1740 war das kälteste Jahr in Mitteleuropa seit 600 Jahren

Der Winter von 1739 und 1740 ist als einer der Kältesten in Europa seit Beginn der instrumentellen Messungen bekannt. Doch was führte zu den ungewöhnlich niedrigen Temperaturen? Die Forscher rätseln.
So könnte der Winter 1740 ausgesehen haben
1740 lagen die winterlichen Temperaturen um 4 Grad Celsius unter dem gegenwärtigen Durchschnitt.Foto: Anastasia Deriy/iStock
Von 14. September 2024

Europa erlebte in den Jahren 1739 bis 1740 den kältesten Winter seit 600 Jahren, der um vier Grad Celsius kälter war als der gegenwärtige Durchschnitt und mit negativen Temperaturanomalien in Nordamerika und Eurasien zusammenfiel. Weltweit war es für die mittleren nördlichen Breiten – allgemein von 35 bis 70 Grad Nord, beziehungsweise im Speziellen vom Mittelmeer bis Norwegen und von der Karibik bis Kanada – möglicherweise die kälteste Phase der letzten 300 Jahre.

Damals gab es starke Schneefälle, strengen Frost und zugefrorene Flüsse mit einer Eisdicke von über 50 Zentimetern. Schmolzen diese ab, kam es zu extremen Überschwemmungen und somit zur Vernichtung von Ernten – insbesondere Kartoffeln und Getreide – und zum Sterben von Vieh und Fischen. Es wird angenommen, dass die Hungersnot in Irland zwischen 1740 und 1741 eine dieser direkten Folgen war.

Doch wie genau das Wetter und damit die Lebensverhältnisse zu jener Zeit waren, haben die Forscher um Professor Stefan Brönnimann von der Universität Bern, Schweiz, untersucht.

Winter von Oktober bis Juni

Obwohl es 1740 bereits instrumentelle Aufzeichnungen gab, wollten Prof. Brönnimann und seine Kollegen einen genaueren Blick auf das Geschehen werfen und eine moderne Klimarekonstruktion für den gesamten Planeten vornehmen. Dafür betrachteten sie das monatliche Klima und die täglichen Wettermuster, um die Mechanismen hinter dem extremen Winter zu verstehen, der im Oktober 1739 begann und bis Juni 1740 andauerte.

Die Wissenschaftler kombinierten instrumentelle Messungen mit Beobachtungen aus Wettertagebüchern aus Gdańsk (Polen), Berlin (Deutschland), Versailles (Frankreich) und Saint-Blaise (Schweiz), um Karten der täglichen Temperatur-, Druck- und Wettermuster zu erstellen.

Dabei stellten sie fest, dass die erste Januarhälfte 1740 „außerordentlich“ kalt war und Temperaturen aufwies, wie sie statistisch nur einmal in über 3.000 Jahren auftreten – sechs Standardabweichungen unter den mittleren Temperaturen Westeuropas. In den folgenden Monaten breiteten sich diese allmählich nach Süden aus und fielen mit einem starken Anstieg des Luftdrucks über Skandinavien zusammen. Dies hatte eine blockierende Wirkung, sodass die kalte Luft vom Kontinent nach Westen strömte.

Die Temperaturen der letzten 2.000 Jahre zeigen – je nach Arbeitsgruppe – Herzflimmern oder Hockeyschläger.

Die Temperaturen der letzten 2.000 Jahre zeigen – je nach Arbeitsgruppe – starke Schwankungen von bis über 2 Grad Celsius. Foto: Mit freundlicher Genehmigung, Lengsfeld et al. (2022); doi.org/10.3390/earth3010024

Von Februar bis Juni herrschte Hochdruck über Irland und zog kalte Luft vom Nordatlantik an, bevor sie sich weiter über den europäischen Kontinent ausbreitete. Im März und Mai desselben Jahres verursachte sie schließlich zwei weitere negative Temperaturanomalien. In den Sommermonaten Juli und August kam es dann zu kalten und sehr regenreichen Wetterlagen über Mitteleuropa.

Jetstream, El Niño oder Vulkanausbruch?

Um diese Anomalien zu erklären, untersuchten die Forscher die Rolle der Nordatlantischen Oszillation (kurz NAO), die sich im Jahr 1740 in einer negativen Phase befand. Dies ist der Fall, wenn der Luftdruck über dem nördlichen und mittleren Nordatlantik geringer ist, was wiederum dazu führt, dass der Jetstream kühlere Temperaturen und weniger Niederschläge mit sich bringt. Die Forscher fanden jedoch heraus, dass diese Meeresströmung 1739 keine extremen Bedingungen aufwies. Es musste also einen anderen Grund für den langen und kalten Winter geben.

Stattdessen wandten sie sich dem ostatlantischen Strom zu. Dieser ist ähnlich wie die NAO, verläuft jedoch von Osten nach Westen über den Ozean und hatte im Frühjahr 1740 eine ebenfalls ungewöhnlich negative Phase erlebt. Auch diese hätte das Potenzial zu unterdurchschnittlichen Temperaturen in ganz Europa sowie zu unterdurchschnittlichen Niederschlägen im Norden und überdurchschnittlichen Niederschlägen im Süden des Kontinents gehabt.

Brönnimann und seine Kollegen fügten dem Modell den Einfluss von El Niño hinzu, fanden aber auch hier keine statistisch signifikante Korrelation, die einen Einfluss auf die NAO oder den ostatlantischen Strom gehabt hätte. Die Forscher weisen jedoch darauf hin, dass die Rekonstruktion von El-Niño-Mustern von vor etwa 300 Jahren mit großen Unsicherheiten behaftet ist.

Als weitere Ursache wurde der Ausbruch des Vulkans Tarumae in Japan zwischen dem 19. und 31. August 1739 untersucht. Doch trotz einer hohen vulkanischen Explosivität (5 von 8) konnte nur eine schwache positive Auswirkung auf die Nordatlantische Oszillation und den ostatlantischen Strom festgestellt werden.

Winter im Jahr 1740

Künstlerische Darstellung des harten Winters von 1740 aus den Niederlanden. Foto: Gemeinfrei

Mechanismus von 1740 bleibt vorerst unklar

Eine Lösung für dieses Rätsel konnten die Forscher derzeit nicht finden. Trotzdem bleiben die 1730er- und 1740er-Jahre für die Wissenschaft interessant, denn diese Zeit war von spürbaren Schwankungen geprägt. Einerseits zeigt sich ein mildes Jahrzehnt in den 1730er-Jahren. Andererseits folgten auf 1740 zwei weitere ungewöhnlich kalte Winter in den Jahren 1741 und 1742.

Obwohl der schwache ostatlantische Strom als Hauptursache für den kalten Winter 1739–40 gilt, ist der Mechanismus, der diesen verursachte, noch immer unbekannt.

Die Studie wurde Ende Mai 2024 zur Veröffentlichung eingereicht, befindet sich im Prüfverfahren und erschien vorab online auf „Climate of the Past“.



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