Was könnte Taiwan tun, um Peking von einem Überfall abzuhalten?

Was könnte eine Invasion Pekings in Taiwan verhindern? Eine heikle Frage und eine noch heiklere Antwort.
Studie: Chinesisches Militär trainiert mit US-Halbleitern ihre KI
Halbleiter sind Grundbausteine der Elektronik und IT-Technik.Foto: iStock
Von 19. Januar 2022
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Smartphones, Laptops, E-Autos. Apple, Tesla, Nvidia und auch Chip-Schwergewichte wie Intel sowie AMD haben eines gemeinsam: Alle lassen von der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company, kurz TSMC, ihre Halbleiter fertigen. Auf Taiwans Rücken ruht ein Großteil der Weltwirtschaft.

Auf der Insel im Südchinesischen Meer werden die vermutlich besten Halbleiter der Welt fabriziert. Von hier stammen die extrem hochwertigen Chips, ohne die 5G, künstliche Intelligenz, virtuelle Realitäten, das Internet der Dinge oder Quantencomputer – kurz, die kommende Digitalisierung – nur eine Illusion bleiben.

Begehrlichkeiten und ein „heißer Krieg ohne Waffen“

Entwickelt beispielsweise Apple neue Prozessoren, Schaltkreise und Leiterplatten, dann entsteht im Wesentlichen nur das Design. Die Daten werden anschließend nach Taiwan geschickt und der Halbleiter dort fabriziert. Apple vertraut darauf, dass seine Pläne von TSMC nicht gestohlen werden.

Einzig die Taiwaner sind weltweit in der Lage, modernste Halbleiter im 5-Nanometer-Bereich kontinuierlich zu fertigen. Angestrebt wird 2022 die Produktion von 3-Nanometer-Chips. Nur der südkoreanische Konzern Samsung kann in gewissem Umfang bei den 5-nm-Chips mithalten.

Das weckt Begehrlichkeiten, vor allem in Peking. Die Kommunistische Partei Chinas beansprucht die Insel für sich, obwohl Taiwan ein eigener Staat ist, mit eigenen demokratisch gewählten Beamten, eigenem Militär und eigener Währung.

Die Situation zwischen Taiwan und dem kommunistisch regierten China ist zum Zerreißen gespannt. Ein Krieg kann nicht mehr ausgeschlossen werden. Unter der Hand wird mit einem Angriff Pekings nach den Olympischen Winterspielen gerechnet.

„Es ist ein heißer Krieg. Es ist jetzt noch ein Krieg ohne Munition, aber jede Seite ist eigentlich schussbereit“, sagte Prof. Dr. Jhy-Wey Shieh, Botschafter von Taiwan in Deutschland im Interview mit der Epoch Times im Oktober.

Was könnte Taiwan tun, um Peking von einem Überfall abzuhalten?

Wie könnte eine Invasion Pekings verhindert werden? Genau dieser Frage sind zwei Strategen nachgegangen, Jared McKinney und Peter Harris. Ihr im U.S. Army War College veröffentlichter Bericht schlug global ein wie ein gigantischer Sprengsatz. Er wurde zu dem am meisten heruntergeladenen PDFs auf „Parameters“, der offiziellen Zeitschrift der US-Armee.

Jared McKinney ist Vorsitzender der Abteilung für Strategie und Sicherheitsstudien an der eSchool of Graduate Professional Military Education der Universität der Luftfahrt und Peter Harris außerordentlicher Professor für Politikwissenschaft an der Colorado State University.

In ihrem Dokument „Broken Nest: Deterring China from Invading Taiwan“ schlagen sie Taiwan eine harte Abschreckungspolitik vor: Im Falle einer chinesischen Invasion sollte die Insel seine Halbleiterfabriken und TSMC zerstören.

McKinney und Harris empfehlen den taiwanischen Behörden, einen „automatischen Mechanismus“ zur Zerstörung der TSMC-Werke einzurichten. Dieser soll „ausgelöst werden, sobald eine Invasion [durch Peking] bestätigt würde“.

Und weiter: „Darüber hinaus könnte Taiwans Führung jetzt bekannt geben, dass sie nicht zulassen wird, dass diese Industrien in die Hände eines Gegners fallen.“ Staaten wie die USA und ihre Verbündeten könnten das Vorhaben unterstützen, indem sie ankündigen, hoch qualifizierten Taiwanern, die in diesem Sektor arbeiten, Zuflucht zu gewähren und auch, indem sie Taipeh helfen, Notfallpläne für eine schnelle Evakuierung auszuarbeiten.

Im Mittelpunkt der Antikriegsstrategie steht Chinas starke Abhängigkeit von der Einfuhr von Halbleitern. „Das Ziel muss sein, die chinesische Führung davon zu überzeugen, dass eine Invasion Taiwans auf Kosten der wichtigsten nationalen Ziele geht: Wirtschaftswachstum, innere Ruhe, sichere Grenzen und vielleicht sogar die Aufrechterhaltung der Legitimität des Regimes.“

Die Herausforderung bestünde darin, diese Drohung für das chinesische Regime glaubwürdig zu machen, schreiben die Autoren. „Wenn China vermutet, dass Taipeh eine solche Drohung nicht wahr macht, wird die Abschreckung scheitern.“ Es wäre eine Strategie der „verbrannten Erde“, die Taiwan nicht nur langfristig unattraktiv, sondern zudem auch kostspielig im darauffolgenden Unterhalt machen würde.

Für Taiwan ist dieser Bericht so sensibel, dass sich keine offizielle Stelle gegenüber der Epoch Times dazu äußern wollte.

Was wären die Folgen?

Zunächst einmal würde eine Invasion in Taiwan und die Zerstörung von TSMC in China unmittelbar zu einer schweren Wirtschaftskrise führen. „Es käme nicht zu dem technologischen Aufschwung, von dem einige als Ergebnis der Übernahme der robusten taiwanischen Technologieindustrie durch die Volksrepublik China ausgehen“, schreiben McKinney und Harris.

Nur sechs Prozent der in China verwendeten Halbleiter wurden 2021 in China selbst hergestellt. Chinas Führung könnte daher annehmen, das Problem, keine Spitzenhalbleiter produzieren zu können, durch eine „Wiedervereinigung mit Taiwan“ lösen zu können, vermutete das US-amerikanische Halbleiter-Marktforschungsunternehmen IC Insights im Oktober 2021.

Peking importierte im Jahr 2020 Halbleiter im Wert von über 350 Milliarden Dollar, der wichtigste Lieferant ist TSMC. Ein Ausfall der Chipindustrie Taiwans „würde bedeuten, dass Chinas Hightechindustrien genau zu dem Zeitpunkt lahmgelegt würden, an dem das Land in massive Kriegsanstrengungen verwickelt wäre. Selbst wenn der Krieg formal beendet wäre, würden die wirtschaftlichen Kosten noch jahrelang anhalten“, schreiben die Autoren.

Global: Zurück in die digitale Steinzeit

Im globalen Maßstab betrachtet würde ohne TSMC die auf winzigste Bauteile setzende Digitalisierung ausfallen. Keine Industrie 4.0, sondern zurück in die digitale Steinzeit. Zumindest bis neue Fabriken gebaut wären und diese auf dem Qualitätsniveau und der Menge der Taiwaner produzieren können. Das könnte dauern.

Schon jetzt herrscht weltweit ein Mangel an Halbleitern. Über die Hälfte aller Halbleiter werden bei TSMC produziert, Samsung steuert 18 Prozent der Weltproduktion bei. TSMC arbeitet für 510 Spitzenunternehmen der Branche und ist zu 100 Prozent ausgelastet. Allein Apple macht 25 Prozent des Geschäftes aus. TSMC stellte 2020 mithilfe von 281 spezialisierten Prozesstechnologien rund 11.620 Produkte her, im Dezember 2021 betrug der Nettoumsatz 5,609 Milliarden US-Dollar.

Andere Staaten erkannten 2020 ihren Chipmangel und wollen gegensteuern, indem sie (auch mithilfe von TSMC) eigene Fabriken auf anderen Kontinenten errichten. Wann die als Fabs bezeichneten Werke in Arizona (USA), in Europa oder Japan fertig werden und ihre Arbeit aufnehmen, sei dahin gestellt – zumindest könnten sie einen Gesamtausfall von TSMC nicht sofort ausgleichen.

Auch die deutsche Regierung ist interessiert, die Gespräche sind in einem frühen Stadium. Verschiedene Faktoren wie staatliche Subventionen, Kundennachfrage und der Talentpool würden die endgültige Entscheidung beeinflussen, erklärte Lora Ho, Senior Vice President of Europe and Asia Sales bei TSMC, am Rande eines Technologieforums in Taipeh. In den 1990er-Jahren war Europa eine echte Größe in der Chip-Produktion, damals erreichten die Staaten 44 Prozent Anteil am Weltmarkt. Bis 2030 will die EU wieder rund 20 Prozent der benötigten Chips vor Ort fertigen.

14 Stunden, 24 Stunden

Zurück zu Taiwan. McKinney und Harris sprachen einige weitere Empfehlungen aus, die Peking von der Eroberung Taiwans abhalten könnten. Dazu zählt die Androhung einer globalen Sanktionskampagne in Bezug auf sämtliche Chipexporte nach China. Auch die Erlaubnis an US-Verbündete wie Japan, Südkorea und Australien, eigene Atomwaffen entwickeln zu können, sehen sie als möglicherweise wirksam an: „Wenn die Strafen für eine Invasion Taiwans streng und glaubwürdig genug sind, könnte Peking immer noch davon abgehalten werden, einen solchen Weg einzuschlagen.“

Peking glaube, dass es für eine erfolgreiche Übernahme Taiwans 14 Stunden benötigen würde, berichtete ein chinesischer Analyst mit Verbindungen zur chinesischen Marine, auf den sich McKinney und Harris beziehen. Zudem erwarte die kommunistische Führung, dass die Vereinigten Staaten und Japan erst nach 24 Stunden reagieren würden.

Daher warnen sie: „Wenn dieses Szenario annähernd zutreffend ist, könnte Chinas Regierung durchaus geneigt sein, vollendete Tatsachen zu schaffen, sobald sie von ihren relativen Fähigkeiten überzeugt ist.“ Die chinesische Volksbefreiungsarmee sei heute so stark, dass sie „Taiwan wahrscheinlich selbst dann überrennen könnte, wenn die Vereinigten Staaten zur Verteidigung Taipehs eingreifen würden.“

Peking sollte überzeugt werden, dass eine militärische Invasion Taiwans keine Vorteile mit sich bringt, während die Aufrechterhaltung des Status quo erhebliche Vorteile bietet. Die Autoren weisen in ihrem Fazit auch klar und deutlich darauf hin, dass die Vereinigten Staaten keine Maßnahmen ergreifen sollten, die Chinas Führung als Kriegshandlung interpretieren könnte. Dann könnte Peking „Erstschläge gegen die US-Streitkräfte veranlassen“. Diese Möglichkeit müsse ernsthaft in Betracht gezogen werden.

Eines haben Jared McKinney und Peter Harris bereits erreicht: Die „Broken Nest“-Strategie wird weltweit debattiert. Und sicher ist auch: Weder die USA noch Brüssel möchten gezwungen sein, künftig ihre Mikrochips zum Großteil aus Peking zu beziehen.



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