Rekordimporte bei Flüssiggas: Europa kauft weiterhin von Russland

Es geht offenbar nicht ohne Russland: Die EU importiert in diesem Jahr Rekordmengen an Flüssiggas aus der Föderation. Besonders aktiv sind dabei Belgien und Spanien.
Rekordimport beim LNG: Europa weiter abhängig von Russland
Dieses Jahr bezieht die EU besonders viel Flüssiggas aus Russland.Foto: iStock
Von 31. August 2023

Die Europäische Union importiert trotz ihrer Sanktionspolitik weiterhin große Mengen an fossilen Brennstoffen aus Russland. Beim verflüssigten Erdgas (LNG) wird in der EU in diesem Jahr von Rekordmengen gesprochen.

Von Januar bis einschließlich Juli waren Belgien und Spanien weltweit die zweit- und drittgrößten Importeure von russischem LNG hinter China, wie die „Financial Times“ berichtet. Die Daten stammen aus einer Analyse von Global Witness, einer Nichtregierungsorganisation.

Insgesamt ist die EU der mit Abstand größte LNG-Kunde Russlands. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres erhielten die EU-Staaten zusammen 21,6 Millionen Kubikmeter russisches LNG. Weltweit importierte die EU von Januar bis Juli 133,5 Millionen Kubikmeter LNG. Damit kamen rund 16 Prozent aus Russland.

Bisher keine Sanktionen für LNG

Nach Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 hatte die EU nach und nach Sanktionen für die Einfuhr russischer Rohstoffe wie Kohle, Rohöl und Diesel verhängt. Das waren laut „n-tv“ die Haupteinnahmequelle des russischen Staates. Für russisches LNG gelten bislang jedoch keine Einschränkungen.

Um das ausbleibende russische Pipeline-Gas zu ersetzen, haben europäische Unternehmen daher ihre LNG-Importe aus Russland stark erhöht. Mit 4,1 Millionen Kubikmetern ist der französische Energieriese TOTAL seit Jahresbeginn Russlands bester ausländischer Flüssiggas-Kunde.

40 Prozent höhere Importe

Insgesamt stiegen die EU-Importe des stark gekühlten Gases bis Ende Juli in diesem Jahr um 40 Prozent zum Vergleichszeitraum 2021 (dem Jahr vor Beginn des Ukraine-Kriegs). Auch weltweit stiegen die Importe von russischem LNG im gleichen Zeitraum an – jedoch mit 6 Prozent weitaus weniger stark.

Größter EU-Importeur von russischem Flüssiggas ist Spanien mit 7,47 Millionen Kubikmetern. Belgien und Frankreich folgen mit 7,08 und 4,51 Millionen Kubikmetern. Sowohl Spanien als auch Belgien importierten mehr Flüssiggas aus Russland im Jahr 2023 als im Jahr 2022. Frankreich hingegen hat seine Importmenge um mehr als ein Drittel gesenkt.

Jonathan Noronha-Gant, leitender Aktivist für fossile Brennstoffe bei Global Witness bezeichnete diese Entwicklung als „schockierend“. Denn gerade die Länder in der EU, die so bestrebt gewesen wären, „sich von russischem fossilen Gas zu entwöhnen, ersetzen es nun durch das verschiffte Äquivalent“. Noronha-Gant ergänzt: „Es spielt keine Rolle, ob es von einer Pipeline oder einem Boot kommt.“ Beim Transport mit großen Tankern ist die Umwelt- und Finanzbilanz schlechter, da diese zusätzlich Schweröl verbrauchen und teurer sind.

Mit den gestiegenen EU-Importen steigen auch die Einnahmen in Moskau, wie die „Tagesschau“ berichtet. Für das laufende Jahr geht Global Witness von rund 5,3 Milliarden Euro aus, die die EU-Staaten in russisches LNG investieren.

Im Mai: 6,3 Milliarden Kubikmeter LNG aus Übersee

Laut „Handelsblatt“ stehe Europa vor einer Premiere: Es sei das erste Jahr, in dem die EU-Staaten russisches Pipeline-Gas komplett ersetzen müssen.

Bis zum Sommer 2022 floss Gas über die beiden Nord-Stream-Leitungen – jährlich rund 55 Milliarden Kubikmeter, wie die „Berliner Zeitung“ berichtete. Anschließend stellte der Kreml die Lieferungen ein, im September 2022 kam es zur Sprengung von Nord-Stream 2.

Die russischen LNG-Lieferungen werden nur von denen aus den USA übertroffen – und zwar deutlich. Allein im Mai erhielt Europa insgesamt 6,3 Milliarden Kubikmeter Gas aus Übersee. Diese Mengen werden dabei bereits im normalen Gaszustand angegeben, also nach der Umwandlung des LNG in normales Erdgas.

Alex Froley, leitender LNG-Analyst beim Beratungsunternehmen ICIS, geht davon aus, dass der aktuelle Trend anhält: „Langfristige Käufer in Europa sagen, dass sie weiterhin vertraglich vereinbarte Mengen annehmen werden. Es sei denn, die Politik verbietet dies.“

Ein Einfuhrverbot von russischem LNG würde nach seiner Einschätzung zu einigen Störungen im Schiffsverkehr führen, da die globalen Handelsmuster neu geordnet werden müssten, „aber letztlich könnte Europa andere Lieferanten und Russland andere Käufer finden“.

Energieengpässe in Europa schließen Branchenbeobachter für die kommenden Monate aus. Momentan sind die europäischen Gasspeicher zu 92 Prozent gefüllt, die deutschen Speicher sind laut dem „NDR“ bereits zu 94 Prozent voll (Stand: 30. August 2023). Auch die schwächelnde chinesische Konjunktur führt dazu, dass weniger Druck am Markt herrscht.



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