Lebensrettend und beruhigend: Die Kunst des „Nichtstuns“ in der Krebstherapie

Operation, Strahlen- und Chemotherapie – das sind die gängigen Ansätze einer Krebsbehandlung. Darunter leidet oft die Lebensqualität, ohne dass sich immer die Überlebenschance verbessert. Das „abwartende Beobachten“ wäre in manchen Fällen die gesündere Option.
Titelbild
Bei früh erkannten oder langsam wachsenden Krebsarten wie beispielsweise Schilddrüsenkrebs sind oft keine invasiven Ansätze nötig.Foto: Shidlovski/iStock
Von 12. Januar 2024

Die Diagnose Krebs – wer sie bekommt, versinkt oft in Hilflosigkeit. Dem folgt nicht selten eine instinktive Kampfreaktion. Der Drang, etwas zu tun, egal was es auch sein mag, kann sich übermächtig anfühlen. 

Jedes Jahr lassen sich Millionen Krebspatienten operieren, bestrahlen oder unterziehen sich einer Chemotherapie. Allerdings bedeutet für manche eine konventionelle Behandlung nur begrenzte Wirksamkeit – nämlich keine signifikante Verbesserung der Überlebenschance, aber deutliche Nebenwirkungen. In solchen Fällen könnte „Watchful Waiting“ – abwartendes Beobachten – die bessere Wahl sein.

Nebenwirkungen einer konventionellen Behandlung vermeiden

Dieser oft übersehene Ansatz beinhaltet eine sorgfältige Überwachung des Patienten, in Verbindung mit einer Linderung von Beschwerden und oft einer Änderung des Lebensstils. Solange keine Notwendigkeit besteht, wird eine konventionelle Behandlung vermieden. Es handelt sich um eine strategische Pause, die auf folgender wissenschaftlicher Erkenntnis basiert: Manche Krebsarten, falls früh erkannt oder langsam wachsend, erfordern keine sofortigen Eingriffe.

Abwartendes Beobachten – auch „Active Surveillance“ (aktive Überwachung) genannt – wird empfohlen, wenn eine sofortige Behandlung die Überlebenschancen nicht verbessert. Am häufigsten kommt diese Strategie bei Prostatakrebs zur Anwendung, sie wird aber auch bei Brust- und Schilddrüsenkrebs und einigen Blutkrebsarten in Betracht gezogen.

Das Ziel ist dabei nicht die Heilung. „Einer der Gründe, über eine aktive Überwachung nachzudenken und die Behandlung hinauszuzögern, ist die Vermeidung von Nebenwirkungen, die fast immer mit der Behandlung von Krebs einhergehen, einschließlich Problemen im Zusammenhang mit der Operation“, schrieb die Stanford-Onkologin Dr. Lidia Schapira für die Ärzteorganisation American Society of Clinical Oncology.

Der Ansatz des abwartenden Beobachtens

Da sich die Diagnostik und Behandlung von Krebs stetig verbessern, könnte die Krankheit kontrollierbar werden, meinte Dr. Schapira gegenüber Epoch Times. „Mit besseren und präziseren Behandlungen werden wir es mit einer wachsenden Zahl von Menschen zu tun haben, deren Krebs zu einer Art chronischen Krankheit wird“, erklärte sie. Mit anderen Worten, Krebs wird zu etwas, mit dem die Menschen zu leben lernen, anstatt dagegen zu kämpfen.

Doch trotz dieser Möglichkeiten ziehen es viele Menschen vor, ihren Krebs behandeln zu lassen. Laut Dr. Nathan Goodyear sei der abwartende Ansatz bei der Krebsbehandlung eine differenzierte Entscheidung, die nicht für jeden Patienten geeignet sei. Dr. Goodyear ist medizinischer Leiter eines ganzheitlichen Krebsheilungszentrums in Arizona.

Ob diese Methode angemessen sei, sollte durch eine gründliche Befundauswertung und offene Gespräche auf der Grundlage realistischer Erwartungen, möglicher Risiken und Vorteile sorgfältig geprüft werden, erklärte er der Epoch Times.

Proaktive Strategie: Ernährungsumstellung und innerer Wandel

„Abwartendes Beobachten bedeutet keineswegs, dass keine Behandlung durchgeführt wird. Das Nichtbehandeln bezieht sich nur auf die gängigen Behandlungsstrategien wie Operation, Chemotherapie, Bestrahlung und konventionelle Immuntherapie“, so Dr. Goodyear.

Die Ernährung sei ein Eckpfeiler der proaktiven Strategie, so der Onkologe weiter. Denn sie könne das Immunsystem stärken und die körpereigenen Abwehrkräfte gegen Krebs aktivieren. Ebenso wichtig seien Änderungen des Lebensstils wie regelmäßige Bewegung, Stressbewältigung, erholsamer Schlaf und nährende Beziehungen. Dies alles zusammen bilde ein umfassendes Unterstützungssystem für Krebspatienten, unabhängig von der Behandlungsmethode.

Es ist bekannt, dass der Körper selbst in der Lage ist, aktiv Krebszellen zu entfernen. Allerdings kann dieser Mechanismus versagen, sodass Krebszellen wieder zu wachsen anfangen. Lebensgewohnheiten wie das Rauchen oder eine zuckerreiche Ernährung können dieses Problem noch verschärfen.

Neben diesen körperlichen Vorteilen spielt der Ansatz des „Loslassens“ als ein zentraler Aspekt des abwartenden Beobachtens eine entscheidende Rolle im Heilungsprozess. Indem sie den Drang nach sofortigen aggressiven medizinischen Eingriffen loslassen, erlauben sich Patienten, Zeit zum Nachdenken und Abwägen aller Behandlungsoptionen zu nehmen. 

Die Erfahrungen von Ärzten, Therapeuten, Pflegepersonal und Patienten hat gezeigt, dass dieser innere Wandel psychotherapeutisch hilfreich sein kann. Denn er baue Ängste ab und befähige die Patienten, die Kontrolle über ihre Gesundheit zu übernehmen.

Aufgeben als eine strategische Wahl

Die Macht der „Tatenlosigkeit“ oder die Kunst des „Nichtstuns“ hilft im Heilungsprozess und gewinnt deshalb zunehmend an Aufmerksamkeit. Dieses Konzept wird in einer Gesellschaft, die schnelle Lösungen und Ergebnisse fordert, oft als kontraintuitiv angesehen. Abwartendes Beobachten beinhaltet die Idee des Nachgebens, aber dies ist nicht als Aufgeben, sondern als eine strategische Wahl zu verstehen.

Sich dem natürlichen Verlauf einer Erkrankung zu überlassen – vorwiegend in Fällen, in denen medizinische Eingriffe keinen eindeutigen Vorteil bieten – spiegelt eine Veränderung im Gesundheitswesen wider, bei dem die Patienten mehr Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen sollen. 

Immer mehr Patienten zögern aggressive Krebstherapien hinaus. Sie ändern lieber ihren Lebensstil, um die körpereigene Fähigkeit zur Selbstregulierung und Heilung besser zu unterstützen.

Ärzte als unvoreingenommene Berater

Die Aufgabe der Ärzte sei es, dabei als Berater und Fürsprecher des Patienten zu fungieren, ergänzte Dr. Goodyear. Außerdem sollten sie alle Optionen unvoreingenommen vorstellen und seine Wünsche respektieren. Denn der Patient ist der wahre Entscheidungsträger.

Wer zwischen sofortigem Handeln und abwartendem Beobachten hin- und hergerissen ist, für den hat die Dr. Schapira drei Ratschläge:

  1. sich mit der Diagnose vertraut machen,
  2. mit dem Onkologen auf Augenhöhe zusammenarbeiten und
  3. sich psychologische Unterstützung suchen, um Ängste abzubauen.

Auf diese Weise könnten Patienten ihre Behandlung besser ihren Überzeugungen anpassen.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.

Zuerst erschienen auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Doing Nothing: An Unexpected and Possibly Lifesaving Cancer ‘Treatment’“. (deutsche Bearbeitung as)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion