Long COVID: Lauterbach will 100 Millionen Euro für Forschung – Patientenschützer: „Alibi-Veranstaltung“
Am Dienstag, 12. September, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zum ersten runden Tisch in Sachen „Long COVID“ geladen. Gekommen waren Vertreter aus Wissenschaft, Medizin und Pharmaindustrie – und bereits für Dezember ist ein Folgetermin geplant. Ziel der Treffen ist es dem Minister zufolge, die Versorgung betroffener Patienten zu verbessern. Besonders wichtig sei es jedoch vor allem, die Erforschung von Langzeitwirkungen einer Corona-Erkrankung zu forcieren.
Lauterbach will um 60 weitere Millionen Euro gegen Long COVID kämpfen
Ein konkretes Ergebnis hat der dreistündige Termin immerhin schon gebracht, und zwar einen Auftrag an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Dieses soll bis spätestens Ende des Jahres eine Liste erstellen. Auf dieser sollen sich alle Medikamente finden, die sich zur Bekämpfung typischer Symptome von Long COVID eignen. Die Liste soll auch solche Präparate umfassen, die außerhalb der Zulassung verordnet und von der Kasse bezahlt werden können.
Lauterbach kündigte zudem mit Blick auf die anstehenden Haushaltsdebatten an, weitere Millionen Euro für die Finanzierung von Forschung zu Long COVID einzufordern. Bereits im Juli hatte der Minister ein mit insgesamt 41 Millionen Euro ausgestattetes Programm zur Forschungsförderung angekündigt. Zuvor hatte er jedoch davon gesprochen, dass mindestens 100 Millionen Euro zu diesem Zweck erforderlich wären.
Dass Lauterbach so weit hinter seinen selbst verkündeten Notwendigkeiten zurückgeblieben war, hatte bereits damals Kritik von Betroffenen ausgelöst. Der Minister erklärte dazu am Dienstag, er werde versuchen, auch noch die übrigen 60 Millionen zu mobilisieren. Dies sei „ein Minimum dessen, was wir brauchen“.
Patientenschützer Brysch hält Fonds mit mindestens einer Milliarde Euro für erforderlich
Nicht zufrieden mit den Ergebnissen des runden Tisches zeigte sich demgegenüber Patientenschützer Eugen Brysch. Gegenüber dem ZDF sprach dieser von einer „Alibi-Veranstaltung“. Eine „unverbindliche Runde“ sei zu wenig, um Long COVID und dessen Folgen in den Griff zu bekommen.
Brysch forderte einen eigenen Fonds zu diesem Zweck, der mit einer Milliarde Euro auszustatten sei. Zudem brauche es konkrete Zahlungen für die Kranken- und Pflegeversicherung. Einige Erkrankte litten bereits seit zwei oder drei Jahren an den Symptomen. In einigen Fällen sind diese bisherigen Erkenntnissen zufolge auch schwer von jenen abzugrenzen, die infolge von Impfschäden auftreten.
Minister Lauterbach unterstrich, dass die Therapie der mit Long COVID Erkrankten schwierig sei und vieles über Ursachen und Verläufe noch unklar. Es sei davon auszugehen, dass zwischen sechs und 15 Prozent der Corona-Infizierten an Long COVID erkrankten. Häufig sei nach wie vor lediglich eine Behandlung der Symptome möglich.
Symptombehandlung im Vordergrund – Wege zur vollständigen Heilung noch unerforscht
Gute Erfahrungen gebe es zum Teil mit Medikamenten, die gegen Schlafstörungen, Schmerzen oder Kreislaufprobleme zum Einsatz kämen. Dies bestätigten auch weitere Teilnehmer des runden Tisches wie Carmen Scheibenbogen von der Berliner Charité oder der Patientenbeauftragte der Regierung, Stefan Schwartze.
Zudem gebe es auch Long-COVID-Beschwerden, bei denen Patienten beim Aufstehen schwindlig werde. Dies könne man mit einem Mittel behandeln, das für Herz-Rhythmus-Störungen zugelassen sei. Zu den möglichen Symptomen von Long COVID gehören jedoch auch solche wie Erschöpfung, Konzentrationsprobleme, psychische Beschwerden oder Muskelschmerzen. Ein einheitliches Krankheitsbild ist noch nicht in Sicht, weshalb weitere Forschung erforderlich sei.
Scheibenbogen mahnte eine Anschubfinanzierung zum Aufbau eines bundesweiten Versorgungsnetzes mit Medikamenten an, die sich bei der Symptombehandlung bewährt hätten. In Spezialambulanzen müssten Patienten Therapien gestellt bekommen, um diese gemeinsam mit Hausärzten umzusetzen.
AOK: Wenige Fälle von Long COVID – aber teilweise viele Krankheitstage
Long COVID umfasst gemäß der Begriffsdefinition der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung solche Beschwerden, die mehr als vier Wochen nach einer Ansteckung mit COVID-19 fortbestehen, sich verschlechtern oder neu auftreten. Voraussetzung dafür ist, dass es für die Beschwerden keine andere Erklärung gibt.
Das Post-COVID-Syndrom bezeichnet Beschwerden, die noch nach drei Monaten bestehen und mindestens zwei Monate lang anhalten oder wiederkehren. Das Post-COVID-Syndrom ist demnach ein Bestandteil von Long COVID – aber nicht alle Erscheinungsformen von Long COVID sind deckungsgleich mit dem Post-COVID-Syndrom.
Einer Analyse der AOK zufolge ist der Anteil der Fälle von Long COVID unter mit Corona infizierten Versicherten gering. Allerdings ist ein Auftreten der Langzeitfolgen mit einer erheblichen Anzahl an Krankheitstagen verbunden. Einige Symptome bleiben den Betroffenen zudem noch deutlich länger erhalten. Mit Fortschreiten der Corona-Mutationen sei die Zahl der Fälle von Long COVID geringer geworden.
Lauterbach: Impfung schützt nicht vor Long COVID
Studien gehen von einer größeren Gefährdung von Personen mit bestimmten Vorerkrankungen oder Risikofaktoren aus, Long COVID zu entwickeln. Als relativ gesichert gilt ein Zusammenhang zwischen dem Long-COVID-Risiko und chronischen Atemwegserkrankungen wie Asthma oder COPD. Darüber hinaus ist es jedoch schwierig, belastbare Aussagen über Zusammenhänge zu treffen.
Mit Blick auf die kalte Jahreszeit rief Minister Lauterbach zum individuellen Schutz auf. Menschen über 60 Jahre und mit Risikofaktoren sollten ihren Impfschutz auffrischen. Ab 18. September sei an neue Corona-Varianten angepasster Impfstoff in Praxen verfügbar.
Bei steigenden Fallzahlen könne zudem auch das Tragen von Schutzmasken ratsam sein, gerade bei Risikogruppen. Lauterbach machte jedoch deutlich, dass eine Impfung nicht vor Ansteckung oder einer Long-COVID-Erkrankung schütze. Diese Wahrscheinlichkeit sei „erheblich geringer“, aber auch „nicht weg“.
(Mit Material von dpa)
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