BASF und ArcelorMittal bauen Kapazitäten in Deutschland ab – China gewinnt
Nicht nur aus dem Mittelstand häufen sich die Meldungen über Unternehmen, die ihre Produktion in Deutschland einschränken oder einstellen. Auch immer mehr Großkonzerne kündigen an, ihre heimischen Kapazitäten abzubauen und andere Standorte anzusteuern – nach Osteuropa, aber oft auch China.
Bereits vor einem Monat hatte der Stahlkonzern ArcelorMittal die Schließung eines von zwei großen Werken in Hamburg und eines Hochofens in Bremen angekündigt. Nun teilt auch BASF-CEO Martin Brudermüller mit, dass der Konzern seine europäischen Standorte „dauerhaft“ zurückbauen werde. Dies betreffe vor allem den traditionsreichen Standort Ludwigshafen. Wie ArcelorMittal denkt auch der Chemieriese an einen Ausbau seines Engagements in China. Das berichtet das „Manager Magazin“.
BASF spricht von „dreifacher Belastung“
Der BASF-CEO nennt eine „dreifache Belastung“ als Grund für die Desinvestition. Diese setze sich zusammen aus schleppendem Wachstum, hohen Energiekosten und permanenter Überregulierung. In einer Mitteilung erklärte Brudermüller jedoch, die „herausfordernden Rahmenbedingungen“ in Europa gefährdeten die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Produzenten.
Sie zwängen das Unternehmen dazu, „unsere Kostenstrukturen schnellstmöglich und auch dauerhaft anzupassen“. Der europäische Chemiemarkt wachse bereits seit etwa einem Jahrzehnt nur noch schwach. Die explodierenden Preise für Strom und Gas setzten die Wertschöpfungsketten unter Druck. Dies habe an europäischen Standorten die Kosten gegenüber 2021 um 2,2 Milliarden Euro erhöht.
In den kommenden beiden Jahren wolle BASF nun ein Sparprogramm umsetzen. Die jährlichen Kosten außerhalb der Produktion sollen dadurch um 500 Millionen Euro sinken. Mehr als die Hälfte der Einsparungen würden den Standort Ludwigshafen betreffen, wo etwa 39.000 der weltweit 111.000 Mitarbeiter beschäftigt sind.
Schwacher Trost für die Betroffenen: Aufgrund einer laufenden Standortvereinbarung wird es zumindest bis 2025 keine betriebsbedingten Kündigungen geben.
Brudermüller will ArcelorMittal stärker in China verankern
Demgegenüber glaubt Brudermüller trotz der aktuellen wirtschaftlichen Flaute an den Standort China. Der BASF-CEO rechnet dort mit weiterem Wachstum. Gegenüber dem „Manager Magazin“ erklärte er:
Wir kommen in der Summe zum Schluss, dass es vorteilhaft ist, unser Engagement dort auszubauen.“
BASF will eine sogenannte Megafabrik in Festlandchina errichten. Dies hat auch in der Konzernführung für Unmut gesorgt. Immerhin habe die Debatte über eine immer stärkere Abhängigkeit von der KP-Diktatur mittlerweile auch die Wirtschaft erreicht. Auch Vorstandskollegen befürchten nun, dass der CEO „den Chemiekonzern ausliefert“, schreibt das Wirtschaftsmagazin.
Brudermüller versicherte, er werde an die Ausbaupläne „nicht blauäugig“ herangehen. Er werde Teil der Wirtschaftsdelegation sein, die Bundeskanzler Olaf Scholz nächste Woche nach China begleite.
Die dortige Dynamik sei jedoch „ungebrochen“, betont Brudermüller, und die Rahmenbedingungen in Deutschland und Europas seien einfach zu defizitär. Zuletzt habe Europa bereits im starken Jahr 2021 laut dem CEO nur noch ein Drittel zum weltweiten Gesamtergebnis des Konzerns beigetragen. Im Laufe des Jahres 2022 habe sich die Ertragslage weiter abgeschwächt. Das deutsche Geschäft lief demnach besonders schlecht und wies im dritten Quartal ein negatives Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Sondereinflüssen von 130 Millionen Euro aus.
Krise in der Stahlindustrie kann andere Branchen infizieren
Unterdessen warnt der Vorstandsvorsitzende von ArcelorMittal Deutschland, Reiner Blaschek, dass der deutsche Zweig des Stahlriesen bei den hohen Energiepreisen nicht mehr konkurrieren könne. Auf „Slay News“ erklärt er, dass viele Industrieunternehmen in Deutschland dadurch mit Inputkosten konfrontiert seien, die die Rentabilität überstiegen.
Er spricht von einer Verzehnfachung der Gas- und Strompreise innerhalb weniger Monate – in einem Markt, der zu 25 Prozent durch Importe versorgt werde. Dies mache die Industrie nicht mehr wettbewerbsfähig. Für Blaschek steht fest:
Wir sehen dringenden politischen Handlungsbedarf, um die Energiepreise sofort in den Griff zu bekommen.“
Dies betreffe nicht nur die Stahlbranche selbst. Die Betriebskosten der Werke stiegen, demgegenüber gebe es einen Rückgang der Stahlnachfrage im verarbeitenden Gewerbe, in der Autoindustrie und im Baugewerbe.
„Bloomberg“ zufolge habe die europäische Stahlindustrie insgesamt bereits ihre Kapazitäten um etwa 20 Prozent reduziert. ArcelorMittal habe dabei den größten Teil der Kürzungen zu verkraften.
Geringe Nachfrage und politisch verfügte CO₂-Kosten als weitere Belastungsfaktoren
Die Wirtschaftsvereinigung Stahl erwartet in Deutschland im Jahr 2022 zusätzliche Energiekosten von etwa 10,6 Milliarden Euro. Dies entspreche etwa 25 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes der Stahlindustrie insgesamt.
Neben den Mehrkosten infolge der Energiepreisexplosion litten Unternehmen wie ArcelorMittal auch an geringerer Marktnachfrage und hohen CO₂-Kosten. Dies schreibt die „IndustryWeek“. Dadurch verschlechterten sich auch die wirtschaftlichen Perspektiven.
Der Rückbau der Standorte von ArcelorMittal in Deutschland habe zu Problemen in der Lieferkette geführt. In Deutschland produziere der Konzern jährlich mehr als eine Million Tonnen Stahl. Dieser finde im Maschinen-, Automobil-, Schiffs- und Pipelinebau sowie im Baugewerbe Verwendung.
ArcelorMittal Deutschland hat „Gasbedarf der Stadt Lübeck“
Das Hamburger Werk verbraucht große Mengen an Erdgas, das nur noch über teure Ersatzbeschaffung requiriert werden kann. Ohne Lieferungen aus Russland war das Stahlwerk jedoch vom Wetter abhängig. War nicht genügend Sonnen- und Windenergie im Netz vorhanden, konnte es nicht arbeiten.
Der „Welt“ zufolge verbrauchte nur einer der Schmelzöfen zur Herstellung von Roheisen 76.000 Kilowattstunden Strom pro Stunde. Dies entspreche dem Betrieb einer halben Million Fernsehgeräte.
Werksingenieur Ansgar Jüchter äußert gegenüber „Slay News“:
Wir haben den Gasbedarf der Stadt Lübeck und den Strombedarf von Kiel.“
Laut AFP macht die Industrieproduktion rund 22 Prozent des deutschen BIP aus. Die deutsche Bundesregierung geht für 2023 bereits von einem Rückgang des BIP um 0,4 Prozent aus. Blaschek warnt, jeder Abschwung in der Stahlindustrie könnte eine Kettenreaktion im Rest des industriellen Sektors auslösen.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erklärte gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, dass die deutsche Wirtschaft zum Erliegen kommen könnte, wenn die Unternehmen keinen Zugang zu mehr Energie haben. Präsident Peter Adrian warnt:
Immer mehr Unternehmen berichten uns, dass sie überhaupt keinen Liefervertrag mehr für Strom oder Gas haben.“
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