Ideologie statt Gastfreundschaft? Habeck verkündet „Nationale Tourismusstrategie“

Weniger fliegen, mehr CO₂ einsparen: Das sind die wesentlichen Anliegen von Minister Habecks „Nationaler Tourismusstrategie“. Die Branche reagiert verhalten.
Schloss Bernburg
Gymnasium Carolinum und Schloss Bernburg an der Saale: Die Zahl der Nächtigungen von Touristen hat immer noch nicht wieder das Niveau von 2019 erreicht. Die „Nationale Tourismusstrategie“ liefert kaum Antworten, befürchtet die Branche.Foto: Textbüro Freital
Von 30. Mai 2023

Der Tourismus hat in Deutschland in besonderer Weise unter den Krisen der vergangenen Jahre gelitten. Die Corona-Restriktionen trafen Hotels, Gastgewerbe und Reisebranche länger und härter als viele andere Wirtschaftsbereiche. Der Ukraine-Krieg belastete auch den Tourismus aus den betroffenen Ländern. Dazu kommen der Fachkräftemangel in Deutschland und speziell im Ahrtal die Flutkatastrophe. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat jüngst die „Nationale Tourismusstrategie“ präsentiert – doch in dieser ist nur wenig von den genannten Belastungsfaktoren die Rede.

„Nationale Tourismusstrategie“ im Dezember 2022 in Auftrag gegeben

Bereits im Dezember des Vorjahres hatte die Ampel ihre Eckpunkte zur „Nationalen Plattform Zukunft des Tourismus“ beschlossen. Sie sollte zur Grundlage für die „Nationale Tourismusstrategie“ werden. Mit der Vorbereitung beauftragte man als externen Dienstleister die Münchner Managementberatung Dr. Fried & Partner.

Der Tourismusausschuss des Bundestags wandte sich anschließend an zentrale Verbände der Branche. Darunter waren der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW), der Deutsche Reiseverband (DRV) und die Reisebüro-Organisation VUSR.

Dass neben Fachkräftesicherung, Digitalisierung und Wettbewerbsfähigkeit auch die Faktoren „Klimaneutralität“ und „Umwelt- und Naturschutz“ eine Rolle spielen würden, war angekündigt. Umso irritierter zeigte man sich in der Branche anlässlich der einseitigen Ausrichtung der Auftaktveranstaltung im Ministerium Mitte Mai.

Wie ist Ihre Bereitschaft zu Klima-Einschränkungen? Nehmen Sie an unserer Umfrage teil:

Bearbeitungsstau in deutschen Konsulaten in Hauptherkunftsländern

Wie das „Handelsblatt“ berichtet, sieht man dort kaum konkrete Aussagen zum angekündigten Ziel, die „Wettbewerbsfähigkeit und Krisenfestigkeit der Tourismusbranche zu stärken“. Stattdessen standen bei der Vorstellung der „Nationalen Tourismusstrategie“ völlig andere Anliegen im Vordergrund.

Habeck lobte die touristischen Qualitäten seines Wohnorts – um damit zu illustrieren, dass man auch in Deutschland Urlaub machen könne, statt in entfernte Länder zu fliegen. Gleichzeitig sorgt ein Bearbeitungsstau in deutschen Konsulaten dafür, dass auch aus dem Ausland nicht mehr so viele Touristen ins Land kommen.

In den deutschen Vertretungen in Ländern wie Südafrika, China, Thailand, Indien, Indonesien, Vietnam oder den Golfstaaten beträgt die Wartezeit auf Visa bis zu 16 Wochen. Für viele Reiselustige ein Grund, auf Alternativen wie Frankreich, Österreich oder Süd- und Südosteuropa auszuweichen. Dabei ist Deutschland international immerhin das dritthäufigste Reiseziel nach Italien und Spanien.

Nächtigungsniveau von vor Corona immer noch nicht erreicht

Die Tourismusbranche in Deutschland setzt Jahr für Jahr etwa 330 Milliarden Euro um. Ihr Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung liegt Expertenschätzungen zufolge bei etwa vier Prozent. Direkt oder indirekt hängt dem BTW zufolge jeder elfte Arbeitsplatz vom Tourismus ab.

Gleichzeitig hat die Branche im Vorjahr erst 76 Prozent der Auslastung des Vor-Corona-Jahres 2019 erreicht. Auch im März dieses Jahres lag sie erst bei 85 Prozent des Referenzwerts. Bereits in den Corona-Jahren 2020 und 2021 hatte die Zahl der Nächtigungen um 40 Prozent gegenüber 2019 abgenommen.

Das Ahrtal, das vor zwei Jahren von einer verheerenden Flutkatastrophe heimgesucht wurde, hatte zuvor mit einem Umsatz von etwa 260 Millionen Euro zur Gesamtbilanz beigetragen. Bis dato gibt es, wie der lokale DEHOGA-Verband kritisiert, noch nicht einmal einen Bundesbeauftragten, um den Wiederaufbau zu koordinieren.

Sorgen der Branche spielten bei Vorstellung der „Nationalen Tourismusstrategie“ kaum eine Rolle

Stattdessen sprach Habeck Branchenvertretern zufolge bei der Präsentation der „Nationalen Tourismusstrategie“ andere Themen an. So soll die Vermarktungsagentur DZT ihre Kampagnen im Ausland auf stärkere Werbung für „Bahn und Bus für die Anreise nach Deutschland“ ausrichten. Inwieweit diese zweifellos CO₂-emissionsärmeren Beförderungsoptionen etwa für südostasiatische oder afrikanische Gäste eine Option darstellen sollen, blieb offen.

Zudem spricht der Entwurf zwar viel von Themen wie „Berechnung von CO₂-Emissionen bei Jugendreisen“, „Stärkung des ÖPNV“, oder eine „Reduzierung von Flugreisen“ bei Geschäftsreisenden. Auch warnt Habeck vor CO₂-Abgaben und Strafzahlungen bei Nichterfüllung von Vorgaben.

Nicht zur Sprache kamen hingegen Themen wie die ab 2024 drohende Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Speisen von sieben auf 19 Prozent. Diese stellt angesichts der ohnehin hohen Teuerung, der Energiekosten und pandemiebedingter Kredite einen weiteren Belastungsfaktor für die Branche dar. Auch von einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten im Tourismus ist keine Rede.

Die Wirtschaft verspricht sich Impulse gegen den Fachkräftemangel. Andernfalls, so die Befürchtung, wäre „bei Hochzeitsgesellschaften in unseren Häusern ab ein Uhr nachts Schluss“, so Dorint-Aufsichtsratschef Dirk Iserlohe. In dem Entwurf des Ministeriums heißt es dazu: Mit den Willkommenslotsen und dem ‚Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge‘ unterstützt die Bundesregierung Unternehmen bei der Besetzung von offenen Ausbildungs- und Arbeitsstellen mit Geflüchteten; ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei aktuell auf Geflüchteten aus der Ukraine, für die gerade der Tourismussektor eine Perspektive bieten kann.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion