Tierversuche in der Jungsteinzeit: Übten die frühen Menschen für Schädeloperationen?

Archäologen aus Frankreich untersuchten im Rahmen ihrer Forschung einen vor 40 Jahren gefundenen Kuhschädel mit Loch. Dabei stellten sie fest, dass es sich bei dem Loch nicht wie bislang vermutete um eine Kampfverletzung zweier Tiere handelt. Stattdessen fanden sie Beweise, dass das Loch von Menschen gemacht wurde.
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Symbolbild.Foto: iStock
Von 3. Juni 2020

Vor mehr als 40 Jahren entdeckten Archäologen eine befestigte Siedlung aus der Jungsteinzeit in Champ-Durand (Frankreich). Neben einer Reihe von Befestigungsgräben entdeckten die Forscher auch eine beträchtliche Menge an Tierknochen. Die Siedlung sei einst ein wichtiges Handelszentrum für die lokale Bevölkerung gewesen, das vor allem mit der Produktion von Salz sowie der Zucht und Schlachtung von Rindern reich geworden war.

Im Zuge dieser Ausgrabungen entdeckten die Wissenschaftler auch einen nahezu vollständigen Kuhschädel mit einem Loch im rechten Stirnbein. Bei früheren Untersuchungen interpretierten Forscher dieses Loch als Verletzung infolge eines Kampfes zwischen zwei Tieren. Die neueste Studie der Wissenschaftler Fernando Ramirez Rozzi und Alain Froment deutet jedoch auf etwas anderes hin.

Ein hohes Maß an chirurgischer Präzision

Die frühesten chirurgischen Eingriffe an menschlichen Schädeln (Trepanation) sind bereits seit dem Mesolithikum bekannt. „Die Bedeutung einer solchen Praxis bleibt schwer fassbar. Aber es ist offensichtlich, dass die Menschen aus dieser Zeit bereits ein hohes Maß an Operationstechniken beherrschten“, erklärt Fernando Rozzi.

Der Kuhschädel aus Frankreich, der zwischen 3400 und 3000 vor Christus datiert, ist jedoch das früheste Beispiel für derartige chirurgische Eingriffe an Tieren. „Ich habe viele, viele menschliche Schädel analysiert und sie zeigen alle die gleichen Techniken. Die Technik, die man am Schädel dieser Kuh beobachten kann, ist dieselbe“, so Rozzi.

Schädeloperationen an Tieren in Vorbereitung auf Menschen?

Außen- und Innenansicht des Kuhschädels mit dem Loch im rechten Stirnbein. Foto: Rozzi, Froment (2018); https://doi.org/10.1038/s41598-018-23914-1/CC BY 4.0

Wenn der Eingriff am Kuhschädel durchgeführt wurde, um das Tier zu retten, dann wäre Champ-Durant der früheste Beweis für einen tierärztlichen Eingriff. Für Fernando Rozzi kommt dies jedoch nicht infrage: „Ich sehe keinen Grund, weshalb sie eine von so vielen Kühen gerettet haben sollen. Die Tiere waren nun einmal zum Essen da.“

Außerdem fand das Team keine Hinweise für eine Heilung des Schädelknochens. Dies deutet demnach darauf hin, dass der Eingriff entweder gemacht wurde, als die Kuh im Sterben lag oder gar bereits verstorben war.

Training für bevorstehende Schädeloperationen beim Menschen?

Wahrscheinlicher ist für die Forscher dagegen eine Art Operationsversuche an Tieren, bevor sie sich an die Schädel ihrer Mitmenschen trauten.

Das Loch weist die gleiche Art von Kratzspuren auf, wie man sie an menschlichen Schädeln beobachten kann, die trepaniert wurden. Bereits im Mittelalter ist die Trepanation eine gängige Methode gewesen, um Kopfverletzungen zu behandeln. Auch in der modernen Medizin findet diese Methode noch immer Anwendung.

Das Loch im Kuhschädel hatte eine Größe von 6,4 mal 4,7 Zentimeter und war damit etwa so groß wie ein Keks. Zudem gibt es einen weiteren Hinweis darauf, wieso es sich bei dem Loch nicht um eine Kampfverletzung handeln kann. So zeigte der Schädelknochen keine Anzeichen von Knochenbrüchen oder Knochensplittern, wie sie im Üblichen bei solch einer Verletzung zu erwarten wären.

Schädeloperationen im Detail

Spuren der Schädeloperationen am Kuhschädel (a-c) im Vergleich mit den Spuren der Trepanation an menschlichen Schädeln (d-e). Foto: Rozzi, Froment (2018); https://doi.org/10.1038/s41598-018-23914-1/CC BY 4.0

In der Forschungswelt sind die Meinungen über erste Schädeloperationen am Menschen jedoch geteilt. So sind einige Wissenschaftler der Meinung, dass das Trepanieren nicht für einen medizinischen Zweck gedacht war. Stattdessen seien diese vielmehr bei rituellen Handlungen eingesetzt worden.

Was der Grund für die Behandlung des Kuhschädels aus Champ-Durand war, lässt sich nicht mehr mit absoluter Sicherheit sagen. Nichtsdestotrotz zeigt sie zweifelsfrei, dass der Mensch bereits früh mit der Erforschung seiner Umwelt begonnen hat.



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