Wettlauf um Mikrochips: „Wir werden links und rechts überholt“
Die Welt ist im Wettlauf um die Ansiedlungen neuer Chipfabriken. Aktuell kommen Zweidrittel der weltweiten Mikrochips aus Ostasien. Nun starten die USA und Europa eine Aufholjagd. Doch während die Amerikaner bereits Nägel mit Köpfen machen, debattieren die Europäer noch über die Förderung.
Vertreter der Chipindustrie mahnen zur Eile. „Wir werden links und rechts überholt, und zwar auch von Ländern wie Südkorea oder Japan, die kleiner sind als die EU“, sagte Andreas Gerstenmayer, Chef des Technologiekonzerns AT&S, gegenüber dem „Handelsblatt“.
Dabei geht es längst um viel mehr als nur darum, bei innovativen Technologien die Nase vorn zu haben. Kaum ein elektronisches Gerät kommt ohne die Mikrochips aus. Ob in Autos, Smartphones, Computer, Bussen oder Bahnen – ohne die Halbleiter geht in der Wirtschaft nicht mehr viel. Die Chipbranche ist längst zu einer Schlüsselindustrie geworden. Laut eigenen Einschätzungen ist Taiwans Chiphersteller TSMC für mehr als 90 Prozent der weltweit produzierten High-End-Chips verantwortlich.
Was passieren kann, wenn es zu Engpässen bei den Mikrochips kommt, haben Industrie und Konsumenten spätestens seit dem Jahr 2020 erlebt. Produktionsausfälle und Kurzarbeit hatte zeitweise die Autoindustrie lahmgelegt.
Nicht ohne Grund hat US-Präsident Joe Biden die Herstellung hochmoderner Computerchips in den USA als eine Frage der nationalen Sicherheit bezeichnet. Er will die heimische Chipproduktion mit insgesamt 280 Milliarden Dollar ankurbeln. TSMC hat jüngst angekündigt, eine weitere Fabrik in Arizona zu bauen.
Europas ehrgeiziges Ziel
Auch Europa hat sich hier ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2030 will man den europäischen Anteil an der weltweiten Chipproduktion von derzeit 10 auf 20 Prozent erhöhen. Dafür müsste sich die Produktion auf europäischem Boden in den nächsten Jahren vervierfachen. Die Europäische Kommission berät in diesem Zusammenhang seit Monaten über ihren „Chips Act“.
Geplant sind 43 Milliarden Euro an öffentlichen Fördermitteln, was aus der Sicht von AT&S-Vorstand Gerstenmayer deutlich zu wenig sei. Für ein derartiges Vorhaben würde das Budget in den USA oder China „um die 150 Milliarden Dollar“ betragen.
Das ist um Potenzen mehr. Wir müssen größer denken und solche Beträge auch für Europa aufstellen, um den Aufholprozess zu schaffen“, sagte Gerstenmayer.
Technologiekonzerne zieht es nach Malaysia
Weltweit wird kräftig investiert – ob in die Forschung, Entwicklung oder Herstellung von Mikrochips. Führende Chipkonzerne schauen sich gerade nach geeigneten Standorten für ihre Milliardeninvestitionen um. Dabei gibt es einen entscheidenden Faktor, sagte Chipexperte Albert Heuberger: Die Unternehmen „werden ihre Standortentscheidung davon abhängig machen, wo es das richtige Personal gibt“.
Das ist ein Grund, weshalb AT&S sich gegen eine Investition in Europa entschieden hat. Der Technologiekonzern hatte sich weltweit 200 Standorte angeschaut. „Europa leidet unter einem eklatanten Mangel an qualifiziertem Personal“, so AT&S-Chef Gerstenmayer gegenüber dem „Handelsblatt“. „Das betrifft nicht nur Ingenieure, sondern ist schon bei den Arbeitern spürbar.“
Stattdessen lässt das Unternehmen rund 1,7 Milliarden Euro in ein neues Werk in Malaysia fließen. Das Land „ist schon heute eine wichtige Drehscheibe für die Chip-Lieferkette“, sagte Gerstenmayer.
Damit steht AT&S nicht allein. Zahlreiche Unternehmen der Chipindustrie folgen dieser Strategie. Auch Deutschlands führender Chiphersteller, Infineon, lässt eine neue Fabrik für rund zwei Milliarden Euro in der malaysischen Stadt Kulim bauen. Malaysia gilt als sicherer Standort, da das Land nicht in den globalen geopolitischen Konflikten verwickelt ist.
Der Trend geht dahin, dass viele Unternehmen sich unabhängig von China machen wollen – nicht zuletzt aufgrund der US-Sanktionen gegen die chinesische Chipindustrie. Auch über die Gefahr von Industriespionage in China ist man sich bewusst. So weisen westliche Analysten daraufhin, dass Chinas „neue Errungenschaft“ – ein Mikrochip mit 7-nm-Bauweise – fast eine Eins-zu-Eins-Kopie eines TSMC-Designs ist.
Droht bald ein Überangebot?
Für Deutschland gibt es durchaus positive Aussichten. Technologieriesen wie Bosch, Intel und Infineon haben angekündigt, in Deutschlands Halbleitergeschäft zu investieren. Bis 2026 will Bosch drei Milliarden Euro in die Chipproduktion stecken, kündigte das deutsche Unternehmen an. So sollen in Reutlingen und Dresden neue Halbleiter-Entwicklungszentren entstehen. Darüber, ob und wie viel staatliche Fördergelder in das Vorhaben fließen, machte Bosch keine Angaben.
Auch Chiphersteller Infineon hat große Pläne angekündigt. Fünf Milliarden will der Konzern für den neuen Standort Dresden ausgeben und 1.000 Arbeitsplätze schaffen. Allerdings steht die Investition noch unter der Voraussetzung einer „angemessenen öffentlichen Förderung“. Stimmt die staatliche Subvention, könnte das Werk bis Herbst 2026 den Plänen zufolge produktionsbereit sein.
Der US-Konzern Intel plant indes ein neues Halbleiterwerk in Magdeburg zu errichten. Dafür hat das Unternehmen 17 Milliarden Euro veranschlagt. Das Problem: Für das neue Werk von Intel gebe es nicht genügend Abnehmer in Europa, warnte Alan Priestley vom Marktforscher Gartner. Das Unternehmen argumentierte hingegen, dass es von Magdeburg aus für den Weltmarkt produziere.
Intel stellt Prozessoren her, die etwa für Computer und Smartphones gebraucht werden. Marktforscher stellen aber derzeit einen Einbruch des PC-Marktes fest. Dieser Abschwung hat auch Intel stark getroffen.
Angesicht des rasanten Ausbaus der Produktion könnte es schneller als gedacht zu einem Überangebot von Mikrochips kommen. Branchenanalyst Priestley prognostiziert dieses Szenario bereits für das Jahr 2023 oder 2024.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion