Mikro- und Nanoplastik kann Metastasenbildung bei Tumoren fördern

Mikro- und Nanoplastik ist allgegenwärtig – im Wasser oder im Essen. So passiert es, dass diese Partikel in den menschlichen Körper gelangen. Forscher aus Wien haben herausgefunden, dass Plastik von Zellen „vererbt“ werden und zu Krebs führen kann.
Mikro- und Nanoplastik könnte Krebs fördern
Österreichische Forscher haben herausgefunden, dass Mikro- und Nanoplastik im Körper bei der Zellteilung weitergegeben wird.Foto: iStock
Von 7. März 2024

Der Magen-Darm-Trakt ist der Forschung bereits als wesentliches Depot des menschlichen Körpers für Mikro- und Nanoplastikpartikel bekannt. Ein österreichisches Forscherteam hat nun die Auswirkungen der winzig kleinen Kunststoffteilchen auf Krebszellen im menschlichen Magen-Darm-Trakt untersucht.

Dabei zeigte sich, dass das Plastik deutlich länger in der Zelle verbleibt als bisher angenommen, da diese bei der Zellteilung an die neu gebildete Zelle weitergegeben wird. Außerdem entdeckten sie erste Hinweise dafür, dass die Plastikpartikel die Metastasenbildung bei Tumoren fördern könnten.

Nanoplastik im (Zell-)Magen

Neben der Atmung ist die Nahrungsaufnahme der wichtigste Weg von Mikro- und Nanoplastik in den Organismus. Plastikpartikel vom Gewicht einer Kreditkarte – also etwa fünf Gramm – gelangen so pro Woche in den Magen-Darm-Trakt. Das Team um die Studienleiterin Verena Pichler von der Universität Wien untersuchte die Interaktionen zwischen den Plastikpartikeln und verschiedenen Darmkrebszellen.

Bei ihren Analysen konnten sie nicht nur zeigen, wie Plastik in die Zelle eindringt und wo genau es sich ablagert, sondern sie beobachteten auch deren direkte Auswirkungen. So wird Mikro- und Nanoplastik wie andere „Abfallprodukte“ im Körper in Lysosomen aufgenommen. Lysosomen sind Zellorganellen, die auch als „Magen der Zelle“ bezeichnet werden und Fremdkörper in der Zelle abbauen.

Die Forscher beobachteten jedoch, dass die Plastikpartikel aufgrund der körperfremden chemischen Zusammensetzung im Gegensatz zu Fremdkörpern biologischen Ursprungs nicht abgebaut werden. Abhängig von verschiedenen Faktoren werde das Plastik sogar bei der Zellteilung an die neu gebildete Zelle weitergegeben. Somit könnte Mikroplastik im menschlichen Körper weit beständiger sein als ursprünglich angenommen.

Darüber hinaus gibt es erste Hinweise, dass Mikro- und Nanoplastik die Migration von Krebszellen in andere Körperregionen verstärken und damit möglicherweise die Bildung von Metastasen fördert. Dieser Effekt soll in einer Folgestudie weiter untersucht werden.

Je kleiner, desto schädlicher

Das veränderte Verhalten der Darmkrebszellen in Bezug auf die Zellmigration konnte vor allem als Folge der Interaktion mit Plastikpartikeln festgestellt werden, die kleiner als ein Mikrometer (1 µm = 0,001 mm) sind. Bei Teilchen dieser Größe wird meist von Nanoplastik gesprochen, das zum Beispiel in einer Wasserflasche 10- bis 100-fach häufiger auftritt als Mikroplastik. Unbestritten ist, dass Kunststoffteilchen umso schädlicher wirken, je kleiner sie sind.

„Das deckt sich einmal mehr mit den Ergebnissen unserer Analysen“, betont Verena Pichler. „Außerdem können wir mit unserer Studie jüngste Erkenntnisse bestätigen, die darauf hindeuten, dass Mikro- und Nanoplastik das Zellverhalten beeinflussen und möglicherweise zum Fortschreiten von Krankheiten beitragen können“, ergänzt Lukas Kenner, zweiter Studienleiter und Mitglied der Medizinischen Universität Wien.

„Vor dem Hintergrund der Allgegenwart von Kunststoffen in der Umwelt und der anhaltenden Exposition auch des Menschen durch kleinste Plastikpartikel sind dringend weitere Studien erforderlich, um insbesondere Langzeitauswirkungen zu untersuchen“, so Kenner. „Es ist davon auszugehen, dass von Mikro- und Nanoplastik eine chronische Toxizität ausgeht“, befürchtet Pichler.

Die jüngsten Ergebnisse sowie frühere Studien belegen eine hohe Aufnahme und einen langen Verbleib in Geweben und in Zellen. Damit erfüllen die untersuchten Partikel zwei von drei Merkmalen in der Toxikologie, mit denen im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung („REACH“) Stoffe als bedenklich eingestuft werden.

Die Studie wird im April 2024 im Fachjournal „Chemospheres“ erscheinen.

Mit Material der Medizinischen Universität Wien.



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