Vielfältige Gründe
Hohe Nachfrage und leere Speicher: Warum die Gaspreise steigen und steigen

Ausreichend gefüllte Gasspeicher sind wichtig, um Engpässe überbrücken zu können. Symbolbild.
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Auf den internationalen Märkten hat der Gaspreis nie dagewesene Höhen erreicht. Die Gründe dafür sind vielfältig:
Wie entsteht der Gaspreis?
Prinzipiell wird der Gaspreis für private Haushalte von drei Faktoren beeinflusst: den Gaspreisen auf den internationalen Märkten, den Netzentgelten sowie Steuern und Abgaben, darunter auch der CO2-Preis.
Laut Branchenverband BDEW wurden im ersten Halbjahr 2021 für ein Einfamilienhaus durchschnittlich 6,22 Cent pro Kilowattstunde (kWh) Erdgas fällig. Der größte Teil entfiel dabei mit 2,55 Cent auf Beschaffung und Vertrieb. 1,64 Cent wurden für das Netzentgelt fällig. 0,99 Cent waren Mehrwertsteuer, 0,55 Cent entfielen auf die Erdgassteuer und weitere 0,46 Cent auf die CO2-Abgabe.
Wie hat sich der Gaspreis entwickelt?
Der wichtigste Gasmarkt für Kontinentaleuropa ist die Title Transfer Facility (TTF) in den Niederlanden. Es handelt sich um einen virtuellen Handelspunkt, an dem mit Erdgas gehandelt wird. Steigt der Preis hier, steigen auch die Beschaffungskosten für Gasanbieter – und letztendlich für Verbraucher.
Der TTF-Gaspreis steigt seit März 2021 kontinuierlich an – aktuell liegt er bei etwa 87 Euro pro Megawattstunde, doppelt so hoch wie Anfang September. Anfang Oktober erreichte der Preis kurzzeitig schon mal 155 Euro. Zum Vergleich: Zwischen Oktober 2019 und März 2021 schwankte der Preis konstant zwischen 15 und 20 Euro pro Megawattstunde.
Was sind die Gründe?
Der Winter kommt, die Nachfrage steigt und damit der Preis. Hinzu kommen aktuell außergewöhnlich niedrige Lagerbestände in der EU. Europaweit sind die Lager aktuell nur zu gut 77 Prozent gefüllt, in Deutschland sind es rund 70 Prozent. Laut dem Rohstoffanalysten der Commerzbank, Carsten Fritsch, wären zu dieser Jahreszeit Lagerbestände von über 90 Prozent normal.
Die niedrigen Füllstände erklären sich laut Fritsch unter anderem durch einen sehr windschwachen Sommer, in dem wenig Windenergie produziert und somit häufiger auf Gas zur Stromerzeugung zurückgegriffen wurde.
Gleichzeitig gab es weniger Erdgaslieferungen, beispielsweise aus Russland. Auch der Wirbelsturm Ida in den USA Ende August wirkte sich negativ auf die Gaslieferungen aus: Im betroffenen Golf von Mexiko liegen die wichtigsten Exportterminals für Flüssiggas.
Laut dem Energieexperten der Unternehmensberatung Horvath, Andreas Schwenzer, haben sich viele der Gasspeicherbetreiber verschätzt: Angesichts leicht erhöhter Preise entschieden sie sich im Sommer gegen eine Aufstockung ihrer Vorräte – doch die Preise stiegen im Laufe des Jahres immer weiter an.
Auch die Corona-Pandemie spielt eine Rolle: Viele Volkswirtschaften erholten sich nach der Corona-Pandemie schneller als erwartet, erklärt Schwenzer. Eine erhöhte Energienachfrage weltweit ist die Folge, auch die Gaspreise steigen an.
Welchen Anteil haben Steuern, Abgaben und Netzentgelte?
Kosten wie Steuern oder Netzentgelte haben laut dem Energieexperten des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Martin Brandis, keinen entscheidenden Anteil an den aktuellen Preissteigerungen für Gaskunden. Zwar kann es auch hier zu Preiserhöhungen kommen, beispielsweise bei der schrittweisen Anhebung des CO2-Preises. Akut sind es jedoch die Marktpreise, die den Gaspreis für Verbraucher nach oben drücken.
Welche Rolle spielt Russland?
Der Vorwurf steht im Raum: Russland könnte bewusst Gaslieferungen zurückgehalten haben, um Druck auf die Bundesregierung auszuüben und eine Betriebsgenehmigung für die mittlerweile fertiggestellte Pipeline Nord Stream 2 zu erwirken. Der Kreml wies diese Vorwürfe bereits zurück.
Eine vorsätzliche Verknappung ist bisher nicht nachgewiesen worden, Energieexperte Schwenzer verweist auf das insgesamt „extrem hohe Preisniveau“ auf den globalen Energiemärkten. Auch der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder sieht die Hauptursache nicht in Russland, sondern in der wachsenden Nachfrage Chinas, wie er in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“ schrieb.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte kürzlich, nach ihrer Information halte sich Russland an vereinbarte Bestellungen. Es stelle sich daher die Frage, ob genug Gas bestellt werde. (afp/dl)
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