Der falsche Energieboost: Warum Kaffee uns in Wirklichkeit die Energie raubt
Allmorgendlich greifen zahlreiche Menschen zu ihrer frisch gebrühten Tasse Kaffee – in dem festen Glauben, dass dieses Ritual unverzichtbar für geistige Wachheit und Leistungsfähigkeit sei.
Der tägliche Koffeinkick ist jedoch eher eine clevere Täuschung als ein echter Energieschub. Denn in Wirklichkeit zapfen Sie dadurch die Energiereserven an, die Ihr Körper für die Zukunft vorgesehen hat.
Wie Koffein Sie in Schwung hält
„Im Allgemeinen ist Koffein ein stimulierendes Mittel für das Gehirn“, erläutert Edward Giovannucci, Professor für Ernährung und Epidemiologie an der Harvard T.H. Chan School of Public Health.
In seiner reinen Form ist dieses Purinalkaloid ein bitteres weißes Pulver. Neben Kaffeebohnen findet sich Koffein in über 60 Pflanzen auf der ganzen Welt, darunter in Teeblättern, Guaraná-Beeren und Kakaobohnen.
Koffein wirkt einem Molekül im Körper namens Adenosin entgegen, das uns schläfrig macht, erklärte Giovannucci gegenüber Epoch Times.
Der Adenosinspiegel im Gehirn ist beim Aufwachen niedrig, steigt aber im Laufe des Tages allmählich an. Wenn sich Adenosin zunehmend an seine Rezeptoren bindet, signalisiert es dem Gehirn das Bedürfnis nach Ruhe, was dazu führt, dass wir uns schläfrig fühlen.
Während des Schlafs wird Adenosin abgebaut und dieser Zyklus wiederholt sich. Unzureichender Schlaf führt somit zu einer Anhäufung von Adenosin und einer erhöhten Empfindlichkeit der Rezeptoren. Das erklärt die Benommenheit und Trägheit, die oft nach einer unruhigen Nacht auftreten.
Koffein hat eine ähnliche Struktur wie Adenosin, sodass es die Bindung von Adenosin an seine Rezeptoren blockieren und selbst an dessen Stelle treten kann. Dadurch wird verhindert, dass das Gehirn Signale der Müdigkeit empfängt – das entsprechende Müdigkeitsgefühl wird effektiv gedämpft.
Adenosin signalisiert nicht nur Schläfrigkeit, sondern unterdrückt auch die Aktivität der Gehirnzellen. Wenn Koffein Adenosin blockiert, stimuliert es indirekt das zentrale Nervensystem. Es löst die Freisetzung verschiedener Biochemikalien aus, darunter Dopamin, Glutamat, Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol, was zu einer gesteigerten Wachsamkeit, besserer Stimmung und verbesserten kognitiven Funktionen führt.
Koffein als Dopingmittel für den Körper
Eine mehrere Studien umfassende Metaanalyse aus dem Jahr 2020 ergab, dass der Konsum von Koffein die kognitive Leistung, die Arbeitsleistung und die Fahrleistung bei Personen mit Schlafmangel in gewissem Maße verbessern kann.
Das Gefühl, durch Kaffeetrinken einen Energieschub zu bekommen, ist durchaus gegeben, erklärte die zertifizierte Ernährungsberaterin Cindy Chan Phillips gegenüber Epoch Times.
Zusätzlich zum Energieschub kann Koffein die körperliche Fitness und die sportliche Leistung steigern. Eine randomisierte kontrollierte Studie ergab, dass Sportler, die Kaffee konsumierten, Sauerstoff effizienter nutzen und verstoffwechseln konnten. Dadurch erhöhte sich ihre maximale Herzfrequenz und Sauerstoffaufnahme.
Laut einer Analyse der International Society of Sports Nutrition verbessert der Konsum von 3 bis 6 Milligramm Koffein pro Kilogramm Körpergewicht die Muskelausdauer, die Muskelkraft und die aerobe Leistungsfähigkeit.
In ähnlicher Weise zeigte eine systematische Analyse, dass der Koffeinkonsum die Ausdauer von Läufern um 17 Prozent erhöhte und ihre Laufgeschwindigkeit im Vergleich zu Personen, die kein Koffein konsumierten, verbesserte.
Geliehene Energie
Der Energieschub, den Koffein liefert, ist im Wesentlichen das bloße Ergebnis verminderter Ermüdungserscheinungen und nicht etwa eine direkte Steigerung des Energieniveaus, so Mary Curristin, Ernährungsberaterin und Gesundheitscoach bei ART Health Solutions, gegenüber Epoch Times.
Nahrung liefert tatsächliche Energie, Koffein jedoch nicht. Eine Tasse schwarzer Kaffee enthält weniger als fünf Kalorien. Die Energie, die er zu liefern scheint, ist im Wesentlichen dem Körper entliehen.
Koffein hält wach, indem es Adenosin blockiert, „aber nur vorübergehend“, so Melissa Ann Prest, zertifizierte Ernährungsberaterin mit einem Doktor in klinischer Ernährung von der Rutgers University. Sobald die Wirkung des Koffeins nachlässt, überflutet das angesammelte Adenosin den Körper mit Signalen von Müdigkeit, ein Phänomen, das oft als „Koffein-Crash“ bezeichnet wird.
Regelmäßiger Koffeinkonsum erhöht die Anzahl der Adenosinrezeptoren im Gehirn, wodurch der Körper weniger empfindlich auf Koffein reagiert und mehr benötigt, um die gleiche Wirkung zu erzielen.
Koffeinsucht
Dr. Kevin Scheepers, ein Facharzt für integrative und funktionelle Medizin, erklärte gegenüber Epoch Times, dass ein übermäßiger Koffeinkonsum den Körper dazu bringen kann, auf Koffein angewiesen zu sein, um den Dopamin- und Adrenalinspiegel zu erhöhen.
Eine plötzliche Einstellung des Koffeinkonsums kann ein „Entzugsgefühl“ auslösen, das zu Müdigkeit und sogar Depressionen führt. Ein Dopaminabfall kann zu wahren Entzugserscheinungen wie Kopfschmerzen, Müdigkeit und Reizbarkeit führen, so Curristin weiter.
Zu viel Kaffee kann auch die Ressourcenverteilung des Körpers beeinträchtigen. Er lenkt die Energie in Richtung erhöhter Wachsamkeit statt in Richtung langfristiger Erholung, was die Muskelregeneration beeinträchtigen, die Immunantwort schwächen und die anhaltende Energieversorgung bei Aktivitäten mit hoher Ausdauerleistung verringern kann, insbesondere bei Personen, die empfindlich auf Koffein reagieren.
Der Konsum von Koffein zu später Stunde kann die Schlafqualität beeinträchtigen, die Zellregeneration behindern und die langfristigen Gesundheitsrisiken erhöhen.
Medizinische Bedenken
„Wenn Sie immer mehr Kaffee brauchen, um Ihr Energielevel aufrechtzuerhalten, ist das ein Zeichen dafür, dass Ihr Körper eine Abhängigkeit entwickelt“, so Phillips.
Koffeinabhängigkeit gilt als Krankheitsbild. Die American Psychiatric Association beschreibt neun diagnostische Kriterien für eine Koffeinkonsumstörung, wobei die folgenden drei besonders signifikant sind:
- „Ständiges Verlangen oder gescheiterte Versuche, den Koffeinkonsum zu reduzieren oder zu kontrollieren.“
- „Fortgesetzter Koffeinkonsum trotz des Wissens um ein anhaltendes oder wiederkehrendes körperliches oder psychisches Problem, das vermutlich durch Koffein verursacht oder verschlimmert wurde.“
- Das charakteristische Entzugssyndrom bei Koffein umfasst typische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Müdigkeit und Reizbarkeit. Koffein oder eine ähnliche Substanz wird häufig konsumiert, um diese Entzugssymptome zu verhindern oder zu lindern.
Ein Beispiel für den fortgesetzten Konsum von Koffein, obwohl die schädlichen Auswirkungen bekannt waren, ist eine Studie an schwangeren Frauen. Diesen war geraten worden, während der Schwangerschaft auf Koffein zu verzichten. 43 Prozent der Frauen, die die Kriterien für eine Koffeinabhängigkeit erfüllten, konsumierten weiterhin Koffein in durchaus bedenklichen Mengen.
Als Gründe für die Nichteinhaltung der empfohlenen Koffeindosis wurden unter anderem schwere Entzugserscheinungen, Funktionsstörungen und dringendes Verlangen nach der Substanz genannt.
Die optimale Dosis
Der Koffeingehalt in einer Tasse Kaffee beträgt etwa 100 Milligramm. Die genaue Menge kann jedoch je nach Herkunft, Zusammensetzung, Brühmethode und Konzentration des Kaffees variieren.
Ein einzelner Espresso in den USA hat in der Regel ein Volumen von 30 Millilitern und enthält durchschnittlich etwa 63 Milligramm Koffein. Dies kann jedoch stark variieren. So ist der Koffeingehalt in einem Starbucks-Espresso oft höher und liegt bei fast 100 Milligramm pro 30 Milliliter.
Darüber hinaus ergab eine Studie aus dem Jahr 2011 aus Glasgow, Schottland, dass größere Espressi mit 43 Milligramm durchschnittlich 140 Milligramm Koffein pro Portion enthalten.
Bemerkenswert ist, dass typische Dosen von Erfrischungsgetränken (355 Milliliter) 23 bis 83 Milligramm Koffein enthalten, wobei die meisten Cola-Getränke 36 bis 70 Milligramm enthalten.
Gewisse Energydrinks haben sogar einen noch höheren Koffeingehalt: Eine einzelne Flasche oder Dose kann mehr als 350 Milligramm enthalten.
Viele verschreibungspflichtige und rezeptfreie Medikamente gegen Kopfschmerzen, Erkältungen, Asthma, Appetitlosigkeit und Flüssigkeitsretention können ebenfalls Koffein enthalten. Hier liegen die Mengen zwischen 16 und 200 Milligramm pro Tablette.
Die US-amerikanischen Ernährungsrichtlinien empfehlen, täglich höchstens 400 Milligramm Koffein zu konsumieren, was etwa drei bis vier Tassen Kaffee pro Tag entspricht. Diese Richtlinie ist keine allgemeingültige Empfehlung.
Alles in Maßen
Lina Begdache, zertifizierte Ernährungsberaterin und außerordentliche Professorin in der Abteilung für Gesundheits- und Wellnessstudien am Decker College in Binghamton, sagte gegenüber Epoch Times, dass manche Menschen empfindlicher auf Koffein reagieren als andere. In ähnlicher Weise betonte Scheepers, dass „alles in Maßen“ der Schlüssel sei.
Giovannucci, der Harvard-Professor, der morgens selbst gerne einen Kaffee trinkt, empfiehlt, weniger Kaffee zu trinken, um zu sehen, ob die gleichen positiven Auswirkungen nach wie vor erzielt werden können. Er weist jedoch darauf hin, dass eine solche Umstellung Zeit und Disziplin erfordert, und rät: „Es könnte gut sein, dass Sie es etwa eine Woche lang versuchen müssen, damit sich die Veränderungen zeigen.“
Denjenigen, die gewöhnlich einen doppelten Espresso bestellen, empfiehlt Phillips, auf einen einfachen Espresso umzusteigen. „Möglicherweise werden Sie überrascht sein, dass Ihr Energielevel gleich bleibt.“
Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.
Zuerst erschienen auf theepochtimes.com unter dem Titel „Caffeine May Be Borrowing Energy From You–Here’s Why“. (redaktionelle Bearbeitung ee)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion