Schwedischer Investor greift nach der Schufa

Die Schufa-Auskunft begleitet die Deutschen vom Autokauf bis zum Mieten einer Wohnung. Nun steigt ein legendärer schwedischer Finanzinvestor ein.
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Die Schufa bescheinigt den Menschen in Deutschland trotz Krise eine hohe Zahlungsmoral.Foto: Franziska Gabbert/dpa-tmn/dpa
Von 8. November 2021

Eine Zahl zwischen Null und 100, kombiniert aus Namen, Geburtsort, Wohnort und den Daten zu Bankkonten, Kreditkarten, Ratenkrediten sowie Mobilfunk- und Versandhandelskonten ergibt den sogenannten Schufa-Score. Je höher die Zahl ist, desto kreditwürdiger ist der Bürger.

Benötigt wird dieser Score überall, wo es um eine finanzielle Auskunft geht: Bei einem neuen Handy, dem Kauf eines Autos. Beim Mieten einer Wohnung. Bei einem neuen Kredit, den man aufnehmen will.

Wie die Schufa genau berechnet, ob die Menschen ihre Kredite auch zahlen, ist und bleibt geheim. Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofes 2014 ist die Schufa, die größte Wirtschaftsauskunftei Deutschlands, auch nicht gesetzlich verpflichtet, ihren Algorithmus transparent zu machen.

Das Kerngeschäft von Auskunfteien ist, die Bonität der Menschen zu bewerten. Diese Informationen verkaufen sie weiter – an Privatpersonen, Banken, Vermieter, Mobilfunkanbieter und andere.

Schwedischer Finanzinvestor kauft sich ein

Wem gehört die Schufa? Die Schufa ist keine staatliche Behörde, sondern ein privates Unternehmen. Die Aktien der Schufa sind breit gestreut und gehörten bisher zu 34,7 Prozent Kreditbanken, zu 26,4 Prozent Sparkassen, zu 17,9 Prozent Privatbanken, zu 7,9 Prozent Genossenschaftsbanken und zum restlichen Teil Handelsunternehmen sowie anderen Eigentümern.

Am 15. Oktober 2021 wurde bekannt, dass der schwedische Finanzinvestor EQT einen Anteil von knapp zehn Prozent an der Schufa erworben hat. Dieser Anteil wurde von der Société Générale übernommen und mit zwei Milliarden Euro bewertet.

Ziel des Investors EQT ist, die Mehrheit an der Schufa zu übernehmen. Weitere Verhandlungen mit der Deutschen Bank, der Commerzbank, Sparkasse und anderen Schufa-Gesellschaftlern laufen und seien Unternehmerkreisen zufolge „weit fortgeschritten“, meldet die „Börsen-Zeitung“. Am 21. Oktober wurde bekannt, dass die Sparkassen ihre Anteile behalten wollen.

Erhält die EQT-Gruppe die Anteile der Deutschen Bank und der Commerzbank, dann würden die Schweden mit 37 Prozent der angestrebten Mehrheit recht nahe kommen. Auf eine Anfrage der Epoch Times reagierte die EQT-Gruppe nicht, die Schufa teilte uns mit: „Wir kommentieren Marktgerüchte prinzipiell nicht.“

Im März berichtete Bloomberg, dass auch andere Finanzinvestoren Interesse an einer Schufa-Beteiligung hatten (darunter der US-Investor Hellmann & Friedmann). Selbst ein Komplettverkauf war im Gespräch.

In Schweden legendär: Wer ist EQT?

Die Investitionsgruppe EQT Partners hat ihren Hauptsitz in Stockholm und wurde 1994 von Investor AB gegründet. Investor AB gehört der wohlhabenden und einflussreichen schwedischen Familiendynastie Wallenberg. Über die Investor AB beteiligt sich die Familie als Einzelaktionär an anderen Unternehmen. Europaweit, weltweit. Ihr Einfluss ist legendär.

In den vergangenen Jahren fiel kaum eine wesentliche Entscheidung in der schwedischen Industrie ohne die Wallenbergs, konkret ohne Peter Wallenberg. Peter Wallenberg senior (gestorben 2015) und Großaktionär Ferdinand Piëch (Porsche) verband eine enge private Freundschaft. Seine Nachfolger sind vor allem Jacob und Marcus Wallenberg.

Rund 40 Prozent des aktuellen Börsenwertes der schwedischen Industrie wird durch die Familie Wallenberg kontrolliert. Die Familie besetzt überproportional Aufsichtsratsposten von Unternehmen. Mit erlaubten Überkreuzbeteiligungen und personellen Verflechtungen ist sie bei weitem der größte zusammenhängende Kapitaleigner Schwedens.

Die Bedeutung der Familie bei der Entwicklung Schwedens vom rückständigen Agrarland bis heute umreißt die FAZ so: „Wallenberg finanzierte die Holzwirtschaft, die Eisenbahnen und die Erzgewinnung – wenn man will: die Industrialisierung Schwedens“. Kritiker nennen es eine „unheilige Allianz von Sozialdemokraten, Gewerkschaften und den Wallenbergs“, die das „schwedische Modell stütze“.

Die Wallenbergs erklären auf ihrer Website grundlegend, dass alle Zuschüsse und Aktivitäten „landsgagneliga“ sein sollen – sie sollen Schweden als Land zugute kommen.

Sie besitzen Anteile an mehr als 140 Unternehmen weltweit. Wie auf der Website investorab.com zu lesen ist, gehören dazu: ABB (Energie, Robotik, Stromnetze, industrielle Digitalisierung), Atlas Copco (Maschinenbau), AstraZeneca (Pharma), Electrolux (Haushaltsgeräte, Gastronomietechnik), Ericsson (Telekommunikation), Epiroc (Bergbau-, Infrastruktur und Rohstoffindustrie), Nasdaq (Börse), Store Enno (Papier), Husqvarna (Outdoor, Forstmaschinen, Bewässerung), Saab (Flug- und Rüstungskonzern), Scania (Lastwagen), Scandinavian Airlines, Wärtsilä (Stromversorgung Marine) und die SEB (Bank).

EQT beteiligte sich in Deutschland unter anderem an dem Augenoptik-Geschäft von Carl Zeiss, dem Kabelnetzbetreiber Kabel BW, der Starkstromanlagengruppe SAG, dem Duft- und Geschmackstoff-Anbieter Symrise und dem optischen Feinmechanikkonzern Leybold Optics. Weitere Beteiligungen gibt es bei dem Blockheizkraftwerkbetreiber G+E Getec, der Deutschen Glasfaser und dem Börsenkandidaten Ottobock.

Einer der Leitsprüche der Familien Wallenstein, welcher ebenfalls auf ihrer Website prangt, lautet: „Vom Alten zu dem zu wechseln, was kommen wird, ist die einzige Tradition, die es wert ist, aufbewahrt zu werden.“ Marcus „Dodde“ Wallenberg schrieb dies 1946 in einem Brief an seinen Bruder Jacob, um ihn davon zu überzeugen, das Interesse der Familie von der Eisenbahnindustrie auf die Gründung der Fluggesellschaft SAS zu legen.

Nun wechseln deutsche Daten von 68 Millionen Bürgern und rund sechs Millionen Unternehmen möglicherweise mehrheitlich zu einem privaten Familientrust ins europäische Ausland.

Eine Chance für die Bürgerfreundlichkeit

Thilo Weichert, bis 2015 Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein, sieht den Einstieg von EQT als Gewinn. Denn EQT will nicht nur stiller Investor sein und am wirtschaftlichen Erfolg der Schufa teilhaben:

„Vielmehr hat der Investor den erklärten Anspruch, dass seine Investitionen nützlich für die Gesellschaft sind, das heißt hier, dass Datenschutz und Verbraucherschutz gewahrt werden. Hieran hapert es bisher bei der Schufa gewaltig: Die Scoreberechnung [ist] ebenso wie das gesamte Geschäftsgebaren nicht transparent.“

Beschwerden von Betroffenen werden von der Schufa oft lapidar abgebügelt, erklärt er auf Anfrage der Epoch Times. Die Regelungen des Datenschutzes würden gerne umgangen. Über windige Informationen zur Selbstauskunft würden Betroffene dazu gebracht, unnötig der Schufa Geld hinterherzuwerfen. Zudem experimentiere die Schufa immer wieder mit unzulässigen Geschäftsmodellen.

Sein Fazit: „Sollte EQT seinen Einfluss dafür nutzen, hier mehr Compliance und Bürgerfreundlichkeit zu bewirken, so wie dies erklärtes Ziel von EQT ist, dann wäre dies ein großer Gewinn.“

Für den Datenschutz sieht der Experte bei der Übernahme von Schufa-Anteilen keine Gefahren durch EQT, sondern eher Chancen. Ob sich diese Chancen realisieren, sei aber völlig ungewiss. Zudem weist er darauf hin: „Dass der Investor seinen Sitz in Schweden hat, ist kein Problem: In Schweden gelten weitgehend die gleichen Regelungen zum Datenschutz wie in Deutschland, allen voran die Europäische Datenschutz-Grundverordnung, die auf die Schufa und auf EQT anzuwenden ist.“

Direkt auf die Kontodaten zugreifen

Die Schufa hat einen Jahresumsatz von mehr als 200 Millionen Euro und gilt als hochrentabel. Pro Tag geben die rund 900 Mitarbeiter der Schufa rund 490.000 Auskünfte an andere Unternehmen weiter, heißt es auf der Website des Unternehmens.

2018 kaufte die Schufa das Münchner Unternehmen Fin-API. Das Startup verfügt über etwas, was die Schufa nicht hatte: eine Lizenz der Finanzaufsicht Bafin, direkt Kontodaten der Menschen auslesen zu können.

Gehaltsdaten, Unterhaltszahlungen, Ausgaben für Auto oder Nahverkehr, Essen, Fitnessstudio oder Konzerte, Kinder und Bücher – die Schufa ist an den Daten interessiert. Ebenso an den Ausgaben der Bürger für Glücksspiele, Onlinegames oder Inkassoinstitute.

Für die Schufa sei die kontinuierliche Kontoeinsicht, eine regelmäßige Übertragung und die Speicherung der Daten ein Traum, für Datenschützer allerdings ein Alptraum, konstatierte der „Business Insider“.

Im November 2020 beendete die Schufa die Testphase des Kontoeinsicht-Programmes „Schufa Check Now“, welches zuvor mit dem Mobilfunkbetreiber O2 umgesetzt wurden war. Es war zu erkennen, dass gegen den Datenschutz verstoßen wurde. Eine Anfrage der Epoch Times bei dem Münchner Unternehmen finAPI ergab, dass das Vorhaben mit Daten- und Verbraucherschützern „Check Now“ zum „finAPI GiroCheck“ weiterentwickelt wurde. Jetzt erhalten die Betroffenen erheblich mehr Kontrolle über ihre Kontodaten. Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht untersucht aktuell das Projekt, die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.

Die Pressesprecherin der Schufa erklärt, dass das Unternehmen sein Produktangebot für Privat- und Firmenkunden kontinuierlich ausbaut. „Neben den klassischen Lösungen rund um Bonität, Scoring und Betrugsprävention entwickeln wir für unsere Unternehmenskunden zunehmend Produkte zur Einhaltung regulatorischer Anforderungen (z.B. zur Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung) und zur eindeutigen digitalen Identifizierung ihrer Kunden.“

EQT will transparenter sein

In einer Präsentation der Schufa zu aktuellen Produktentwicklungsansätzen, welche die „Süddeutsche Zeitung“ auswertete, hieß es 2019, dass das Unternehmen neue Scores plant. Dazu zählt die „Ergänzung bestehender Scores um zusätzliche Indikatoren, zudem Kontoführungsscores, integrierte Scores, diverse Affinitätsscores“.

Der Finanzinvestor EQT will beim Algorithmus zur Bonität der Verbraucher transparenter werden und erklären, welche Daten gespeichert werden und wie sie den Score beeinflussen, schrieb das „Handelsblatt“. Eine engere Einbindung von Datenschützern sei geplant.

Die Schweden planen zudem, die Schufa durch Akquisitionen in Europa breiter aufzustellen und das Geschäft deutlich auszuweiten. Auch das Geschäft mit der Kreditwürdigkeit von Firmen soll erweitert werden.

Prof. Dr. Alexander Roßnagel, hessischer Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit ist optimistisch: „Von der seitens EQT in Aussicht gestellten Transparenz, stärkeren Orientierung am Verbraucherschutz und dem Versprechen, dass es keine Speicherung von Datensätzen außerhalb von Europa geben werde, kann der Datenschutz vielleicht sogar profitieren.“



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