Polarlichter: Bunt dank entspannter Atome im verbotenen Übergang

Egal ob rot, pink, lila, gelb oder grün: Polarlichter können in den verschiedensten Farben am Nachthimmel erscheinen. Doch wie genau kommen die jeweiligen Farben zustande?
Nordlichter über Seeburg (Sachsen-Anhalt)
Nordlichter über dem Süßen See in Seeburg, Deutschland.Foto: Ralf Geithe/iStock
Von 17. Oktober 2024

Immer wieder schickt eine gewaltige Eruption eine Welle energiereicher Teilchen von unserer Sonne ins All. Wenig später erreichen diese Wellen die Erde, und Menschen auf der ganzen Welt erfreuen sich am Anblick eines bunten Himmelsphänomens: Polarlichter.

Eigentlich sind sie nur in der Nähe der Erdpole zu sehen. Doch immer wieder erhellen die bunten Lichter auch Gebiete nördlich beziehungsweise südlich des Polarkreises. Da sich die Sonne dem Höhepunkt ihres elfjährigen Sonnenfleckenzyklus nähert, ist es sehr wahrscheinlich, dass in den nächsten Jahren weitere intensive Polarlichter zu sehen sind.

Wer die Auroras selbst oder auf einem Foto gesehen hat, fragt sich vielleicht, wie sie entstehen und was ihre verschiedenen Farben verursacht. Eine wichtige Rolle spielen dabei Atome, wie sie angeregt werden und wie sie sich wieder „entspannen“.

Polarlichter über Edinburgh, Schottland. Foto: Ruicheng Yao/iStock

Strahlende Entspannung

Die Polarlichter werden durch geladene subatomare Teilchen – meist Elektronen – verursacht. Jene Teilchen werden ständig von der Sonne ausgestrahlt und treffen dann auf die Erdatmosphäre. In Zeiten erhöhter Sonnenaktivität sind es mehr als im Aktivitätsminimum.

Der größte Teil unserer Atmosphäre wird durch das Magnetfeld der Erde vor dem Einströmen geladener Teilchen geschützt. Aber in der Nähe der Pole können sie sich einschleichen und Schaden anrichten, entweder an empfindlicher Elektronik oder in der Atmosphäre. Zum Beispiel, indem Atome in unserer Luft gespalten werden und folglich die Polarlichter entstehen.

Unsere Erdatmosphäre besteht zu etwa 20 Prozent aus Sauerstoff und zu 80 Prozent aus Stickstoff. Hinzu kommen Spuren anderer Stoffe wie Wasser, Argon, und Kohlendioxid.

Der Anteil der Gase in unserer Luft (Aufschlüsselung des „Rests“ rechts) schwankt je nach Standort, die Größenordnung aber bleibt: In der Atmosphäre gibt es 500-mal mehr Sauerstoff als Kohlenstoffdixid. Foto: Gemeinfrei

Wenn Elektronen mit hoher Geschwindigkeit auf Sauerstoffmoleküle (O2) in der oberen Atmosphäre treffen, spalten sie diese in einzelne Atome auf. Ultraviolettes Licht von der Sonne kann dies ebenfalls.  Die dabei entstehenden Sauerstoffatome reagieren mit anderen Sauerstoffteilchen und können Ozon (O3) bilden – jenes Molekül, das uns vor schädlicher UV-Strahlung schützt.

Im Falle der Aurora befinden sich die erzeugten Sauerstoffatome jedoch in einem angeregten Zustand. Das bedeutet, dass die Elektronen der Atome in einer instabilen Weise angeordnet sind. Doch die angeregten Atome können sich auch wieder „entspannen“, indem sie Energie in Form von Licht abgeben.

Polarlichter über einem Feld in Deutschland. Foto: Animaflora/iStock

Wie entstehen grüne Polarlichter?

Wie bei Feuerwerkskörpern bekannt ist, erzeugen Atome verschiedener Elemente unterschiedliche Lichtfarben, wenn sie mit Energie versorgt werden. Kupferatome geben ein blaues Licht ab, Barium ist grün, und Natriumatome erzeugen eine gelb-orange Farbe. Letztere ist typisch für ältere Straßenbeleuchtungen.

Diese Erzeugung von Licht läuft nach den Regeln der Quantenmechanik sehr schnell ab. Wenn sich also ein Natriumatom in einem angeregten Zustand befindet, bleibt es nur etwa 17 Milliardstel Sekunden lang in diesem Zustand, bevor es ein gelb-oranges Photon aussendet.

Im Polarlicht werden jedoch viele Sauerstoffatome in angeregten Zuständen erzeugt. So haben sie eigentlich keine Möglichkeit, sich zu entspannen und Licht auszusenden. Doch die Natur findet immer einen Weg – so auch hier.

Viele Polarlichter erstrahlen in einem kräftigen Grün. Foto: AndreAnita/iStock

Die mit Abstand am häufigsten auftretende Farbe bei den Polarlichtern ist Grün. Das grüne Licht wird von Sauerstoffatomen ausgesendet, die sich von einem Zustand namens „1S“ in den Zustand namens „1D“ entspannen. Dies ist ein relativ „langsamer“ Prozess, der im Durchschnitt fast eine ganze Sekunde dauert.

Der Übergang ist sogar so langsam, dass er bei dem Luftdruck, den wir in Bodennähe erleben, normalerweise nicht stattfindet, weil das angeregte Atom durch den Zusammenstoß mit einem anderen Atom Energie verloren hat, bevor es ein schönes grünes Photon aussenden kann. In den oberen Bereichen der Atmosphäre jedoch, wo der Luftdruck niedriger ist und daher weniger Sauerstoffmoleküle vorhanden sind, haben die Atome mehr Zeit, bevor sie aneinander stoßen, und daher die Chance, ein Photon freizusetzen.

Aus diesem Grund haben die Wissenschaftler lange gebraucht, um herauszufinden, dass das grüne Licht der Aurora von Sauerstoffatomen stammt. Das gelb-orange Glühen von Natrium war bereits in den 1860er-Jahren bekannt, aber erst in den 1920er-Jahren fanden kanadische Wissenschaftler heraus, dass das Grün des Polarlichts auf Sauerstoff zurückzuführen ist.

grüne Farbe der Polarlichter

Die grüne Farbe der Polarlichter entsteht durch Sauerstoffatome. Foto: arvitalya/iStock

Wie entstehen rote Polarlichter?

Das grüne Licht stammt von einem sogenannten „verbotenen“ Übergang. Dieser findet sehr selten und langsam statt, indem ein Elektron im Sauerstoffatom einen „unwahrscheinlichen“ Sprung vollzieht.

Doch selbst nach der Aussendung des grünen Photons befindet sich das Sauerstoffatom in einem weiteren angeregten Zustand, in dem keine Entspannung möglich ist. Der einzige Ausweg ist ein weiterer verbotener Übergang vom Zustand 1D zum Zustand 3P, bei dem rotes Licht ausgesendet wird.

Rote Polarlichter sind seltener als grüne

Wenn sich Sauerstoffatome nicht entspannen können, suchen sie sich einen „verbotenen“ Ausweg und leuchten rot. Foto: Danielle Griffin/iStock

Dieser Übergang ist sozusagen noch verbotener, weil der 1D-Zustand etwa zwei Minuten lang überleben muss, bevor er die Regeln brechen und rotes Licht aussenden kann. Weil es so lange dauert, erscheint das rote Licht nur in großen Höhen, wo es kaum zu Zusammenstößen mit anderen Atomen und Molekülen kommt. Und weil es dort oben so wenig Sauerstoff gibt, tritt das rote Licht nur bei sehr intensiven Polarlichtern auf.

Aus diesem Grund erscheint auch das rote Licht über dem Grünen. Beide entstehen durch verbotene Entspannungen von Sauerstoffatomen. Da das rote Licht viel langsamer ausgesendet wird, sind zudem die Chancen größer, dass es durch Zusammenstöße mit anderen Atomen in niedrigeren Höhen erlischt.

Rote Polarlichter erscheinen in der Regel nur in größeren Höhen. Foto: Smileus/iStock

Und die anderen Farben?

Während Grün die häufigste und Rot die zweithäufigste Farbe ist, gibt es auch noch andere Farben der Polarlichter. Insbesondere ionisierte Stickstoffmoleküle (N2+), denen ein Elektron fehlt und die eine positive elektrische Ladung haben, können blaues und rotes Licht aussenden. Dies kann in geringen Höhen einen magentafarbenen Ton erzeugen.

Polarlichter über Süddeutschland.

Aufnahme von Polarlichtern über Süddeutschland. Foto: Sebastian Beyer/iStock

Alle diese Farben sind mit dem bloßen Auge sichtbar, wenn das Polarlicht hell genug ist. Im Objektiv einer Kamera oder später auf Fotos erscheinen sie jedoch intensiver. Hierfür gibt es zwei Gründe.

Erstens haben Kameras den Vorteil einer langen Belichtungszeit. Das bedeutet, dass sie viel Zeit damit verbringen können, Licht zu sammeln, um ein Bild zu erzeugen. Dies können sie viel länger, als es unsere Augen können. Daher können Polarlichter auch leuchtend auf Fotos erscheinen, während sie mit dem bloßen Auge viel schwächer sind. Das Gleiche gilt für Sternschnuppen.

Zweitens funktionieren die Farbsensoren in unseren Augen im Dunkeln nicht sehr gut. So kommt es, dass wir bei schlechten Lichtverhältnissen eher schwarz-weiß sehen – und „nachts alle Katzen grau sind“. Kameras haben diese Einschränkung nicht. Aber kein Grund zur Sorge: Wenn die Polarlichter hell genug sind, sind die Farben auch mit bloßem Auge deutlich zu erkennen.

Starke Polarlichter mit dem bloßen Auge erkennbar

Starke Polarlichter sind mit dem bloßen Auge erkennbar. Foto: Jonah Lange/iStock

Über den Autor:

Timothy Schmidt ist Professor für Chemie an der University of New South Wales in Australien. Seine Spezialgebiete sind die Molekularspektroskopie, die Astrochemie und die Quantenchemie. Schmidt wurde für seine Forschung bereits mehrfach ausgezeichnet.

Dieser Artikel erschien im Original auf theconversation.com unter dem Titel: „What causes the different colours of the aurora? An expert explains the electric rainbow“. (redaktionelle Bearbeitung ts)



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