Deutlich mehr Insolvenzen in Deutschland – Experten erwarten weiteren Anstieg im vierten Quartal
Die Zahl der Insolvenzen hat im bisherigen Verlaufe des Jahres in ganz Deutschland deutlich zugenommen. Vor allem in den vergangenen Monaten war die Steigerung signifikant. Experten gehen auch für die kommenden Monate nicht von einer Beruhigung der Lage aus.
Deutschlandweit haben die Amtsgerichte im ersten Halbjahr 2023 um 20,5 Prozent mehr Fälle von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gemeldet als im Vergleichszeitraum 2022. Das berichtet der „Münchner Merkur“ unter Berufung auf das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).
NRW: Deutlich größerer Anstieg bei Insolvenzen von Unternehmen
Im September lag die Zahl der Firmenpleiten demnach bei 1.016. Dies sei zwar keine signifikante Steigerung gegenüber dem August, allerdings ein Plus von 33 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres.
In Nordrhein-Westfalen, dem größten deutschen Bundesland, waren die jüngst bekanntgegebenen Zahlen noch besorgniserregender. Im Oktober meldete das dortige Statistische Landesamt die Angaben der Amtsgerichte vom August. In diesen war die Rede von 462 beantragten Insolvenzverfahren. Gegenüber dem August 2022 wäre dies jedoch ein Plus von 56,1 Prozent. Zudem sei es die höchste Zahl an Unternehmensinsolvenzen seit Januar 2020.
Bei den Verbraucherinsolvenzen ist die Entwicklung nicht ganz so drastisch, aber auch dort geht es deutlich nach oben. Hier spricht das Statistische Landesamt von 1.593 Fällen im August – um 23,3 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
Im Jahr 2009 war die absolute Zahl der Firmenpleiten deutlich höher
Experten sind sich unterdessen einig, dass mit einem Ende der Aufwärtsentwicklung bei den Insolvenzen im letzten Quartal nicht zu rechnen sein wird. Unterschiedliche Einschätzungen gibt es nur bezüglich der Bewertung. Einige Beobachter wollen trotz des klaren Trends nicht von einer „Insolvenzwelle“ sprechen, sondern von einer „Normalisierung“.
So meint Steffen Müller von der Abteilung Strukturwandel und Produktivität, die Zahl der Insolvenzen sei im Sommer stabil gewesen. Sie sei zwar über dem Durchschnitt der Jahre vor der Corona-Pandemie gewesen. Dass es jetzt zu so vielen Insolvenzen komme, sei jedoch ein Nachholeffekt.
In der Corona-Zeit war die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages phasenweise ausgesetzt. Zudem hatte der Staat durch Hilfen auch einige Unternehmen über die Corona-Jahre gerettet, die mutmaßlich unter normalen Umständen früher vom Markt verschwunden wären.
Schon damals warnten zahlreiche Ökonomen vor „Zombie-Unternehmen“, die sich über die Pandemie retten könnten. Auch liege die absolute Zahl der Insolvenzen von Unternehmen derzeit bei 14.590. Im Vergleich betrug diese 2009 in der Zeit der Wirtschaftskrise noch 33.000.
Strukturelle Probleme zunehmende Ursache
Auf der anderen Seite warnen Beobachter, dass sich neben Spätfolgen der Corona-Zeit schon längst aktuelle und strukturelle Unwägbarkeiten in der Zahl der Insolvenzen widerspiegeln. Dafür spreche, dass sich diese durch mehrere Sektoren durchziehen – neben dem Einzelhandel seien etwa Projektentwickler oder immer häufiger das Gesundheitswesen betroffen.
Hier machen sich längst Faktoren wie hohe Energiepreise oder der Personalmangel bemerkbar. Im Bauwesen kommen zudem deutlich gestiegene Materialpreise dazu. Die Zinspolitik macht Kredite teurer. Gleichzeitig kommt kein Rückenwind von Konsumenten, weil auch diese an Kaufkraft einbüßen.
Pflegeheime müssten neben den Folgen der Inflation und der Energiepreisentwicklung auch hohe Tarifabschlüsse wegstecken. Dies wirkt sich auch auf die Kosten für die Bewohner aus: Der Monatsbeitrag für ein Pflegeheim ist im ersten Halbjahr 2023 um 15,8 Prozent gegenüber dem Jahr 2022 gestiegen. Auch der Krankenstand unter den Beschäftigten ist hoch.
Der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zufolge haben seit November 2022 nicht weniger als 26 Träger mit insgesamt 34 Krankenhäusern Insolvenz angemeldet. Oft sind örtliche Kommunen als Retter eingesprungen, andernfalls wäre die Bilanz noch besorgniserregender.
(Mit Material von dpa)
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