Zentralasien: Mittlere Seidenstraße gewinnt an Bedeutung – kann Russland aber nicht ersetzen
Der Handel mit Textilien, Autoteilen, Möbeln oder Verbraucherelektronik zwischen der EU und China hatte unter Corona merklich gelitten. Der Krieg in der Ukraine stellt die Logistik nun vor neue Herausforderungen. Bis dato ist der Transport auf dem Schienenweg hauptsächlich über das Gebiet der Russischen Föderation erfolgt. Jetzt sucht man in Europa eilig nach Ersatzrouten – und hofft dabei auf die sogenannte Mittlere Seidenstraße, die durch Zentralasien verläuft.
Transsibirische Route mit Abstand wichtigster Handelsweg
Bislang ist der Gütertransport über die Schiene noch nicht in ähnlichem Ausmaß von EU-Sanktionen gegen Russland betroffen wie etwa der Flugverkehr. Dennoch befürchten Transportunternehmen und Logistiker, dass Brüssel seinen Bruch mit Moskau auch auf diesen Bereich ausweiten könnte.
Die EU will mit ihren Sanktionen Russland in der Welt isolieren. Tatsächlich droht sie sich zunehmend selbst damit schachmatt zu setzen. Nicht nur die höheren Energiekosten infolge des Abbruchs der Öl- und Gaslieferbeziehungen senken die Attraktivität des Standorts. Die EU erschwert immer mehr auch ihren eigenen Austausch mit China.
Der Eisenbahntransit über russisches Territorium hatte den Vorteil einer günstigen und schnellen Lieferung durch vergleichsweise wenige Länder. Dies bedeutete weniger Verzögerung durch Grenzabfertigungen, weniger Zollgebühren und eine größere Flexibilität.
Erst ein Bruchteil des Handels verlief über Mittlere Seidenstraße
Die Mittlere Seidenstraße durch Zentralasien hilft nun zwar, in Anbetracht der politischen Spannungen russisches Territorium zu umgehen. Hierbei muss allerdings mit erheblichen verkehrsbedingten Verzögerungen sowie weiteren Grenz-Kontrollen gerechnet werden: Die Transportroute verläuft über die Schwarzmeer-Anrainerstaaten Rumänien, Türkei und Georgien sowie in weiterer Folge Aserbaidschan und Kasachstan.
Bis dato beträgt der Gesamtumfang des Transits, der über diese Route verläuft, kaum ein Zehntel des bisherigen Warenumschlags durch Russland. Wie die „Wirtschaftswoche“ berichtet, liefen selbst im vergangenen ersten Jahr des Ukrainekrieges knapp 1,5 Millionen Container über die transsibirische Nordroute.
Indessen ist nicht nur der Luftraum über Georgien überbelegt mit Transportflugzeugen, auch die Hafenanlagen entlang der Ausweichstrecke sind kaum in der Lage, den gestiegene Andrang zu bewältigen. Ob im rumänischen Konstanza oder im türkischen Mersin: Die wichtigsten Häfen sind bis auf den letzten Quadratmeter ausgelastet. Mersin ist zudem auch der Transithafen für Unternehmen, die ihre Geschäftsbeziehungen mit Russland aufrechterhalten.
Containerhafen in Baku vor historischem Ausbau
Nun sind europäische Unternehmen und die öffentliche Hand bemüht, zügig in den Ausbau der Infrastruktur zu investieren. Der Containerhafen von Baku soll fit werden, um das Fünffache des bisherigen Aufkommens zu bewältigen. Auch ein Flugzeugdrehkreuz soll entstehen, von dem aus der Warentransport an die Schiene angebunden werden kann.
Ein neues Containerterminal soll Platz für 180.000 Standardboxen auf einer Fläche von 20 Hektar bieten. Vor allem der Umschlag von Kohle, Getreide und Chemieerzeugnissen soll auf diesem Wege stattfinden. Von Aserbaidschan aus geht es weiter zum Umschlagplatz Kuryk nahe der Hafenstadt Aktau.
Angesichts der geopolitischen Lage ist ein Ausbau der Mittleren Seidenstraße bis auf Weiteres alternativlos, meint Andreea Brinza vom rumänischen Institut für Asien-Pazifik. Dennoch werde diese Route den transsibirischen Handelsweg auf Dauer nicht ersetzen können, äußert sie in der „Wirtschaftswoche“.
Mittlere Seidenstraße wird Nordroute ergänzen – kann sie aber nicht ersetzen
Immer noch reichten die Kapazitäten für den Umschlag von Gütern bei Weitem nicht aus, um einen vollwertigen Ersatz abgeben zu können. Die Route sei zudem länger, führe durch mehr Länder und habe längere Grenzwartezeiten und komplizierte Abläufe zur Folge. Der Gewinn für die Logistikunternehmen werde geringer, die Personalkosten werden höher, mehr Kapazitäten seien länger gebunden. Für Brinza steht fest:
Der mittlere Korridor wird als eine temporäre Alternative zur Nordroute funktionieren, aber er wird ihn nicht ersetzen können.“
Allerdings werde die Mittlere Seidenstraße eine zusätzliche Variante bleiben, und es habe sich vieles an Abläufen verbessert. Behörden und lokale Unternehmen arbeiteten mittlerweile transparenter. Zudem blieben Laster und Züge in Richtung China immer noch schneller als das Schiff und günstiger als das Flugzeug.
„Global Gateway“ der EU bleibt bis dato Rohrkrepierer
Offen bleibt auch, in welcher Weise sich das chinesische KP-Regime in den Ausbau der Mittleren Seidenstraße einbringen wird. Investitionen in das eigene Prestige-Infrastrukturprojekt „Neue Seidenstraßen“ waren schon in den vergangenen Jahren ein zentrales Instrument seiner Geopolitik.
Für die beteiligten Staaten bedeutete dies nicht immer Gutes. Chinas Regime setzte gezielt eine Schuldenstrategie ein, um im Fall von Zahlungsengpässen selbst Zugriff auf kritische Infrastruktur zu erhalten.
Die EU wollte mit ihrem „Global Gateway“-Projekt dem chinesischen Vorhaben trotzen. Der Erfolg ist bisher mäßig. Kritiker führen dies auch darauf zurück, dass die Europäer ihr „Seidenstraßen“-Projekt von Beginn an mit eigenen Anliegen wie dem „Green Deal“ überladen. Auf Wünsche potenzieller Partner sei man hingegen nicht in ausreichendem Maße bereit, einzugehen.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion