CEO Sewing: Was Investoren am Standort Deutschland abschreckt

Mit dem CEO der Deutschen Bank, Christian Sewing, und Sparkassenverbandschef Ulrich Reuter haben zwei Spitzenmanager der Finanzwirtschaft vor der Politik der AfD gewarnt. Diese sei ein Faktor, der zur Unattraktivität des Standorts Deutschland beitrage.
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Christian Sewing, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank.Foto: Fabrice Coffrini/AFP via Getty Images
Von 31. Januar 2024

Der Ukraine-Krieg könnte als Universalerklärung für die wirtschaftliche Krise in Deutschland bald ausgedient haben. Hatten die Ampelparteien regelmäßig diesen für die durchwachsenen Wirtschaftsdaten und die schlechte Stimmung verantwortlich gemacht, könnte nun die AfD an diese Stelle treten. Auf dem Hauptstadtempfang der Deutschen Bank am Montag, 29. Januar, in Berlin war sie das Hauptthema der Rede von Vorstandschef Christian Sewing.

Sewing erklärt Programm der AfD zu negativem Standortfaktor

Wie das „Handelsblatt“ berichtet, warf Sewing „Rechtspopulisten und -extremisten“ vor, diese „spalten nicht nur die Gesellschaft, ihre Konzepte führen auch direkt in den wirtschaftlichen Abstieg“. Die AfD propagiere in ihrem Programm Abschottung gegenüber Einwanderung und den Weltmärkten. Dies sei in Zeiten des Fachkräftemangels unverantwortlich und darüber hinaus beruhe der Erfolg der deutschen Exportwirtschaft auf Globalisierung.

Aber auch die EU-Kritik sei schädlich, so der CEO der Deutschen Bank. Die europäische Integration sei „der einzige Weg, den Wohlstand zu bewahren“. Zudem sei der „Kampf gegen den Klimawandel“ die „größte Herausforderung der Menschheit“.

Die AfD ist in Deutschland an keiner einzigen Regierung auf Bundes- und Landesebene beteiligt. Es besteht auch kaum eine realistische Aussicht darauf, dass sich das perspektivisch ändern könnte. Experten sehen weniger im Zuspruch zu den Inhalten der AfD den Grund für deren Wahlerfolge, sondern in der Unzufriedenheit mit der Politik der regierenden Parteien.

Zahlreiche Unternehmen, die Deutschland verlassen, nennen Faktoren als Grund für ihre Entscheidung, die vonseiten der Regierung als „klimapolitische Notwendigkeiten“ betrachtet werden. Zuletzt scheiterten auch mehrere Freihandelsabkommen an zu ambitionierten Forderungen der EU an die potenziellen Partner im Umweltbereich.

Sparkassen-Präsident Reuter: Mangel an Wertschätzung kann Arbeitskräfte abschrecken

Sewing gab zudem seiner Befürchtung Ausdruck, dass ein hoher Stimmenanteil für die in Teilen rechtsextreme Partei Investoren abschrecken könnte. Immerhin würden diese „hinterfragen […], ob sie langfristig auf die demokratischen Werte und Strukturen vertrauen können, die ein wichtiges Kalkül für ihr Engagement in Deutschland sind“.

Sparkassen-Präsident Ulrich Reuter äußerte sich am Dienstag in ähnlicher Weise. Es sei ein wichtiger Standortfaktor für Deutschland, „dass wir ein demokratisches, weltoffenes Land sind und bleiben – mit Menschen, die einander mit Respekt und Toleranz begegnen“. Dies gelte insbesondere auch gegenüber Menschen aus anderen Kulturkreisen.

Immerhin sei Deutschland ökonomisch zwingend auf gezielte Zuwanderung und internationale Zusammenarbeit angewiesen. Spitzenforscher, Facharbeiter oder Pflegekräfte aus dem Ausland kämen „nicht nach Deutschland, wenn sie hier in Zukunft Ablehnung oder gar Deportationen befürchten müssen“.

Bereits im Juni des Vorjahres hatte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser in ähnlicher Weise geäußert. Anlass war damals der Sieg des AfD-Kandidaten Roland Sesselmann in der Stichwahl um das Landratsamt im thüringischen Sonneberg.

AfD und Co. nicht der einzige relevante Standortfaktor – und nicht einmal der wichtigste

Untersuchungen zufolge können Rassismus und Fremdenfeindlichkeit tatsächlich Faktoren sein, die ein Land für Arbeitskräfte oder Investoren aus dem Ausland weniger attraktiv machen. Dies hatte beispielsweise in den 2000er-Jahren eine verstärkte Abwanderung türkischer Einwanderer in Deutschland zur Folge. Viele davon verlagerten ihren Lebensmittelpunkt in die wirtschaftlich erstarkte Türkei oder in Länder wie Großbritannien und die USA.

Allerdings erklärt das nicht, warum viele gerade gut ausgebildete und mobile internationale Arbeitskräfte Österreich, die Niederlande, die Schweiz oder Frankreich Deutschland als Zielland vorziehen. In allen genannten Ländern kommen Rechtsaußenparteien bei Wahlen auf hohe Stimmenanteile.

Zudem weisen Länder wie die Schweiz, Australien, Großbritannien, Kanada und auch einige Bundesstaaten der USA zum Teil sehr hohe Hürden für Einwanderer auf. Dennoch sind sie als Zielländer für Fachkräfte häufig beliebter als Deutschland.

Worauf legen ausländische Arbeitskräfte und Investoren Wert?

Wie eine Fachkräfte-Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2019 zeigt, ist die Realität komplexer. In Summe sind es individuelle Faktoren und alltäglichere Überlegungen, die international mobile Fachkräfte zur Entscheidung für oder gegen ein Land bewegen. Zu den wichtigsten gehören dabei Karrierechancen, attraktive Arbeitsbedingungen, höhere Gehälter und bessere Aufstiegsmöglichkeiten. Bei Investoren geht es vor allem um niedrige Steuern und wenig Bürokratie.

Als weitere Faktoren, die für potenzielle Einwanderer relevant sind, gelten Klima und Lebensqualität. Auch bürokratische Hürden bei der Einwanderung, Sprachbarrieren oder ein bereits vorhandenes soziales Umfeld spielen für Entscheidungen dieser Art eine Rolle. Einwanderer bevorzugen es, Zielländer zu wählen, in denen es bereits eine etablierte Community von Landsleuten gibt.

Vor allem bezüglich der Lebensqualität fällt Deutschland dabei immer weiter zurück. Immer höhere Energiekosten, steigende Lohnnebenkosten, eine hohe Inflation und explodierende Lebenshaltungskosten treffen auch Einwanderer. Viele dieser Entwicklungen sind augenscheinlich Folgeerscheinungen politischer Entscheidungen der vergangenen Jahre.

Sewing fordert Lösungen für Probleme mit Alltagsbezug

Indirekt räumte das auch Sewing am Ende seiner Ansprache ein. Die derzeitigen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus seien zwar ein „starkes Zeichen“, sagte er, allerdings reichten diese nicht aus:

„Wirtschaft und Politik müssen den Menschen in Deutschland und in aller Welt zeigen, dass wir Lösungen für Deutschlands Probleme haben.“

Die Ampel hat mit einer Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes immerhin einen ersten Versuch unternommen, bürokratischen Hürden entgegenzuwirken. Auf diese Weise will sie die Attraktivität des Standorts Deutschland erhöhen.

Eine Vielzahl an Problemen, die Deutschland für Investoren und Arbeitskräfte aus dem In- und Ausland gleichermaßen unattraktiv machen, bleibt jedoch ungelöst.



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