Von Vogel bis Wal mit Messer: 303 neue Scharrbilder in Nazca entdeckt
Die rund 2.000 Jahre alten Scharrbilder in der Nazca-Wüste von Peru sind weltberühmt. Jüngste Entdeckungen von japanischen und französischen Forschern haben gezeigt, dass es deutlich mehr dieser Erdzeichnungen gibt als bisher gedacht. So wurden über 300 neue Scharrbilder gefunden, wodurch sich die Anzahl der bekannten peruanischen Bilder nahezu verdoppelt; bislang waren etwa 430 Zeichnungen bekannt.
Während die ersten Scharrbilder in den 1920er-Jahren vom Flugzeug oder von hohen umgebenen Bergen aus entdeckt wurden, kommt heute immer mehr Technik zum Einsatz. Dazu zählen hauptsächlich Satellitenaufnahmen und Drohnenbilder. Im Fall der neuen Bilder in Peru kam erstmals zudem eine KI zum Einsatz, wie die Forscher in ihrer Studie berichten.
Ich sehe was, was du nicht siehst
Dies könnte das Motto sein, mit dem das Forscherteam um Masato Sakai von der Yamagata University sein eigenes KI-Modell entwickelte. Trainiert wurde das Modell darauf, von Drohen aufgenommene Bilder nach Anzeichen von Geoglyphen in der 620 Quadratkilometer großen Pampa von Nazca „abzuscannen“. Damit war es den Archäologen möglich, sogar die kleinsten und schwächsten Bilder sichtbar zu machen.
Diese Methode ist zudem schneller und präziser als gängige Feldarbeiten zur Kartierung der Geoglyphen. Insgesamt fanden die Archäologen binnen sechs Monaten mithilfe der KI 1.309 potenzielle Kandidaten. Die Existenz von 303 dieser Scharrbilder konnten die Archäologen im Anschluss durch Besuche vor Ort bestätigen. Möglicherweise könnten weitere rund 250 Bilder unter den restlichen Kandidaten lauern, so die Forscher.
Obwohl die Linien der neu gefundenen Geoglyphen schwach waren, konnten die Forscher Vermutungen anstellen, was sie darstellen sollen. Dazu zählen neben domestizierten Tieren auch wilde bis abstrakte Kreaturen wie einen „messerschwingenden Orca“ oder „Wal mit Schaufel“ sowie weitere Bilder, die mit menschlichen Aktivitäten verbunden sind.
Hier eine Auswahl der Geoglyphen:
Die Nazca-Kultur ist nach der gleichnamigen Stadt Nazca im Süden Perus benannt. Foto: kms/Epoch Times; nach bogdanserban/iStock
Völlig neues Bild
Mit der Entdeckung der neuen Bilder zeigt sich, dass sich die Geoglyphen nicht nur in Stil, Größe und räumlicher Verteilung unterscheiden, sondern auch im gezeigten Motiv. Die Scharrbilder werden grundsätzlich in geometrische und figürliche Bilder unterteilt, wobei die Figuren zusätzlich in Linientyp und Relieftyp differenziert werden.
Laut den Forschern zeigen die Linientyp-Geoglyphen vorwiegend Naturmotive wie Wildtiere und Pflanzen, während die Relieftyp-Geoglyphen zu 81,6 Prozent Menschen sowie Dinge, die mit ihnen in Verbindung stehen, darstellen. Außerdem sind große, durchschnittlich 90 Meter langen Motive im Linientyp gestaltet und kommen meist mit abstrakten Motiven auf engen Räumen vor, während kleine Bilder weit verstreut sind und häufig an Wegen liegen.
Ob sich dieses Bild bewahrheitet, müssen künftige Untersuchungen zeigen. Sollten weitere Scharrbilder entdeckt werden, könnte diese die sorgfältig aufgestellte Theorie der Forscher über den Haufen werfen oder bestätigen.
Wer legte die Scharrbilder an?
Als Erschaffer der Erdzeichnungen gelten die Menschen aus der Nazca-Kultur, benannt nach der gleichnamigen Stadt Nazca im Süden Perus. Diese Menschen lebten zwischen 200 vor und 600 nach Christus vor allem in der Küstenwüste, wo Nebelbänke vom Pazifik kommend die Region im Winter mit Regen versorgten.
Wahrscheinlich war die Nazca-Kultur kein zentral regiertes Reich, sondern bestand aus kleineren Stämmen. Abgesehen von der Stadt Cahuáchi, einem religiösen Zentrum knapp 30 Kilometer westlich von Nazca, sind vor allem einfache Siedlungen mit Behausungen aus Holz und Schilf bekannt, die an Flüssen liegen. Neben dem Halten von Nutztieren wie Lamas betrieben die Menschen auch Ackerbau – trotz der extrem trockenen Bedingungen. Möglich machten dies ausgeklügelte künstliche Bewässerungssysteme.
Außerdem waren die Menschen im Fischfang, in der Töpferei, im Weben und in der Medizin gut geübt. Letzteres ist durch zahlreiche erfolgreiche Operationen bei mumifizierten Bestatteten zu erkennen.
Wie wurden die Nazca-Linien gemacht?
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, wie die peruanischen Scharrbilder angelegt wurden. Zum einen „kratzten“ beziehungsweise „scharrten“ die Menschen die obere, dunkle und teils verwitterte Gesteinsschicht des Geländes ab, sodass das helle darunterliegende Sedimentgestein zum Vorschein kam. Eine zweite Variante ist das Heranbringen von anderem Gestein, mit dem die Motive „gelegt“ wurden.
Mit welchen Werkzeugen die Menschen ihre Bilder anlegten und wie viele Menschen mit einem Bild beschäftigt waren, ist nicht bekannt. Einige Archäologen vermuten jedoch, dass die Scharrbilder in Gemeinschaftsarbeit entstanden. Auch ist unklar, ob die Menschen bestimmte Hilfsmittel besaßen, um ihre Motive so exakt entstehen zu lassen, dass am Ende das gewünschte Bild entsteht.
Die Jahrtausende konnten die Geoglyphen überdauern, weil sie auf einer wüstenartigen Hochebene – etwa 500 Meter über dem Meeresspiegel – liegen, wodurch sie von Überschwemmungen verschont bleiben. Außerdem ist diese Region niederschlagsarm sowie nicht für die Landwirtschaft und als Wohnplatz geeignet gewesen.
Welchen Nutzen hatten die Scharrbilder?
Was den Zweck der Nazca-Linien anbelangt, gibt es mindestens fünf verschiedene Hypothesen. Zum einen wurden die Linien als astronomischer Kalender gedeutet, der wie Stonehenge und Co. auch eine religiöse Bedeutung gehabt haben könnte. Die Vermutungen gingen so weit, dass Geoglyphen mit Tiermotiven als Sternbilder gedeutet wurden, wofür es derzeit keine Beweise gibt.
Anderen Hypothesen zufolge waren die Scharrbilder Teil der Bewässerung für die Landwirtschaft, eine Form der Orientierung und Kommunikation, künstlerische Selbstdarstellung oder Teil von Ritualen und anderen religiösen Praktiken. Es ist nicht auszuschließen, dass letztlich mehrere Gründe zutreffen könnten.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion