Klimaschutz aufgenommen: EU-Parlament will Lieferkettengesetz weiter verschärfen

Am 1. Juni stimmt das EU-Parlament über ein gemeinschaftsweites Lieferkettengesetz ab. Dieses könnte noch weit über nationale Vorschriften hinausgehen.
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Näherinnen in Bangladesh (Symbolbild). Das Vorhaben der EU-Kommission geht über das für Deutschland geplante Lieferkettengesetz hinaus.Foto: Munir Uz Zaman/AFP via Getty Images
Von 25. Mai 2023

Am Donnerstag, 1. Juni, steht im EU-Parlament die Abstimmung über das geplante europaweite Lieferkettengesetz auf der Tagesordnung. Damit will man Unternehmen in die Pflicht nehmen, wenn es um die „Achtung von Menschenrechten und Umweltschutz in globalen Lieferketten“ geht.

In Deutschland gibt es bereits seit Anfang des Jahres ein derartiges Gesetz auf nationaler Ebene. Dieses richtet sich an Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten in Deutschland. Ab dem nächsten Jahr sollen auch solche mit mehr als 1.000 Mitarbeitern miteinbezogen werden. Betroffen sind auch Niederlassungen von Konzernen mit Sitz im Ausland, wenn sie die genannte Zahl an Mitarbeitern aufweisen.

Lieferkettengesetz könnte zu Rückzug aus wachsenden Märkten führen

Das deutsche Lieferkettengesetz schreibt unter anderem Berichtspflichten vor. Die Unternehmen sollen regelmäßig Auskunft darüber geben, wie sie ihren Sorgfaltsverpflichtungen gerecht werden. Vor allem auf Problemen wie Kinderarbeit, Sklaverei oder schlechte Arbeitsschutzstandards soll ein Fokus liegen. Allerdings sollen die Verpflichteten auch Umweltstandards oder Gewässerschutz im Auge behalten.

Die Unternehmen sollen Risikoanalysen vornehmen, Präventionsmaßnahmen in die Wege leiten, Abhilfe schaffen, wo dies möglich sei, und Beschwerdemöglichkeiten einrichten. Mittelbare Zulieferer trifft eine anlassbezogene Berichtspflicht. Verstöße gegen das Lieferkettengesetz können Bußgelder von bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes zur Folge haben. Maßstab dafür sollen Einflussmöglichkeit und Höhe des weltweiten durchschnittlichen Jahresumsatzes sein. Es droht zudem auch ein Verlust öffentlicher Aufträge.

Kritiker befürchten, dass das Gesetz Bürokratie schafft, ohne die Lebenssituation von Menschen zu verbessern. Vielmehr könnten Unternehmen darin einen Anlass sehen, sich aus bestimmten Märkten zurückzuziehen – und den Weg für Konkurrenten frei machen. China kennt ein Gesetz dieser Art beispielsweise nicht und bemüht sich seit Jahren darum, in Afrika, Asien oder Lateinamerika Fuß zu fassen.

Finanzsektor nach dem Willen des Rates nicht zwingend miteinbezogen

NGOs zeigen sich von den Bedenken hingegen unbeeindruckt. Sie fordern von den Abgeordneten des EU-Parlaments, das Lieferkettengesetz maximal auszudehnen und alle Unternehmen einzubeziehen. Entsprechend sollen auch Klein- und Mittelbetriebe in dessen Reichweite einbezogen werden.

Die EU-Kommission und der Rat sprechen bisher von Unternehmen ab 500 Beschäftigten und 150 Millionen Euro Jahresumsatz. In sogenannten Risikosektoren soll das Gesetz bereits ab 250 Beschäftigten und 40 Millionen Euro Jahresumsatz gelten. Der Finanzsektor soll nach dem Willen des Rates eine Opt-In-Möglichkeit haben, die Kommission will ihn verpflichtend einbeziehen.

Gegenstand der Kontrolle vonseiten der verpflichteten Unternehmen sollen nicht nur eigene Tätigkeiten sein. Vielmehr sollen sie auch das Gebaren von Tochterunternehmen und „etablierte Geschäftsbeziehungen“ im Auge behalten. Darunter versteht man die vorgelagerte und die nachgelagerte Wertschöpfungskette. Der Rat will bezüglich der nachgelagerten Wertschöpfungskette nur eine eingeschränkte Sorgfaltspflicht vorschreiben.

Lieferkettengesetz soll auch „Klimaschutz“-Komponente aufweisen

Anders als das nationale Lieferkettengesetz in Deutschland soll jenes in der EU auch eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen beinhalten. Genaue Bestimmungen finden sich in bisherigen Entwürfen dazu nicht. Nichtregierungsorganisationen oder Sozialverbände drängen jedoch schon jetzt das EU-Parlament, auch hier über die vorliegenden Vorschläge hinauszugehen.

Sie fordern zudem, die Sorgfaltsverpflichtungen auf den Klimaschutz auszudehnen. Zudem sollen Unternehmen verpflichtet sein, Gewerkschaften, Arbeitnehmervertreter und andere Stakeholder in den Berichtsprozess einzubeziehen.

Betroffene von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden hätten häufig keine faire Chance auf zivilrechtlichen Schadensersatz, beklagt beispielsweise die Arbeiterkammer (AK) Wien. Um dies zu gewährleisten, seien angepasste Beweislastregeln und Verjährungsfristen erforderlich.

JURI will Unternehmen Berichte zur Erreichung von Klimazielen aufbürden

Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments (JURI) hat in seinem Bericht mehrere Erweiterungsvorschläge aus NGO-Kreisen und Sozialverbänden miteinbezogen. Diese würden eine Verschärfung der vorliegenden Vorschläge bedeuten. Unter anderem sollen die Strafen bis zu fünf Prozent des Nettoumsatzes des Unternehmens erreichen können.

Unternehmen sollen zudem „Übergangspläne […] zur Erreichung des 1,5-Grad-Klimaziels“ vorlegen. Dazu sollen sie die Vorstandsvergütung an diese knüpfen.



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