Eiszeiten „von außerhalb der Erde gesteuert“

Klimawandel ist keine „Modeerscheinung“. Eine Verlangsamung der zyklischen Veränderungen von Eiszeiten stellte Forscher jedoch bislang vor ein Rätsel. Nun gibt es gleich zwei, teilweise widersprüchliche Erklärungen.
Außerirdische Faktoren wie die Sonne beeinflussen Eiszeiten und Gletscher
Ein Gletscher in den Schweizer Alpen.Foto: iStock
Von 23. Mai 2023

„Je mehr geologische Beweise aus älteren Zeiten ans Licht kommen, desto klarer wird, dass die Erde [früher] ein anderes Klimasystem hatte als heute.“ Das stellte Takashi Ito vom Nationalen Astronomischen Observatorium Japan anlässlich neuer Forschungsergebnisse fest.

Gemeinsam mit Yasuto Watanabe von der Universität Tokio und anderen untersuchte Ito das Erdklima während der frühen pleistozänen Epoche mit dem Schwerpunkt von vor 1,6 bis 1,2 Millionen Jahren. Die Studie¹ erschien am 15. Mai 2023 in „Communications Earth & Environment“.

Nicht von dieser Welt

Das Pleistozän vor 2,6 Millionen bis 11.700 Jahren umfasst sowohl ausgedehnte Eiszeiten als auch deutlich kürzere Warmzeiten mit Temperaturen, die mehrere Grad über den heutigen lagen. Verantwortlich für die Veränderungen des Klimas zu jener Zeit fanden die japanischen Forscher drei maßgebliche Mechanismen:

  • Demnach wird der Zyklus der Eiszeiten durch kleine Unterschiede der Ausrichtung der Rotationsachse und der Erdumlaufbahn bestimmt.
  • Der Zeitpunkt der Eisschmelze wiederum bestimme sich hauptsächlich durch die Position der Sommersonnenwende auf der Erdbahn. Die periodische Änderung der Neigung der Erdachse spiele dabei keine Rolle.
  • Schließlich bestimmen der Zeitpunkt der Änderung der Ausrichtung der Erdachse und die Position der Sommersonnenwende auf der Erdumlaufbahn die Dauer der Warmzeiten.

Dass sich derartige Faktoren überhaupt im Laufe der Zeit verändern, ist der Anziehungskraft der Sonne, des Mondes und anderer Planeten zuzuschreiben. Diese astronomischen Kräfte „ziehen“ einerseits an der Erde und beeinflussen so Umlaufbahn und Rotationsachse.

Andererseits wirken sie sich auf die Umwelt auf der Erde aus, indem sie die Verteilung des Sonnenlichts verändern. Kurzfristig äußern sie sich in Jahreszeiten, langfristig bewirken sie den steten Wechsel von Eiszeiten und Warmzeiten.

Mit anderen Worten: Das Klima der Erde ist – oder zumindest war – von sprichwörtlich außerirdischen Faktoren abhängig. Ein Einfluss von (menschengemachtem) CO₂ kann dabei ausgeschlossen werden.

Warme Eiszeit bringt Klima durcheinander

Vor allem die Eisschilde reagieren empfindlich auf diese äußeren Kräfte, was zu erdgeschichtlich wiederkehrenden, weiträumigen Vergletscherungen führt.

Doch selbst der Wechsel von Eiszeiten und Warmzeiten ist nicht konstant, wie Forscher unter Beteiligung von Geowissenschaftlern der Universität Heidelberg herausfanden. Ihre Ergebnisse² veröffentlichten sie im Fachblatt „nature communications“.

Für ihre Untersuchungen nutzten sie einen vor der Küste Portugals gewonnenen Bohrkern sowie Lößaufzeichnungen des chinesischen Plateaus. Diese zeigen für den Zeitraum von vor 800.000 bis vor 670.000 Jahren einen langfristigen Trend zu wärmeren und feuchteren Bedingungen in beiden subtropischen Regionen.

Zugleich zeigen sie, dass die Temperaturen der Meeresoberflächen im Nordatlantik und im tropischen Nordpazifik während der letzten Eiszeit des sogenannten „Mittelpleistozänen Übergangs“ höher waren als in der vorangegangenen Warmzeit. Mit anderen Worten: Es war in jener Kaltzeit wärmer als in der eigentlichen wärmeren Phase zuvor.

Anhand dessen kommen die Forscher zu dem Schluss, dass sich vor rund 700.000 Jahren die Klimazyklen auf der Erde nachhaltig veränderten. Damals sei es einerseits außergewöhnlich warm gewesen, was mit vermehrten Niederschlägen in Südwesteuropa, der Ausbreitung mediterraner Wälder sowie einem verstärkten Sommermonsun im ostasiatischen Raum verbunden war. Andererseits gelangte die Feuchtigkeit auch in die Polargebiete, wo sie die Eisschilde im nördlichen Eurasien kräftig wachsen ließ.

Dies stelle einen entscheidenden Schritt in der jüngeren Klimaentwicklung der Erde dar. Demnach habe die warme (Eis-) Zeit die weite Ausbreitung der Gletscher angestoßen.

Ursachen für Eiszeiten unklar?

„[Die Eisschilde] hatten länger Bestand und läuteten die bis ins späte Pleistozän anhaltende Phase […] eiszeitlicher Vergletscherungen ein. Die Vergrößerung der kontinentalen Gletscher war dabei eine Voraussetzung, um den Übergang von den 40.000-jährigen Zyklen zu den 100.000-jährigen Zyklen, die wir heute erleben, auszulösen“, sagte Dr. André Bahr von der Universität Heidelberg.

Anders als in der Gesellschaft wahrgenommen, ändert sich das Klima damit heute langsamer als früher.

„Die Mechanismen, die für diese entscheidende Veränderung der globalen Klimarhythmik verantwortlich sind, bleiben weitgehend unbekannt. Sie lassen sich nicht zurückführen auf Veränderungen der Erdbahngeometrie, die für das Erdklima maßgeblich sind“, so der Privatdozent am Institut für Geowissenschaften.

„Eine entscheidende Rolle spielte aber die nun identifizierte ‚warme Eiszeit‘, die die Anhäufung von großen Mengen an Kontinentaleis verursacht hat“, bekräftigte Dr. Bahr. – Was diese wiederum verursachte, blieb in der Arbeit mit seiner Beteiligung ungeklärt.

Watanabe und Ito liefern damit eine ergänzende – und zugleich widersprüchliche –Erklärung für die „Warme Eiszeit“ aus Heidelberg, wonach Sonne, Mond und Sterne hinter den Veränderungen der Eiszeiten und dem „Mittelpleistozänen Übergang“ stehen.

Einig sind sich die Forscher indes über den Zeitpunkt der Veränderung vor etwa 700.000 Jahren. Und: Dass der Klimawandel (damals) nicht menschengemacht war.

Quellen und Literatur

[1] Watanabe et al. (2023); doi.org/10.1038/s43247-023-00765-x

[2] Sánchez Goñi et al. (2023); doi.org/10.1038/s41467-023-38337-4



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