaft im heutigen Mitteleuropa gezogen. Mit der zunehmenden Bewaldung zum Ende der letzten Eiszeit nahmen die Bestände jedoch ab. Schließlich verschwanden die großen Säugetiere vor rund 11.000 Jahren vollständig aus dieser Region. Die Waldentwicklung ist damit der wichtigste Faktor, der die Anwesenheit von Großsäugern in Mitteleuropa steuert, wie eine aktuelle Studie zeigt.

Im Rahmen der Studie untersuchte ein internationales Forscherteam die Ablagerungen von zwei Standorten in der Eifel. Daraus erhofften sie sich Hinweise auf die Entwicklung der Tierwelt in den letzten 60.000 Jahren. Das Ergebnis: Die eiszeitlichen Säugetiere lebten über mehrere Jahrtausende hinweg zusammen mit ihrem Jäger – dem Menschen – zusammen.

„Wir haben anhand der Sedimente aus den Eifelmaaren keine Belege gefunden, dass Jäger die Tiere ausgerottet hätten“, so Professor Dr. Frank Sirocko, Geowissenschaftler von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die in Nordamerika viel diskutierte „Overkill“- beziehungsweise „Überjagung“-Hypothese wird damit nicht bestätigt.

Auf „Sporensuche“

Für ihre Studie suchten die Forscher die Sedimentbohrkerne aus dem Holzmaar-See und dem Trockenmaar von Auel aus der Eifel nach Pollen und Pilzsporen ab. Die gefundenen Pollen gaben Hinweise auf die Pflanzenwelt in der Vergangenheit. Die Anwesenheit von Mammut und Co. belegten dagegen bestimmte Schimmelpilze, die nur auf dem Dung der großen Pflanzenfresser zu finden sind.

Anhand der Pollenkörner stellte das Forscherteam fest, dass die Eifel vor 60.000 bis 48.000 Jahren von einem Fichtenwald bedeckt war. Aufgrund mehrerer Kälteschübe verschwand dieser jedoch und die heutige Eifel kam einer offenen Waldsteppe gleich. Diese Waldsteppe prägte die Landschaft schließlich vor 43.000 bis 30.000 Jahren. Anschließend entwickelte sich die Eifel über eine Wald-Tundra zu einer mit Gras bewachsenen eiszeitlichen Polarsteppe.

Wie die Sporen auf dem eiszeitlichen Tierkot zeigen, lebten in dieser Eifellandschaft vor 48.000 bis etwa 11.000 Jahren durchgehend große Säugetiere. Die anwesenden Tierarten variierten in dieser Zeit jedoch, wie Knochenfunde aus Höhlen in Belgien und den Steinschichten des Rheintals belegen. So lebten kälteliebende Tiere wie Mammut, Wollhaarnashorn, Bison, Pferd, Rentier und Riesenhirsch dort bevorzugt während den Kaltphasen, als die Eifel eine Steppe war. Während den Warmphasen mit lichten Wäldern lebten dagegen Rothirsch, Wildschwein oder Elch in dieser Region.

Grafik zur Entwicklung der Pflanzen- und Tierwelt in den letzten 60.000 Jahren

Entwicklung der Pflanzen- und Tierwelt in den letzten 60.000 Jahren in der Eifelregion. Foto: kms/Epoch Times

Mehr Wald, weniger Nahrung für Mammut und Bison

Die Hauptursache für den Rückgang und das letztendliche Verschwinden der Großsäuger in Mitteleuropa war die Entwicklung der Wälder. „Mit der zunehmenden Bewaldung verloren die großen Pflanzenfresser wahrscheinlich ihre Hauptnahrung, nämlich Gras“, erklärt Sirocko die Zusammenhänge.

Somit stehen scheinbar nicht der Vulkanismus in der Eifel und die damit verbundenen Brände mit dem Aussterben der Großsäuger in Verbindung. Auch die Anwesenheit des prähistorischen Menschen habe laut den Forschern keinen größeren Einfluss auf die Großsäuger gehabt. Vielmehr waren Zeiten vieler Großsäuger mit einer vermehrten Präsenz des Menschen verbunden.

„Am deutlichsten sehen wir dies vor etwa 15.000 Jahren. Damals ging der höchste Bestand an Großsäugern mit der archäologisch belegten Anwesenheit von Jägern im Rheintal zeitlich einher“, so Sirocko. Der Fundplatz Gönnersdorf im nördlichen Rheinland-Pfalz wurde intensiv vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz untersucht.

Während dieser Hochzeit breiteten sich Graslandschaften aus. In diese Zeit fällt zudem der Anstieg der Sonneneinstrahlung auf der Nordhalbkugel und das erste Ansteigen des weltweiten Meeresspiegels. Letzterer führte zur Flutung der zuvor trockenen Regionen des Ärmelkanals und der Nordsee, wodurch Mammut- und andere Großsäugerherden vermutlich weiter nach Mitteleuropa wanderten. „Die vielen Eifelmaarseen und verlandeten Sümpfe […] müssen ein echter Anziehungspunkt für die Großsäuger gewesen sein“, ergänzt Sirocko. Mit den wandernden Tierherden zogen dann vermutlich auch die frühen Jäger und Sammler mit.

Beliebte Overkill-Hypothese nicht bestätigt

Weil Jäger und Großsäuger über mehrere Jahrtausende hinweg nebeneinander lebten, ist eine Ausrottung der Tiere durch den Menschen für die Forscher unwahrscheinlich, da sich für die Eifel keinerlei Belege der Overkill-Hypothese fanden. Vielmehr verließen die ersten Großsäuger die Landschaft erst, als sich vor 13.300 Jahren Birkenwälder weiter ausbreiteten. Vor etwa 11.000 Jahren verschwanden Wollhaarnashorn und Mammut vollständig, da seither dichte Wälder die Eifel bedeckten und große Tiere darin keinen Lebensraum mehr fanden.

Die weit verbreitete Overkill-Hypothese stammt von dem amerikanischen Paläontologen Paul S. Martin. Dieser stellte die Hypothese in den 1960er Jahren anhand der Clovis-Kultur auf, die in Nordamerika vor 11.000 Jahren vertreten war und durch übermäßige Jagd die Ausrottung vieler Tierarten verursacht haben sollen.

Die sogenannten „Clovis-Menschen“ lebten wie ihre europäischen Vertreter als Jäger und Sammler und wohnten nicht in festen Behausungen. Von den entdeckten Hinterlassenschaften der Clovis-Kultur stellen die meisten Jagdplätze dar, an denen die Menschen ihre erbeutete Nahrung wie Großsäuger verarbeiteten. Diese hinterlassen die deutlichsten und heute am einfachsten zu findende Spuren wie Feuerstellen, Werkzeuge und Tierknochen als Reste der Nahrungsverarbeitung.

Aufgrund ihrer höchst mobilen Lebensweise hinterließen die frühen Menschen nur wenige andere Spuren, die bis heute erhalten sind. Bleiben Spuren jedoch unberücksichtigt, weil sie beispielsweise nicht gefunden wurden oder nicht nachweisbar sind, können sie das Bild über die Vergangenheit stark verzerren. So ist auch die Theorie der Ausrottung der Mammuts durch den Menschen umstritten. Die jüngste Forschung scheint diese These weiter zu schwächen.

Die Studie erschien am 21. November 2022 in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“.

(Mit Material der Johannes Gutenberg-Universität Mainz)



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