Alte DNA schreibt die Geschichte der Opfer von Pompeji neu

Mit DNA-Analysen der Bewohner von Pompeji bringt ein internationales Forscherteam erneut Schwung in die römische Geschichte. Sie widerlegen bisher gängige Annahmen über Geschlecht und Verwandtschaftsverhältnisse der Opfer des Vesuvausbruchs.
Titelbild
Touristen auf der Hauptstraße von Pompeji, Italien.Foto: RomanBabakin/iStock
Von 16. November 2024

Im Jahr 79 nach Christus ereignete sich einer der schwersten Ausbrüche des Vesuv. Dabei begrub der Vulkan die römische Stadt Pompeji und ihre Bewohner unter einer dicken Schicht aus kleinen Steinen und Asche.

Viele Römer kamen ums Leben, als ihre Häuser unter der Last des vulkanischen Materials einstürzten. Diejenigen, die die erste Phase des Ausbruchs überlebten, erlagen schließlich dem gefährlichen pyroklastischen Strom. Die extrem schnelle Druckwelle aus heißen Gasen und vulkanischem Material hüllte die Körper der Opfer sofort in eine feste Ascheschicht ein. Dadurch waren die Körper hervorragend konserviert – einschließlich ihrer Gesichtszüge.

Opfers des Vulkanausbruchs in Pompeji

Die Körper der Opfer des Vulkanausbruchs wurden durch eine feste Ascheschicht konserviert, einschließlich ihrer Gesichtszüge. Foto: imagoDens/iStock

Seit dem 19. Jahrhundert stellten Restauratoren Abgüsse der Toten her, indem sie Gips in die Hohlräume gossen, die diese Körper nach ihrem Verfall hinterlassen hatten. Forscher der Universität Florenz, der Harvard University und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben kürzlich DNA aus den stark fragmentierten Skelettresten von 14 der 86 berühmten Abgüsse extrahiert.

Auf diese Weise konnten sie die biologischen Verwandtschaftsverhältnisse genau bestimmen, das genetische Geschlecht feststellen und die Abstammung zurückverfolgen. Interessanterweise widersprachen ihre Ergebnisse weitgehend früheren Annahmen, die ausschließlich auf dem äußeren Erscheinungsbild und der Positionierung der Toten beruhten.

Die Überreste zweier Männer sind bei Grabungen rund 700 Meter nordwestlich von Pompeji entdeckt worden. Foto: Luigi Spina/Parco Archeologico di Pompei/dpa

Verwandtschaft auf dem Prüfstand

„Die Ergebnisse stellen gängige Vorstellungen infrage, wie die Verbindung von Schmuck mit Weiblichkeit oder die Interpretation von physischer Nähe als Beweis für familiäre Beziehungen“, sagt Professor David Caramelli vom Institut für Anthropologie der Universität Florenz. „Die DNA-Belege fügen den oft sehr einfachen Interpretationen von Verwandtschaft eine weitere Komplexitätsebene hinzu.“

Ein Beispiel sind die menschlichen Überreste aus dem sogenannten „Haus des Goldenen Armbands“. An diesem Ort entdeckten Archäologen vier Personen, die bisher als Eltern und ihre Kinder gedeutet wurden.

Opfer des Vulkanausbruchs in Pompeji

Bislang galten diese vier Opfer des Vulkanausbruchs als Familie, doch genetische Untersuchungen zeigen ein anderes Bild. Foto: Peter Macdiarmid/Getty Images

Die DNA-Analyse zeigte jedoch, dass sie genetisch nicht miteinander verwandt waren. Außerdem war die erwachsene Person mit dem goldenen Armreif und einem Kind auf dem Arm nicht, wie traditionell angenommen, eine Frau mit ihrem Kind, sondern ein Mann.

Meist wird Schmuck automatisch mit Weiblichkeit verbunden. Doch eine DNA-Analyse zeigt, dass der Besitzer dieses Armbands ein Mann war. Foto: Oli Scarff/Getty Images

„Die wissenschaftlichen Daten, die wir liefern, stimmen nicht immer mit den gängigen Annahmen überein“, sagt David Reich von der Harvard University. Doch dies ist kein Einzelfall.

„Weiterhin konnten wir feststellen, dass mindestens eines von zwei Individuen, die bisher als Schwestern oder Mutter und Tochter galten, männlich war. Diese Ergebnisse stellen traditionelle Annahmen über Geschlecht und Familie infrage“, so die Forscher.

Buntes Pompeji

Auch über die Abstammung der Bewohner von Pompeji und ihre unterschiedliche Herkunft gaben die genetischen Daten Aufschluss. Dass sie hauptsächlich von kürzlich eingewanderten Bevölkerungsgruppen aus dem östlichen Mittelmeerraum abstammten, unterstreicht die Größe des Römischen Reiches.

„Unsere Ergebnisse haben weitreichende Konsequenzen für die Interpretation archäologischer Daten und das Verständnis vergangener Gesellschaften“, sagt Alissa Mittnik vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „Die Studie zeigt auch, wie vielfältig und kosmopolitisch die Bevölkerung Pompejis war, was die allgemeinen Muster der Mobilität und des kulturellen Austauschs im Römischen Reich widerspiegelt.“

117 n. Chr. erreichte das Römische Reich seine maximale Ausdehnung. Foto: kms/Epoch Times; nach PeterHermesFurian/iStock

Laut den Forschern könnten frühere Restauratoren zusätzlich die Körperhaltung und die Positionierung der Abgüsse verändert haben, um eine Geschichte zu erzählen. „Durch die Kombination von genetischen Daten und anderen bioarchäologischen Methoden können wir das Leben und die Gewohnheiten der Opfer des Vesuvausbruchs nun besser verstehen“, so Caramelli.



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