Ortstermin in Afrika: Heil und Schulze unterwegs in Sachen Lieferkettengesetz

Die Minister Heil und Schulze besuchen Kakaoplantagen und Textilfirmen in Afrika. Anlass ist das Inkrafttreten des Lieferkettengesetzes am 1. Januar.
70 Prozent des weltweiten Kakaos kommt aus Westafrika. Doch unter welchen Umständen wird es produziert? Das EU-Lieferkettengesetz soll das nun kontrollieren.
70 Prozent des weltweiten Kakaos kommt aus Westafrika. Doch unter welchen Umständen wird es produziert? Das EU-Lieferkettengesetz soll das nun kontrollieren.Foto: Uli Deck/dpa
Von 20. Februar 2023

Seit Anfang des Jahres ist das sogenannte Lieferkettengesetz in Kraft. Zudem ist am Montag (20. Februar) der von der UNO ausgerufene „Welttag der sozialen Gerechtigkeit“. Aus diesem Grund reisen Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil für fünf Tage nach Afrika.

In Ghana und der Elfenbeinküste wollen sie unter anderem Kakaoplantagen und Textilproduktionsunternehmen besuchen. Beide Länder produzieren rund 70 Prozent des weltweiten Kakaos. Da dessen Preise auf dem Weltmarkt jüngst eingebrochen waren, nehme Kinderarbeit auf den Farmen zu. Auch in der Textilindustrie herrschten vielfach bedenkliche Bedingungen. Deren Lage werde durch Importe europäischer Secondhand-Kleidung weiter erschwert.

Bislang nur Unternehmen ab bestimmter Mitarbeiterzahl betroffen

Das Gesetz, das seit dem 1. Januar gilt, richtet sich vorerst an Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten in Deutschland. Ab dem nächsten Jahr sollen auch solche ab 1.000 Beschäftigten daran gebunden sein. Auch unselbstständige Niederlassungen ausländischer Unternehmen in Deutschland sind betroffen, sofern sie die angegebene Zahl an Mitarbeitern überschreiten.

Das Lieferkettengesetz, so die Bundesregierung, will den Schutz der „Menschen am Anfang der Lieferkette“ vor niedrigen Schutzstandards und Umweltzerstörung schützen. Da man offenbar den Betrieben vor Ort oder den dortigen Behörden nicht zutraut, die Situation in den Griff zu bekommen, seien in Deutschland ansässige Unternehmen gefordert.

Diese sollen nun „in ihren Lieferketten menschenrechtliche Sorgfaltspflichten beachten“ und regelmäßig dazu Bericht erstatten. Das Hauptaugenmerk soll dabei unter anderem Kinderarbeit, der Sklaverei ähnlichen Bedingungen und mangelnden Schutzstandards gelten. Allerdings sollen die Unternehmen auch Umwelt- und Gewässerschutz im Auge behalten.

Lieferkettengesetz schon von Vorgängerregierung angedacht

Die Unternehmen sollen Risikoanalysen vornehmen, Präventionsmaßnahmen in die Wege leiten, Abhilfe schaffen, wo dies möglich sei, und Beschwerdemöglichkeiten einrichten. Mittelbare Zulieferer trifft eine anlassbezogene Berichtspflicht. Adressat der Berichte ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Dort ist auch eine Meldestelle für Betroffene eingerichtet.

Das Lieferkettengesetz ist keine genuine Schöpfung der Ampelkoalition. Bereits 2018 hatte sich die Vorgängerregierung zur gesetzlichen Festlegung unternehmerischer Sorgfaltspflichten verpflichtet – sollten deutsche Großunternehmen nicht mehrheitlich selbst solche Standards definieren.

Zwei Jahre zuvor hatte die Bundesregierung mit dem „Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung“ (NAP) UN-Vorgaben umgesetzt. Knapp ein Drittel der ins Visier genommenen Unternehmen präsentierte jedoch bis zum Ende des Monitoringzeitraums 2020 entsprechende Pläne.

FDP setzte sich erfolglos für Verschiebung ein

Sollten die Unternehmen nicht in einer Weise gegen Missstände bei ihren Zulieferern vorgehen, wie es der Politik vorschwebt, drohen Bußgelder. Diese können bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes betragen – je nach Einflussmöglichkeit und Höhe des weltweiten durchschnittlichen Jahresumsatzes.

Darüber hinaus könnte die Verletzung des Lieferkettengesetzes einen Verlust öffentlicher Aufträge zur Folge haben. Eine zivilrechtliche Haftung ist derzeit nicht vorgesehen. Allerdings arbeitet die EU an einem Entwurf für ein eigenes Lieferkettengesetz. Unternehmen befürchten, dass dieses noch über die nationale Gesetzgebung in Deutschland hinausgehen könnte. Sogenannte zivilgesellschaftliche Organisationen fordern jetzt schon eine weitere Verschärfung. So sollen ihnen zufolge auch kleine und mittlere Unternehmen oder mittelbare Zulieferer vollumfänglich in das Gesetz einbezogen werden.

Zuletzt hatte die FDP innerhalb der Koalition versucht, das Inkrafttreten des Gesetzes zu verschieben. Sie verwies auf das „Belastungsmoratorium“, das auch die Bundesregierung selbst den von der Energiekrise gebeutelten Unternehmen in Aussicht gestellt hatte. Die Partei scheiterte damit einmal mehr am Widerstand ihrer Koalitionspartner.

BDI: Lieferkettengesetz könnte Unternehmen aus Afrika vertreiben

Für Bundesarbeitsminister Heil ist die Sache klar:

Wer global wirtschaftet, wer global Gewinne macht, muss auch global Verantwortung übernehmen.“

Für die betroffenen Unternehmen stellt das Lieferkettengesetz hingegen eine Belastung bei der Diversifizierung der Lieferkette dar.

Wolfgang Niedermark von der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Industrie (BDI) sieht jetzt schon, dass erste Unternehmen ihre Afrika-Pläne begrüben oder sich zurückzögen. Grund dafür seien die Bürokratie und die Unsicherheiten, die das Lieferkettengesetz schaffe.

Der BDI befragte dazu auch Unternehmen. Demnach gaben 65 Prozent der Unternehmen an, dass das Lieferkettengesetz ihre Afrika-Aktivitäten erschweren würde. Niedermark äußerte dazu gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND):

Wir alle wollen saubere Lieferketten, aber die erreichen wir nicht durch bürokratische Überforderung.“

Befürworter gehen von überschaubaren Mehrkosten aus

Kritiker weisen zudem darauf hin, dass die Kriterien zu Willkür und Doppelstandards einladen würden. So seien etwa die Importe aus der chinesischen Provinz Xinjiang, wo das KP-Regime muslimische Uiguren blutig unterdrückt, im Vorjahr in der gesamten EU gestiegen.

Außerdem bestehe eine Diskrepanz zwischen eigenen Plänen zur Förderung des Elektroautos und den Bedingungen, unter denen dafür erforderliche Rohstoffe gefördert würden. Befürworter strenger Regelungen hingegen erklären, dass eine saubere Lieferkette lediglich zu überschaubaren Kostensteigerungen von weniger als einem Prozent des Umsatzes führten.

(Mit Material von dpa und dts)



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