„Global Gateway“: EU will eigene „Seidenstraße“ – mit Projekten unter Klimavorbehalt

Die Bundesregierung hat der EU Vorschläge für mögliche Projekte des „Global Gateway“ übermittelt. Damit will man mit Chinas Belt and Road konkurrieren.
EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen spricht im Rahmen des EU-Afrika-Gipfel während einer Pressekonferenz.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spricht im Rahmen des EU-Afrika-Gipfels während einer Pressekonferenz.Foto: John Thys/Pool AFP/AP/dpa
Von 12. Dezember 2022

In der EU mehren sich Stimmen, die sich ein „strategisches Instrument“ wünschen, um dem schwindenden Einfluss Europas in der Welt gegenzusteuern. Vor allem der wachsende Einfluss von Chinas KP-Regime macht Brüssel zunehmend Sorgen.

Mit dem „Global Gateway“ soll nun eine Alternative zum „Belt and Road“-Projekt Pekings entstehen. Dazu soll klassische Entwicklungshilfe entsprechenden strategischen Investitionsprojekten weichen. Wie das „Handelsblatt“ berichtet, hat die Bundesregierung jüngst eine erste Vorschlagsliste für 20 sogenannte Leuchtturmprojekte an die EU-Kommission gerichtet.

Global Gateway soll mit 300 Milliarden Euro ausgestattet werden

Am Montag (12.12.) soll sich der Rat der EU-Außenminister erstmals treffen, um konkrete Projekte für den Global Gateway zu erörtern. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte vorgeschlagen, 300 Milliarden Euro für große Infrastrukturprojekte zu mobilisieren – aus Kommission, Mitgliedstaaten und Privatwirtschaft.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sieht die EU im „Systemwettbewerb“. Die Staatengemeinschaft müsse in der Lage sein, Ländern „bessere Angebote“ zu machen – „transparent, auf Augenhöhe, ohne Knebelverträge“.

Auch US-Präsident Joe Biden baut auf die Europäer. Beim G20-Gipfel sprach er davon, innerhalb von fünf Jahren 600 Milliarden US-Dollar in „hochwertige, nachhaltige und innovative“ Infrastrukturprojekte investieren zu wollen. Für dieses Vorhaben benötige er Partner.

KP-Regime betreibt „rigorose Interessenspolitik“

Mittlerweile erstrecken sich die geopolitischen Einflussprojekte auf den europäischen Kontinent. In dem Papier der Bundesregierung, das dem „Handelsblatt“ vorliegt, erfährt die chinesische Investitionstätigkeit im Bereich der „klimaneutralen Weltwirtschaft“ Würdigung. Immerhin fehlten, so die Bundesregierung, dieser jährlich rund 1.300 Milliarden Euro.

Allerdings betreibe das KP-Regime eine „rigorose Interessenspolitik“ und nehme dabei „schädliche Auswirkungen auf die Partnerländer in Kauf“. Vor allem berücksichtigten Belt-and-Road-Projekte die tatsächliche Kreditwürdigkeit der Partnerländer nicht ausreichend. Die geschehe auch mit Bedacht, so die Ampel:

Die hieraus entstandene Abhängigkeit beeinträchtigt die Souveränität der betroffenen Staaten – was China politisch und wirtschaftlich für seine Interessen nutzt.“

Tatsächlich sichert sich das KP-Regime bei Projekten in Afrika, Asien und Lateinamerika Eigentumsvorbehalte an den errichteten Anlagen. Im Fall einer Zahlungsverzögerung macht es davon Gebrauch. Das hat de facto zur Folge, dass Häfen, Bahnlinien oder Energieprojekte häufig auch längerfristig unter der Kontrolle Pekings stehen.

Deutsche Vorschläge für Global Gateway betreffen vor allem „Energiewende“

Derartige Schuldenfallen will der Global Gateway verhindern. Allerdings scheinen bei vielen Projekten, die Berlin ins Gespräch bringen will, ebenfalls europäische Bedürfnisse im Vordergrund zu stehen. Während die EU seit Jahr und Tag daran arbeitet, fossile Energieprojekte in Afrika zu unterbinden, obwohl man gleichzeitig Gas aus Afrika beziehen möchte, hat der Großteil der Vorschläge mit „Energiewende“-Projekten zu tun.

In Botswana und Namibia sollen mit europäischer Hilfe Solarkraftwerke entstehen. In Ghana will man die chinesische Konkurrenz beim Windkraftprojekt „Konikablo“ ausstechen. Die Afrikaner wären sogar bereit, den Europäern den Zuschlag zu erteilen. Im Papier aus Berlin heißt es:

Die Beteiligung von Global Gateway kann eine Übernahme verhindern.“

Auch in Bosnien und Herzegowina will man unter dem Banner des Global Gateway eine Wende weg von Energie aus fossilen Energieträgern erleichtern.

Schnell realisierbar und „klimafreundlich“

In Serbien soll demgegenüber immerhin mit europäischer Beteiligung eine Lithium-Mine entstehen. Gerade auf diesem Gebiet ist die EU selbst fast vollständig von Chinas KP abhängig. Von Burkina Faso aus soll es ein Bahnprojekt zur ghanaischen Küste geben.

Sogar zwischen Laos, Vietnam und Thailand sind Verkehrsprojekte des Global Gateway angedacht. Und Chile soll künftig ein Unterwasserkabel mit Australien verbinden, um die Digitalisierung anzuschieben.

Neben schneller Realisierbarkeit sei „Klimafreundlichkeit“ eines der Hauptkriterien gewesen, um als EU-Projekt in Betracht zu kommen. Immerhin habe man bei der Ideenfindung auch die Einschätzung von Unternehmen eingeholt, heißt es in dem Papier weiter.

Entwicklungshilfe-Verantwortliche der EU führen „bürokratische Abwehrkämpfe“

Allerdings droht die europäische Bürokratie, dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung zu machen, befürchtet man in Berlin. In dem Papier der Ampel heißt es auch, dass Teile der Kommission sogar Probleme damit haben, dass „Entwicklungshilfe künftig geopolitischen Interessen untergeordnet wird“.

Von Brüssel aus habe man unter dem Banner des Global Gateway bislang fast ausschließlich Projekte vorgeschlagen, die man ohnehin bereits eingeplant hatte. Für die „Glaubwürdigkeit der EU und ihrer Mitgliedstaaten“ sei es jedoch entscheidend, „dass wir nicht nur bestehende oder bereits geplante Projekte der Entwicklungszusammenarbeit umetikettieren“. Auch müsse man „neue, sichtbare Vorzeigeprojekte identifizieren und Mittel des Privatsektors mobilisieren, um diese so schnell wie möglich umzusetzen“.

Zuletzt habe der Krieg in der Ukraine den Global Gateway ohnehin verzögert. Dazu kämen interne Meinungsunterschiede. Die „Generaldirektion Internationale Partnerschaften“ der EU führe „bürokratische Abwehrkämpfe“. Deshalb sollen nach dem Willen Berlins nicht die bisherigen Entwicklungshilfe-Verantwortlichen die Koordination übernehmen. Global Gateway sei ein außenpolitisches Instrument, „das nicht primär entwicklungspolitischen, sondern strategischen Zielen dient“.

Welchen Mehrwert hätte Global Gateway für Partnerländer?

Wie aussichtsreich das Projekt Global Gateway auf Dauer sein wird, bleibt offen. Die EU hat insbesondere seit Beginn des Ukrainekrieges auf unsanfte Weise die Grenzen ihrer weltpolitischen Geltung erfahren. Es droht der gesamten Staatengemeinschaft eine hartnäckige Rezession. Dazu kommen globale Wettbewerbsnachteile durch – in hohem Maße selbstverschuldete – hohe Energiepreise.

Auch Entwicklungen in vielen afrikanischen Ländern zeigen, dass das Misstrauen gegen die früheren europäischen Kolonialherren groß ist. In Ländern wie Mali oder Burkina Faso bevorzugt man russische Wagner-Söldner zunehmend vor den europäisch geführten Eingreiftruppen bei der Terrorbekämpfung.

Es ist fraglich, ob die EU in der Lage ist, Entwicklungs- und Schwellenländern tatsächlich attraktivere Konditionen zu bieten als andere Mächte, die international Einfluss gewinnen. Für viele Staaten gibt es andere Prioritäten als den Ausbau von Windparks oder Solarkraftwerken. Um eine „Energiewende“ stemmen zu können, müssen manche erst in der Lage sein, überhaupt flächendeckend Energie zu gewinnen.

Zudem sind westliche Investitionspartner mittlerweile auch dafür bekannt, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch bestimmte Weichenstellungen zu verlangen. Häufig geht es dabei um „liberal-demokratische Reformen“ oder „westliche Werte“. Auf kulturelle oder religiöse Eigenheiten der Empfängerländer oder andere Ausdrucksformen von Souveränität nimmt die EU dabei selten Rücksicht. Auch das hat sich bis dato für das chinesische KP-Regime, aber auch für Russland, die Türkei oder arabische Länder in Afrika als Vorteil erwiesen.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion