Die Korallen vor Ostafrika, dem Untergang geweiht?

Forscher und Medien prophezeien das Absterben von Korallen um Madagaskar bis 2070. Unser Gastautor unterzieht die zugrundeliegende Studie einem Faktencheck.
Titelbild
In einem Unterwasserriff bei Madagaskar.Foto: iStock
Von 21. Dezember 2021
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Eine Agenturmeldung erschrickt die Leserschaft: „Sämtliche Korallenriffe im westlichen Indischen Ozean drohen abzusterben“. Ist damit das Ende der afrikanischen Korallen besiegelt?

Die Meldung bezieht sich auf diese Studie, die eine ganze Reihe von Risiken beleuchtet wie z. B. Überfischung in den kommenden Jahren, die die Korallenriffe bedrohen. Wie sich der Fischfang in den nächsten 50 Jahren entwickeln wird, steht allerdings in den Sternen.

Von ganz besonderem Interesse ist der klimatische Zusammenhang, er wird in den Meldungen auch in den Vordergrund gerückt, da man hier Klimamodelle zur Anwendung bringen kann.

„Wird das Wasser zu warm, kommt es zur Korallenbleiche.“

In der Tat werden immer wieder solche Korallenbleichen beobachtet, sie treten vermehrt bei Wassertemperaturen über 30° Celsius auf. Das passiert hin und wieder örtlich im Pazifik, vor allem bei El-Niño-Ereignissen. Nun also wird der totale Zusammenbruch in 2070 vorhergesehen.

Was besagt die Korallen-Studie?

Wir haben uns die Arbeit näher angesehen, mit dem Schwerpunkt auf die projizierte Klimabelastung. Das Untersuchungsgebiet wird in Abb. 1 der Studie beschrieben, zusammen mit den Gefährdungen durch verschiedene Faktoren.

Abb. 1, eine Reproduktion von Fig. 1 der Studie. Das Kriterium C ist das, was unmittelbar mit dem Klima zusammenhängt. Dadurch werden im Endergebnis (links) jedoch die besonders gefährdeten (rot) Gebiete festgelegt, es ist das entscheidende Kriterium für die besonders kritischen Räume.

In der Studie wird ein Emissionsszenario angenommen, es ist das mit den zweitstärksten Emissionen. Es liefert einen zusätzlichen anthropogenen Strahlungsantrieb von 6W/m² bis 2100, und heißt nach IPCC AR5 „RCP 6.0“. Die höchste Erwärmung liefert „RCP 8.5“, wurde in der Studie jedoch bewusst nicht verwendet, mit Verweis auf Arbeiten, die dieses Szenario als unrealistisch einstufen.

Nun also RCP 6.0. Wir haben uns gefragt, ob dieser angenommene Antrieb in den letzten 40 Jahren mit den Beobachtungen korrespondiert. Zunächst ist festzustellen, dass sich Korallenriffe in einiger Wassertiefe (bis 60 m) befinden.

Sind die Wassertemperaturen richtig?

Die erste Frage ist also, ob die Temperaturen an der Oberfläche überhaupt repräsentativ für diese Wassertiefen sind. Hierfür benutzten wir die Beobachtungen das „Argo“-Systems im Studiengebiet (vgl. Abb. 1), es wertet Messungen auch in der Wassertiefe aus.

Abb. 2: Die Wassertemperaturen bis in eine Tiefe von 100 m zwischen 2004 und 2020 im Beobachtungsgebiet. Quelle: Argo.

Wir sehen: Bis in ca. 60 m stoßen die höchsten Wassertemperaturen von um 28° C zwischen Februar und April (Sommer auf der Südhalbkugel) jedes Jahr vor. In dieser Beziehung und in diesen Monaten sind die Oberflächentemperaturen (SST, Sea Surface Temperature) also repräsentativ.

Was sagen die Modelle?

Wie gut bildet nun das Mittel der verwendeten Modelle (CMIP5) die Beobachtungen der SST ab? Wir beschränkten uns für einen Vergleich auf die Monate mit den höchsten SST, sie sind für die erwähnte Korallenbleiche die entscheidenden.

Wir verglichen das MMM (Multi Model Mean), angetrieben durch den in der Arbeit verwendeten RCP 6.0, mit den Beobachtungen nach ERSSTv5.

Abb. 3: Die beobachteten SST (blau) und die modellierten SST (rot) mit ihren jeweiligen linearen Trends zwischen 1980 und 2020. Man beachte die Spitzen bei den El-Niño-Ereignissen 1997, 2010 und 2016.

Der lineare Anstieg des Modell-Mittels ist 30 Prozent höher als der beobachtete. Auch das verwendete Szenario RCP 6.0 überschätzt also die beobachtete Erwärmung der letzten 40 Jahre um 30 Prozent.

Ist also, so die Frage, eine Aussage zu anstehenden Korallenbleichen aus Klimamodell-Betrachtungen robust? In Abb. 1 sind auch die besonders gefährdeten Gebiete sehr genau räumlich beschrieben. Was leisten Modelle auf diesem Gebiet?

Was zeigt die Realität?

Wir schauten es uns an und verglichen die räumlich aufgelöste Korrelation des Modell-Mittels mit den Beobachtungen. Die räumliche Korrelation zwischen Beobachtungen und Modell erreicht in weiten Teilen nur Werte unter 0,5. Das ist kein befriedigendes Ergebnis:

Abb. 4: Die räumliche Korrelation zwischen realen Beobachtungen und dem Modell-Mittel im Auswertezeitraum. In weiten Teilen erreichte sie nur Werte unter 0,5, was kein befriedigendes Ergebnis ist. Die Abbildung wurde mit dem KNMI Climate Explorer generiert.

Die Frage, ob die verwendeten Modelle wirklich geeignet sind, die Verhältnisse vor der afrikanischen Ostküste rings um Madagaskar abzubilden, muss damit an die Autoren der Studie zurückgegeben werden.

Übertriebene Drohkulisse für Korallen

Wir kommen zum Ergebnis: eher nicht. Die Schlussfolgerungen der Arbeit sind daher nach einer kritischen Prüfung als „overconfident“ (mit übertriebener Sicherheit) einzustufen.

Die Modelle bilden weder die beobachtete Erwärmungsrate korrekt ab (30 Prozent zu hoch), noch ihre räumliche Ausprägung. Das leisten Modelle mit ihren hohen Unsicherheiten einfach nicht. Die Arbeit muss daher als eine von vielen Möglichkeiten beschreibend eingeordnet werden.

Die Überschrift der Agenturmeldung vermittelt ein weiteres Mal Drohkulissen über das bevorstehende Absterben „sämtlicher Korallenriffe“, die so nicht aufrecht zu halten sind.

Frank Bosse ist promovierter Ingenieur (Dr.-Ing.) und beschäftigt sich seit 2009 mit Fragen rund um das Klima. Seine Beiträge erscheinen auf unterschiedlichen Websites und in verschiedenen Sprachen. Dabei zeigen auch Themen und Argumentationen der NASA inhaltliche Ähnlichkeiten zu Bosses Artikeln.

Dieser Artikel erschien im Original auf kaltesonne.de unter dem Titel: Die Korallen vor Ostafrika, dem Untergang geweiht?



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